"Mehr Gelassenheit"

ÖVP sperrt sich gegen Graf-Abwahl

28.07.2009

Kanzler Faymann will den NR-Präsidenten lieber heute als morgen abwählen.

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Bundeskanzler Werner Faymann (S) hat sich am Dienstag nach dem Ministerrat dezidiert dafür ausgesprochen, eine Abwahl eines Nationalratspräsidenten zu ermöglichen. Es soll im Nationalrat in dieser Sache Gespräche mit der ÖVP geben und zwar "nicht als Anlassgesetzgebung". Sein Gegenüber, Vizekanzler und VP-Chef Josef Pröll, findet die Aussagen des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (F) in Sachen Südtirol zwar ebenfalls "absolut inakzeptabel, völlig überflüssig, skurril", bleibt aber bei seiner Ablehnung einer Änderung der Nationalratsgeschäftsordnung.

Handlungsbedarf
Man dürfe nicht durch "Geschäftsordnungstricks Märtyrer schaffen", meinte Pröll, hielt aber fest: Wenn Graf oder andere Abgeordnete gegen das Verbotsgesetz oder andere Gesetze verstoßen sollten, werde die ÖVP "binnen Stundenfrist" handeln. "Und das schauen wir uns ganz genau an." Pröll sieht bei der FPÖ Handlungsbedarf: "Er ist ohne Zweifel rücktrittsreif", aber dafür hätten Graf und die Freiheitlichen selbst zu sorgen.

Faymann dagegen ist der Meinung, dass der Nationalrat grundsätzlich die Möglichkeit haben sollte, eine frühere Entscheidung "mit Zweidrittelmehrheit" in Frage zu stellen. Denn schließlich könne man "im Vorhinein in jemanden nicht hineinschauen". Faymann ortet auch in der ÖVP immer mehr Stimmen für eine Abwahl Grafs und bezeichnete das als "erfreulichen Diskussionsverlauf".

"Mehr Gelassenheit"
ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf plädierte angesichts der Aufregung um die Graf-Forderung nach einer Volksabstimmung über eine Rückkehr Südtirols nach Österreich, für "ein bissl mehr Gelassenheit". Er teile die Meinung Grafs zwar nicht, trotzdem sei dieser als Nationalratspräsident politisch legitimiert, sagte Kopf am Dienstag.

Inhaltliche Kritik
"In einem demokratischen System ist es möglich seine Meinung zu sagen. Mann kann auch Blödsinn sagen, sowie Graf kürzlich. Deswegen muss er nicht gleich abgewählt werden" betonte Kopf. Im übrigen seien die Beurteilung von Graf-Aussagen, die Kopf inhaltlich kritisierte, und die Debatte um die Abwahlmöglichkeit für Nationalratspräsidenten "zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe".

Amtsenthebungsverfahren
Kopf deponierte neuerlich seinen Vorschlag, statt der Abwahlmöglichkeit durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahren für den Nationalratspräsidenten vor dem Verfassungsgerichtshof zu schaffen. Ein solche Amtsenthebung könnte es nach den Vorstellungen des VP-Clubchefs freilich nur im Fall einer Verfassungsverletzung durch einen Präsidenten geben, womit Grafs Südtirol-Aussagen kein Anlass für ein derartiges Verfahren wären. "Das wäre keine Lex Graf, weil sie in diesem Fall nicht wirken würde" betonte Kopf.

Die bloße Abwahl eines Nationalratspräsidenten wegen einer politischen Äußerung lehne Kopf als "nicht zulässig" ab. Dies diene auch dem Schutz der kleinen Parlamentsparteien, so der VP-Clubchef.

Koalitionsklima
Das zuletzt etwas gespannte Koalitionsklima führte Kopf auf die "Nervosität des Koalitionspartners" wegen der verlorenen EU-Wahl zurück. Diese richte sich etwa im Zusammenhang mit den Spekulationsverlusten der Bundesfinanzierungsagentur auch gegen ÖVP-Chef Josef Pröll. Das könne man natürlich nicht zulassen, betonte Kopf. Er versicherte aber, sich keine nachhaltigen Sorgen um den koalitionären Haussegen zu machen: "Er hängt ein bisschen schief, aber wir werden ihn schon wieder geraderichten".

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