Der abgelöste BKA-Chef Haidinger erhob diesen Vorwurf im Innenausschuss. Außerdem warf er Ex-ÖVP-Innenministern Korruptionsversuche vor.
Einen handfesten politischen Skandal hat der abgesetzte Leiter des Bundeskriminalamts, Herwig Haidinger, ausgelöst. Im Innenausschuss des Nationalrats hat er dem Innenministerium Korruptionsversuche vorgeworfen und neue Anschuldigungen erhoben. Unter anderem soll Hinweisen im Fall Natascha Kampusch nicht nachgegangen worden sein. Jetzt laufen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch durch das Innenressort.
Banken-U-Ausschuss
Haidinger hat im Ausschuss erklärt, der
Kabinettschef des Innenministers (Günther Platter) habe von ihm verlangt,
die Akten für den Banken-Untersuchungsausschuss zuerst an den Klub der ÖVP
und erst dann an den Ausschuss zu senden. Er habe sich geweigert, der
Kabinettschef habe ihn angebrüllt - ohne Ergebnis. Er habe sich nicht zu
rechtswidrigen Handlungen anleiten lassen.
Ex-Kabinettchef Philipp Ita weist die Vorwürfe zurück. Die FPÖ kündigte rechtliche Schritte gegen ihn und den neuen Leiter des Bundeskriminalamts, Franz Lang, an.
BAWAG-Vorwürfe gegen SPÖ
Außerdem hätten ihn zwei
Kabinettsmitarbeiter der Innenministerin (Liese Prokop) dazu gebracht, die
BAWAG-Vorwürfe gegen die SPÖ zu liefern. Die beiden hätten auch die
Beschleunigung der Untersuchungen gegen die SPÖ verlangt. Und die
Ermittlungen gegen Vranitzky seien vor der Wahl plötzlich der Soko BAWAG
abgenommen und dem BIA übergeben worden.
Fall Kampusch
Haidinger sagte auch aus, dass zwei Hinweisen im
Fall Natascha Kampusch nicht nachgegangen worden sei. Auf dieses Versäumnis
habe er im Herbst 2006 im Büro Prokop hingewiesen. Daraufhin sei ihm
beschieden worden: "Wir können vor der Wahl keinen Polizeiskandal
brauchen." Ein Hundeführer der Wiener Polizei hatte konkrete Hinweise
auf den Entführer Wolfgang Priklopil geliefert, der Beamte ist bis heute
nicht angehört worden.
Natascha Kampusch ist angesichts dieser Entwicklungen entsetzt und wütend. Ihr Anwalt prüft bereits eine Anhaftungsklage.
Platter ortet nur "Gerüchte"
ÖVP-Innenminister
Günther Platter bezeichnet Haidingers Aussagen als "Gerüchte und
Behauptungen". Das Innenministerium untersuche alle Vorwürfe, gegen wen
auch immer sie erhoben würden. Das Büro für Interne Angelegenheiten ermittle
seit Juli 2007. Teilweise lägen Ermittlungsergebnisse schon seit Sommer bei
der Staatsanwaltschaft.
Kein U-Ausschuss
Grüne, FPÖ und BZÖ sind hell empört nach den
Schilderungen Haidingers. Sie fordern einen parlamentarischen
Untersuchungsausschuss. SPÖ und ÖVP haben das aber bereits als "nicht
notwendig" abgelehnt. Die Freiheitlichen verlangen außerdem eine
Wiederaufnahme des Bankenausschusses.
U-Ausschuss wäre "Kriegsfall"
Der ÖVP-Abgeordnete
Helmut Kukacka ist zufrieden, dass die SPÖ einen Untersuchungsausschuss
abgelehnt hat. Würde der Koalitionspartner entgegen der ÖVP-Linie für einen
U-Ausschuss stimmen, wäre das "sicherlich ein Kriegsfall", so
Kukacka am Dienstagabend in der ZiB 2. Personelle Konsequenzen im
Innenministerium hält der Schwarze für nicht nötig. Die Aussagen Haidingers
seien nur eine "Melange von Unterstellungen udn Vorwürfen",
die "durch nichts nachzuweisen" seien.
Auch Molterer strikt gegen U-Ausschuss
Auch ÖVP-Chef wilhelm
Molterer lehnt einen parlamentarischen U-Ausschuss kategorisch ab, weil der
zu einer Politbühne werden könnte: "Ich möchte Aufklärung,
und die ist bei den Gerichten und der Staatsanwaltschaft in den besten Händen",
so Molterer Mittwochfrüh. Die Zuständigen sollten den Vorwürfen nachgehen,
auch wenn sich der Vizekanzler "absolut nicht" vorstellen kann,
dass sie zutreffen.
Von Ablöse seit 2005 "gewusst"
Schon vor dem
Innenausschuss hatte Haidinger angegeben, das Innenressort hätte ihm einen
lukrativen Job angeboten, nämlich den Posten des Sicherheitsattachés in
Washington, was finanziell eine Verbesserung dargestellt hätte. Der
Spitzenkriminalist hat aber wegen seines Familie abgelehnt. Zudem wollte er
sich nicht bestechen lassen.
Dass er heuer als Chef des Bundeskriminalamts abgelöst würde, sei ihm persönlich seit Herbst 2005 klar gewesen. Damals sei ihm gesagt worden, "wenn die ÖVP das Innenministerium behält", werde sein Vertrag nicht verlängert.