Inflationspaket
ÖVP will mehr Familienbeihilfe und Pflegegeld
31.07.2008
ÖVP-Chef Molterer will 550 Millionen Euro für das Anti-Inflationspaket ausgeben. Auch SPÖ-Vorschläge greift er plötzlich auf.
ÖVP-Chef Wilhelm Molterer hat am Donnerstag seine Vorschläge zum Teuerungsausgleich vorgestellt. Angesichts der hohen Inflation tritt jetzt auch er für mehr Familienbeihilfe ein. Außerdem plädiert Molterer für eine gestaffelte Anhebung des Pflegegeldes, die abhängig von der Pflegestufe drei bis sieben Prozent ausmachen soll. Für öffentliche Verkehrsmittel soll es ein bundesweit gültiges "Österreichticket" geben. Insgesamt belaufen sich die Kosten für seine Vorschläge auf 550 Mio. Euro.
Familienbeihilfe 13 x
Bei der Familienbeihilfe möchte Molterer
eine 13. Monatsrate für alle in Ausbildung befindlichen Kinder (von sechs
bis max. 25 Jahre) einführen. Kostenpunkt: 190 Millionen Euro jährlich. Noch
im April hatte er die Forderung der SPÖ nach einer Anhebung der
Familienbeihilfe abgelehnt.
Beschluss nach der Wahl
Molterer will nun mit der SPÖ
verhandeln. Ein rückwirkender Beschluss über die höhere Familienbeihilfe
könnte der erste Beschluss des Nationalrats nach der Wahl sein, hofft der
ÖVP-Chef. Erstmals ausgezahlt werden soll die 13. Monatsrate noch im Herbst.
Pflegegeld anpassen
Beim Pflegegeld schlägt Molterer eine
Anhebung um drei Prozent für die ersten zwei Pflegestufen, um fünf Prozent
für die Stufen drei bis fünf sowie um sieben Prozent für die Stufen sechs
und sieben vor. Die Kosten dafür beziffert der Finanzminister mit 86
Millionen Euro.
Pflegemodell ausbauen
Dazu plädiert er für den Wegfall der
Vermögensgrenze und eine höhere Förderung bei der 24-Stunden-Betreuung zu
Hause. Der Zuschuss soll bei selbstständigen Pflegern auf 500 Euro
verdoppelt und bei angestellten Pflegern von 800 auf 1.000 Euro aufgestockt
werden - gemäß dem Vorschlag von Parteikollege und Wirtschaftsminister
Martin Bartenstein. SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger hatte zuletzt 350 bis
530 Euro für selbstständige und 1.200 Euro für angestellte Pfleger
vorgeschlagen.
"Österreich Ticket"
Das "Österreich Ticket"
soll so aussehen: Eine Jahreskarte für sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel
soll für Erwachsene 1.490 Euro kosten (für Pensionisten 1.190 und für
Jugendliche und Behinderte 990 Euro). Der Bund würde das Projekt mit 100
Mio. Euro unterstützen.
Steuerreform trotzdem möglich
"Ich verspreche mit
diesem Paket nicht mehr, als ich halten kann", versicherte Molterer.
Die Kosten von 550 Millionen Euro seien für das Budget verkraftbar, ohne die
- nach wie vor für 1. Jänner 2010 geplante - Steuerreform im bisher
geplanten Volumen von 2,7 Mrd. Euro zu gefährden.
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Wettbewerb schärfen
Außerdem will Molterer der Inflation
mit einem schärferen Wettbewerbsrecht zu Leibe rücken und der
Bundeswettbewerbsbehörde neben Ermittlungen auch Entscheidungen erlauben.
Zudem sollen die Wettbewerbshüter des Wirtschaftsministeriums mit dem
Kartellanwalt des Justizministeriums vernetzt und irgendwann zusammengelegt
werden. Die Fusion von Wettbewerbsbehörde und Kartellanwalt war zuletzt am
Widerstand der SPÖ gescheitert.
Fordern und Reden
Von den Gemeinden fordert Molterer einmal mehr
einen "Gebührenstopp", mit den Energieversorgern möchte er
über einen "Strompreisstopp" sprechen. Außerdem sollen ÖBB
und Asfinag ihre 60 bis 70 Tankstellen für die Allgemeinheit öffnen, schlägt
er vor. Gesprächsbereit ist der ÖVP-Chef auch über "gute
Vorschläge" gegen die Mietpreiserhöhung. Die von der SPÖ
geforderte Anhebung des diesbezüglichen Grenzwertes von fünf auf zehn
Prozent lehnt er aber ab, weil damit zwar ein späterer, aber noch
sprunghafterer Anstieg der Mieten erfolgen würde.
SPÖ verhalten positiv
SPÖ-Chef Werner Faymann freut sich
über die Idee mit dem "Österreich-Ticket", weist aber darauf hin, dass ÖBB
und Verkehrsministerium sowieso schon seit Monaten daran arbeiten. Es habe
nur die Zustimmung Molterer für die Finanzierung gefehlt.
SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ist bereit, mit der ÖVP über eine höhere Familienbeihile zu reden. Eine entsprechende Familienförderung sei schon im Koalitionspakt festgeschrieben worden. Die Aufstockung müsse aber für alle gelten, die Familienbeihilfe beziehen.
SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger freut sich über das "Einschwenken" Molterers beim Pflegegeld, fordert aber mehr. Mit der Erhöhung von nur drei Prozent für die Pflegestufen 1 und 2 werde für die Hälfte der Bezieher, fast 200.000 Menschen, nicht einmal die Inflationsrate abgegolten.
Grüne finden's mickrig
Bei Grün, Blau und Orange herrscht
Kritik vor. Der Grüne Wirtschaftssprecher Werner Kogler findet die 500 Mio.
Euro-Entlastung "mickrig" und fordert eine Steuerreform mit
Gegenfinanzierung über Vermögenssteuern. Derzeit agiere Molterer nach dem
Motto "Gib den Armen jetzt wenig, damit 2010 genug für die Reichen
bleibt".
Blaue kritisieren "Pharisäer"
FPÖ-Familiensprecher
Norbert Hofer kritisiert Molterer als "Pharisäer", weil er
noch im April die Anhebung der Familienbeihilfe abgelehnt hatte. "Bei
Pater Willi liegt der Verdacht nahe, dass seine plötzliche Großmütigkeit in
unmittelbarem Zusammenhang mit dem Umfragetief seiner Partei steht", so
Hofer.
Orange gegen Brosamen
BZÖ-Chef Peter Westenthaler sieht in den
schwarzen Ankündigungen einen "kleinen Tropfen auf den heißen Stein".
Der Finanzminister speise einige wenige Bevölkerungsgruppen mit Brosamen ab,
und die Mehrzahl der Österreicher schaue durch die Finger.