Vorstoß
ÖVP löst Debatte über Mehrheitswahlrecht aus
17.01.2008
Das laute Nachdenken von Teilen der ÖVP über das Mehrheitswahlrecht, löst bei der Opposition Besorgnis aus. Die SPÖ gibt sich gesprächsbereit.
"Weder ja noch nein" sagt SPÖ-Klubobmann Josef Cap zur Einführung eines Mehrheitswahlrechts in Österreich. Er sei immer bereit, über Verbesserungen für mehr Bürgernähe und Demokratie nachzudenken, erklärte er am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Dass nun ein entsprechender Vorstoß von der ÖVP gemacht wurde, führt Cap jedenfalls auf deren "Frustration" über den Verlust des ersten Platzes bei den letzten Wahlen zurück. Erneut losgetreten wurde die Debatte von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein.
Mehrheitswahlrecht hat "viele Schwächen"
So
würden dadurch viele Stimmen "verloren gehen", erklärte
Cap.Oppositionsparteien würden "nicht mehr vorkommen", ließ
er leichte Ablehnung der Idee durchklingen. Eine Diskussion befürworte er,
grundsätzlich sei aber oberstes Ziel, das parlamentarische System zu stärken
sowie Bürgernähe und Demokratie zu forcieren.
Eine Änderung des Wahlsystems dürfe jedenfalls nicht, wie von Bartenstein angedacht, nur von den beiden Regierungsparteien beschlossen werden, unterstrich er. Wenn, dann müsse sich diese jedenfalls die "breitest mögliche Zustimmung holen", betonte Cap.
Gusenbauer: "Kein Kommentar"
An einer Diskussion zur
Einführung eines Mehrheitswahlrechts in Österreich wolle er sich nicht
beteiligen. Dies betonte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am Donnerstagabend
beim Neujahrsempfang der Tiroler SPÖ in Igls bei Innsbruck. "Kein
Kommentar", sagte Gusenbauer, "der Cap hat alles gesagt".
Erklärung - Mehrheitswahlrecht |
Van der Bellen: "Erinnert an Putin"
Mit scharfen
Worten hat der Grünen-Chef Alexander Van der Bellen das Drängen von Teilen
der ÖVP auf ein Mehrheitswahlrecht zurückgewiesen. Er warf
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und Landwirtschaftsminister Josef
Pröll vor, "die Opposition kalt ausschalten" zu wollen. "Beide
haben offenbar ein Problem mit Kritikern ihrer Politik. Das erinnert an Putin",
kritisierte Van der Bellen.
Van der Bellen fordert von Kanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer eine "klare Distanzierung von diesem Versuch, per Verfassung festzuschreiben, dass nur SPÖ oder ÖVP regieren dürfen". "Enttäuscht" ist der Grünen-Chef, dass Parlamentspräsidentin Barbara Prammer die Einführung des Mehrheitswahlrechts nicht zurückweist. Außerdem komme der Vorstoß ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo die Kontrolle dieser Regierung mehr denn je nötig sei, so Van der Bellen mit Verweis auf Asylgericht und Sicherheitspolizeigesetz.
FPÖ und BZÖ lehnen Mehrheitswahlrecht ab
"Solche
ÖVP-Vorschläge höhlen die Demokratie in Österreich nur noch weiter aus",
bekräftigte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl die klare FPÖ-Ablehnung eines
Mehrheitswahlrechts in Österreich. Aussagen wie die von
ÖVP-Wirtschaftsminister Bartenstein, wonach ein neues Mehrheitswahlrecht nur
von den beiden Regierungsparteien beschlossen werden sollte, zeigten klar,
wie es einige in der ÖVP mit einer parlamentarischen Demokratie halten
würden.
"Hände weg vom Mehrheitswahlrecht!", fordert BZÖ-Chef Klubobmann Peter Westenthaler. "Die rot-schwarze Streithanselkoalition, die nichts zustande bringt, will offenbar mit einem Mehrheitswahlrecht die Opposition bestrafen und sich damit selbst pragmatisieren. Ein Mehrheitswahlrecht, wie es die ÖVP plant, grenzt an einen Demokratieputsch
Allerdings gibt es auch innerhalb der ÖVP skeptische Stimmen. So hatte Seniorenbund-Chef Andreas Khol bereits im November einen Systemwechsel als "gefährlich" bezeichnet. Den entsprechenden Vorschlag der ÖVP-Perspektivengruppe kommentierte der ÖVP-Chefverhandler zur Verfassungsreform damals mit einem knappen: "Geht's dem Esel zu gut, geht er aufs Eis."