Asyllager-Streit
ÖSTERREICH-Interview mit Erwin Pröll
04.01.2010
Der NÖ-Landeschef rechnet mit der Regierung ab.
ÖSTERREICH: Der Kanzler findet, das Asyllager für den Süden gehört nach
Kärnten.
Erwin Pröll: Auf geografische Einschätzungen der
SPÖ lasse ich mich nicht ein. Offensichtlich ist ein Teil der
Bundesregierung dabei, abzudanken und sich jeder Verantwortung zu entziehen.
Die Frage der Unterbringung von Asylwerbern ist eine reine
Bundeszuständigkeit.
Aber wie geht es jetzt weiter?
Ich sage das nicht nur so vor
mich hin: Unter diesen Bedingungen ist das Lager Traiskirchen auf Dauer
nicht zu führen. Es ist keine Drohung, sondern ein Faktum: Ich habe die
Behörden beauftragt, neue Richtlinien für das Lager zu erarbeiten.
Wollen Sie Traiskirchen schließen?
Das ist derzeit kein
Thema. So wie jetzt kann und wird es aber in Traiskirchen nicht weitergehen.
Wir haben zur Stunde rund 800 Lagerinsassen. Damit das Lager weitergeführt
werden kann, muss es zu einer Senkung der Belagszahl, und zwar zu einer
deutlichen, kommen. Es müssen menschliche Lebensverhältnisse her. Die
Bezirksbehörde wird sich das in den nächsten Wochen anschauen und
Vorschreibungen machen: Es muss zu einer Trennung von Erwachsenen und
Jugendlichen kommen. Wir haben 80 Plätze für Jugendliche – tatsächlich sind
250 im Lager. Auch die Ethnien gehören getrennt: Wir haben Afghanen,
Tschetschenen und Afrikaner. Ich brauche nicht zu erklären, zu welchen
Spannungen es da kommt.
Darabos sagt, wir brauchen kein 3. Erstaufnahmelager, wenn alle Länder
ihre Asylquoten einhalten.
Mir wäre es ja recht, wenn es so wäre.
Tatsache ist aber, dass alle Länder mit Ausnahme von Oberösterreich,
Niederösterreich und Wien ihre Quote nicht erfüllen. Trotzdem liegt Darabos
falsch: Asylanten, bei denen das Vorverfahren noch läuft, sind in einem
Erstaufnahmelager unterzubringen.
Aber was soll jetzt wirklich geschehen?
Ich frage mich, wo
sind all jene, die als Erste nach Menschlichkeit und nach dem Bleiberecht
schreien? Die ziehen sich schweigend in die letzte Reihe zurück, wenn es um
die Umsetzung geht.
Wen meinen Sie?
Das geht von den Sozialorganisationen wie
der Caritas und der Diakonie bis zu Staatsoberhaupt Fischer: Bei
Spendenaktionen Telefone abzuheben ist eine Sache, aber menschenwürdige
Verhältnisse bei der Unterbringung zu schaffen, das ist die andere Sache.
Und das ist in Wahrheit die Nagelprobe. Diese Doppelbödigkeit ist nicht mehr
zu überbieten.
Ein Teil der Regierung hat abgedankt? Sie meinen den Kanzler?
Den
Herrn Verteidigungsminister meine ich genauso. Er opfert das
Koalitionsübereinkommen für seine Parteitaktik. Bei dieser Art von
Nicht-Politik muss ich mich ja wirklich fragen: Brauchen wir überhaupt noch
eine Bundesregierung? Ich bin für Niederösterreich sofort dafür, dass wir
die Kompetenz in der Asylfrage übernehmen. Aber dann auch die
Sicherheitsagenden, das ist nicht zu trennen.
Aber Ihre Kollegen Niessl und Dörfler wollen auch kein Asyllager.
Wenn Niederösterreich mit diesem Egoismus vorgehen würde, wer würde die Last
dann noch tragen? Ich kann mich über die Kollegen Niessl und Dörfler nur
wundern. Das geht bis zum Kollegen Platter in Tirol, der als Innenminister
das dritte Asyllager nicht zusammengebracht hat und sich jetzt so wegdreht
wie alle anderen.