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Stocker auf oe24.TV

ÖVP-Chef: "Ja, ich habe an Glaubwürdigkeit eingebüßt"

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Der neue ÖVP-Chef Christian Stocker möchte unter Kickl den Vizekanzler stellen und spricht im oe24.TV-Interview über die blau-schwarzen Verhandlungen und eine mögliche Regierung von ÖVP und FPÖ.

Christian Stocker gab oe24-Chef Niki Fellner auf oe24.TV das erste Interview als ÖVP-Chef. Stocker sieht durch die ÖVP-Wende zur FPÖ seine Glaubwürdigkeit beschädigt. 

oe24.TV: Sie waren im Wahlkampf einer der schärfsten Kritiker von Herbert Kickl, jetzt verhandeln Sie mit ihm. Macht Sie das nicht völlig unglaubwürdig?

Christian Stocker: Es liegt an den Umständen, dass ich die Dinge jetzt anders mache. Ich persönlich habe natürlich an Reputation und Glaubwürdigkeit eingebüßt. Das betrifft auch die ÖVP. Ich habe mir diesen Schritt nicht leicht gemacht, aber er war einfach notwendig.

oe24.TV: Aber können Sie sich jetzt einen Kanzler Kickl vorstellen?

Stocker: Was ich mir vorstellen kann, ist nicht der Punkt. Aber am Ende kann es einen Kanzler Kickl geben – wenn es eine Einigung gibt.

oe24.TV: Aber waren die gegenseitigen Attacken zwischen Ihnen und Kickl nicht ein Fehler?

Stocker: Was wir gesagt haben, war teilweise eine Überspitzung, aber wir haben tatsächlich Sorge: Ein Öxit kommt für uns nicht infrage. Wir bleiben in der EU. Wir sind ein souveräner Staat und lehnen Einflussnahme durch Russland ab. Das spielt in Verhandlungen für uns eine Rolle.

"Keine Entschuldigung"

oe24.TV: Haben Sie sich bei Kickl entschuldigt?

Stocker: Ich habe keinen Grund, mich zu entschuldigen, und erwarte auch keine Entschuldigung von ihm. Jetzt geht es um professionelle Verhandlungen. Ich hoffe, sie gelingen.

oe24.TV: Wie lange wird die Regierungsbildung noch dauern – 100 Tage sind ja schon vergangen.

Stocker: Die 100 Tage sind ja nicht ungenutzt verstrichen, da wurde ja viel aufgebaut. Jetzt hat Herbert Kickl den Regierungsauftrag. Wie schnell das geht, liegt daran, wie es Herbert Kickl anlegt.

oe24.TV: Was sind die Knackpunkte der Gespräche?

Stocker: Das klare Bekenntnis zu Europa, zum Rechtsstaat. Es muss klar sein, wir sind Teil der westlichen Welt. Es geht aber auch um die Wettbewerbsfähigkeit – damit am Ende der Sozialstaat finanzierbar bleibt.

Raketenschutzschild Skyshield "keine Bedingung zu Beginn der Verhandlungen"

oe24.TV: Ist die Teilnahme an Skyshield für Sie Koalitionsbedingung? Die FPÖ will ja aussteigen.

Stocker: Ich habe gelernt, dass es nicht zielführend ist, zu Beginn der Verhandlungen Bedingungen zu stellen. Wir müssen jedenfalls unsere Landesverteidigung ernst nehmen.

oe24.TV: Skyshield ist also keine rote Linie?

Stocker: Darauf gehe ich öffentlich nicht ein.

oe24.TV: Wie soll das Budget saniert werden? Das ist ja völlig aus dem Ruder gelaufen...

Stocker: Das Budget ist nicht völlig aus dem Ruder gelaufen. Was eingetreten ist: Das Wirtschaftswachstum ist unter den Erwartungen geblieben. Das geringere Wirtschaftswachstum und die lange Phase der Rezession haben dazu beigetragen, dass der Anteil der Schulden am BIP größer geworden ist.

"Mein Fahrer musste Anzug und Krawatte holen"

oe24.TV: Wie sind die Chancen für eine Regierung? Bei der Ampel meinten Sie damals 50:50 – wie ist das jetzt?

Stocker: Ich bin sehr vorsichtig geworden, auch aufgrund meiner Änderung im Verhalten. Ich bin am Sonntag mit Rollkragenpullover nach Wien gefahren. Nach kurzer Zeit musste mein Fahrer dann Anzug und Krawatte holen, damit ich in neuer Kleidung meine erste Rede als neuer, designierter ÖVP-Chef halten konnte.

Stocker zum Amt des Vizekanzlers

oe24.TV: Gehen Sie als Vizekanzler in eine blau-schwarze Regierung?

Stocker: Wenn die Regierungsverhandlungen erfolgreich sind, gehe ich in diese Regierung. Aus heutiger Sicht werde ich auch bei einem Parteitag kandidieren, der innerhalb von drei Monaten stattfinden muss.

oe24.TV: Wären Sie Spitzenkandidat bei Neuwahlen?

Stocker: Das werden wir bewerten, wenn sich die Dinge in diese Richtung ändern sollten.

oe24.TV: Wie ist das Gesprächsklima mit der FPÖ und Kickl? Ist Blau-Schwarz eine Liebeshochzeit oder eher eine Zweck-Ehe?

Stocker: Es ist ein professionelles Gesprächsklima. Aber man ist sich noch nicht allzu nahe und kennt sich nicht allzu gut.
Ich bin für mein Personal verantwortlich, Kickl für seines. Wenn wir Pläne für ein Übereinkommen finden, weil es für das Land gut ist, dann tun wir das. Aber das sind weder Zweck-Ehen noch Lebensabschnitts-Partner.

oe24.TV: Wie hat denn Ihre Familie auf Ihren Jobwechsel reagiert?

Stocker: Meine Frau hat es aus den Medien erfahren. Ich habe es allen erklärt und geschafft, dass ich in meiner Familie die Glaubwürdigkeit wiedergewonnen habe. Ich hoffe, dass mir das auch in der Politik gelingt.

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