Der AI-Generalsekretär bezeichnete den EU-Wahlkampf der FPÖ "rassistisch, islamophob und antisemitisch". Weiters übt er Kritik an der Wiedereinführung des Taser im Bereich der Justizwache.
Österreich hat nach wie vor ein Rassismus-Problem." Das hat Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International (AI)-Österreich, am Donnerstag in Wien anlässlich der Präsentation des AI-Jahresberichts 2009 vor Journalisten betont. In der heimischen Gesellschaft habe Rassismus und Diskriminierung "nach wie vor Platz". Es sei problematisch, wenn auch der Staat solches Verhalten ausübe. Amnesty spricht von "institutionellem Rassismus" in Österreich. Der aktuelle EU-Wahlkampf der FPÖ sei "in wesentlichen Elementen rassistisch, islamophob und antisemitisch und damit schwer menschenrechtsverletzend", sagte Patzelt.
Gegen "Verhetzung" vorgehen
Österreich müsse gegen
diese "Verhetzung" laut Patzelt vorgehen. Zwar plädierte er nicht für
strafrechtliche Maßnahmen, aber Österreich müsse zivilgesellschaftlich
dagegen agieren und Verantwortung übernehmen. Auch die Politik sollte
Stellung beziehen. "Niemand wird glauben wollen, dass Österreich kein
Rassismus-Problem hat", meinte Patzelt. Die Bildungspolitik müsse für jeden
Bürger eine gleichwertige Allgemeinbildung als "Bollwerk" für das
Verständnis von Menschenrechten gewährleisten.
Erschreckende Aussagen Grafs
Die jüngsten Äußerungen des Dritten
Nationalratspräsidenten Martin Graf (F) über den Präsidenten der
Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, seien nach Patzelts
Worten "zutiefst erschreckend", er wollte diese aber erst nach einer genauen
Prüfung kommentieren. AI wolle die Tagespolitik in Zukunft nicht aktiver
kommentieren, "mache aber den Mund auf, wenn Grenzen überschritten werden".
Die Kommentare zum FPÖ-Wahlkampf seien eine "notwendige Ausnahme".
Ein AI-Bericht zu "institutionellem Rassismus" bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gericht (erschienen im April 2009) sei von der Innenministerin als "isolierte Einzelfälle" kommentiert worden. Das Justizministerium schweige gänzlich zu diesem Thema. "Dieses Kleinreden, Leugnen und Ignorieren löst die Probleme nicht und führt nur dazu, dass sich Rassismus immer mehr ausbreitet", hielt Patzelt fest.
Kritik an Wiedereinführung des Taser
AI kritisierte außerdem
die Wiedereinführung der Elektroschockwaffe Taser im Bereich der
Justizwache, ohne dass eine vom Innenministerium angekündigte, umfassende
Evaluierung der Gefahren abgewartet worden sei. Die Justizministerin habe
die umgehende Wiedereinführung des Tasers gleichzeitig mit der Bekanntgabe
von Personaleinsparungen angekündigt. "Taser statt Personal, so wird ein
menschenrechtskonformer Strafvollzug jedenfalls nicht funktionieren", so
Patzelt. Taser würden laut dem AI-Generalsekretär überwiegend gegen
Ausländer eingesetzt werden. Amnesty verwahrte sich außerdem gegen die
Behauptung, dass die neuen Einsatzbedingungen der Waffe alle Bedenken von AI
berücksichtigten. "Das Justizministerium war trotz dringlicher Aufforderung
bisher nicht bereit, uns den Text des neuen Erlasses vorzulegen oder mit uns
zu diskutieren", so Patzelt.
Versagen beim Schutz von Asylsuchenden
Im AI-Jahresbericht wird
festgehalten, dass in Österreich "bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen
gegen Folter und andere Misshandlungen gemäß den Forderungen regionaler und
internationaler Menschenrechtsorganisationen 2008 keine Fortschritte erzielt
wurden". "Die Behörden versagten beim Schutz von Asylsuchenden und
Migranten", heißt es weiter. Die Behörden "machten sich weiter
Gesetzeslücken zunutze" und hätten Migranten und Asylsuchende ausgewiesen,
"ohne ihre Familiensituation und Privatleben angemessen zu berücksichtigen".
Im Oktober habe das Innenministerium die Finanzierung für die Rechtsberatung
von Asylsuchenden erheblich gekürzt, die ausschließlich von
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) geleistet werde.