Neo-Parteichef Josef Pröll will wegen der Finanzkrise möglichst rasch eine neue Große Koalition bilden. SPÖ-Chef Werner Faymann ist bereit.
Der designierte ÖVP-Chef Josef Pröll will Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten aufnehmen. Am Dienstagabend soll der Parteivorstand schon seinen Segen geben, Dienstagnachmittag findet noch der Österreich-Gipfel mit allen fünf Parteichefs statt. Pröll will möglichst schnell eine Große Koalition bilden. Angesichts der Wirtschaftskrise sei rasches Handeln nötig, so der Neo-ÖVP-Chef.
"Bild im Kopf"
Das ÖVP-Verhandlungsteam soll ebenfalls
beim Parteivorstand fixiert werden. Details nannte Pröll nicht: "Ich
habe ein Bild im Kopf", aber man werde das am Dienstag diskutieren. "Lassen
sie sich überraschen."
Koalition noch nicht gebongt
Dass eine neue Große Koalition
schon auf Schiene ist, diesen Eindruck möchte Pröll nicht erwecken: "Ob
das in einer Regierung mit Beteiligung der Volkspartei endet, wird man sehen."
Die Verhandlungen seien "ergebnisoffen". Auf einen Zeitpunkt für
eine Regierungsbildung wollte er sich nicht festlegen, auf
Koalitionsbedingungen auch nicht.
Kein Warten mehr
Ursprünglich hatte man sich in der ÖVP noch
etwas Zeit nehmen wollen, um den weiteren Kurs der Partei festzulegen: ob
Opposition oder Koalition und wenn ja, welche. Eine neue Große Koalition ist
nämlich nicht nach dem Geschmack einiger Schwarzer. Nun zieht Pröll aber
einen Schlussstrich und will handeln. Als Grund für plötzliche Eile nannte
er "veränderte Rahmenbedingungen" durch die Finanzkrise und
die erwartbaren Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft.
Faymann steht bereit
SPÖ-Chef Werner Faymann begrüßt Prölls
Ankündigung. Er will umgehend "konstruktive und partnerschaftliche
Verhandlungen über eine Koalition neuen Stils" aufnehmen. Gerade
in wirtschaftlich unruhigen Zeiten sei es wichtig, rasch eine stabile und
handlungsfähige Regierung zu bilden. Den Regierungsbildungsauftrag an
Faymann gibt es ja schon, daher sind keine weiteren Gremienbeschlüsse mehr
nötig. Über das rote Verhandlungsteam gibt es auch noch keine Auskunft.
ÖVP findet's gut
ÖVP-Innenministerin Maria Fekter begrüßt
Prölls Entscheidung zur raschen Aufnahme von Regierungsverhandlungen, mahnt
aber im gleichen Atemzug die Sozialdemokraten: "Die Verhandlungen
werden zeigen, ob mit der SPÖ ein solides Programm für Österreich möglich
ist.“ Ähnlich Finanzsprecher Günther Stummvoll, er findet die Verhandlungen
wegen der Krise richtig, betont aber, dass sie ergebnisoffen laufen.
FPÖ sieht "ausgemachte Sache"
FPÖ-Chef
Heinz-Christian Strache ortet ein "abgekartetes Spiel", das schon
vor der Wahl vorbereitet gewesen sei. Man hätte zumindest andere
Möglichkeiten abklären können und nicht gleich "weiter
wursteln". Ähnlich FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, er meint, jetzt
sei die Katze aus dem Sack. Bislang hätten die Großkoalitionäre Pröll und
Faymann die Sache unter der Decke gehalten, jetzt werde sie durch die
Finanzkrise offensiv betrieben. Man bediene sich also der Krise, um die "ohnehin
schon ausgepackelte" rot-schwarze Koalition offiziell in Wege zu
leiten.
Orange gegen Rot-Schwarz
Der neue BZÖ-Obmann Stefan Petzner
bleibt bei seiner Ablehnung einer Großen Koalition. Man werde "mit
allen Mitteln versuchen, die Große Koalition zu verhindern", diese
Regierungsform sei "das Schlechteste" für Österreich. Allerdings
würde sie auch "die beste Zukunftsgarantie für das BZÖ"
bedeuten, meint er.
Grüne mockieren sich
Prölls Schritt sei seit zwei Wochen
überfällig, findet der Grüne Parteisekretär Lothar Lockl: "Fragt
sich nur, warum es eine globale Finanzkrise braucht, bis die ÖVP aus ihrem
Schmollwinkel kommt." Offenbar seien der ÖVP die Probleme von
Spekulanten immer noch näher als jene der österreichischen Bürger.