Die OMV hat am Mittwoch mit sofortiger Wirkung den bis 2040 laufenden Gasliefervertrag mit der russischen Gazprom gekündigt.
"Wir verlassen uns nicht mehr auf einen einzigen Lieferanten", sagte dazu OMV-Chef Alfred Stern am Donnerstag im ORF. Die Auswirkungen sind vorerst gering. Weder bei den Gasflüssen noch bei den Preisen habe man kurzfristig Veränderungen gesehen, sagte E-Control-Vorstand Alfons Haber am Donnerstag zur APA.
- Feuerwehr-Eklat: Kandidat ändert Geschlecht vor Prüfung, ergattert so Job
- Schwarz-Blau erhöht Politiker-Gehälter in OÖ
- Brasiliens Lula erneut am Gehirn operiert
"Wir haben Gaslieferungen wie nach dem 16. November in Österreich", sagte der Vorstand der Energie-Regulierungsbehörde. "Wir gehen davon aus, dass die Auswirkungen auf den Markt gering sind." Ab dem 1. Jänner 2025, wenn der Gastransit-Vertrag zwischen der Ukraine und der russischen Gazprom ausläuft, werde die Lage neu zu bewerten sein.
Auch die OMV erwartet nicht, dass durch die Kündigung die Gaspreise steigen. "Wichtig ist hier festzuhalten, dass die Vertragsmengen, die wir mit Gazprom hatten, weniger als zwei Prozent der gesamten Mengen in Europa ausmachen", so Stern im Ö1-Mittagsjournal. Das Plus an den Großhandelsmärkten seit Oktober begründete er mit erhöhter Nachfrage aufgrund des Beginns der Heizsaison.
Am Donnerstag in der Früh floss ungefähr gleich viel russisches Gas nach Österreich wie in den Tagen und Wochen davor. Auch in Veľké Kapušany an der slowakisch-ukrainischen Grenze waren die Liefermengen stabil, wie aus Daten des Verbands Europäischer Fernleitungsnetzbetreiber (ENTSO-G) hervorgeht.
Energieexperte Boltz: Kündigung dürfte juristisch halten
Der frühere E-Control-Chef Walter Boltz glaubt, dass der Schritt der OMV juristisch hält. Aufgrund der Tatsache, dass die Gazprom die Lieferung freiwillig eingestellt habe, stünden die Chancen gut, dass dieser Vertrag von der OMV tatsächlich außerordentlich gekündigt werden könne, sagte Boltz in der "ZIB 2" am Mittwochabend.
Die Gazprom könne auch keinerlei höhere Gewalt oder ähnliche Begründungen angeben, weil sie immer noch Gas nach Österreich liefere, meint Boltz. "Ich nehme mal an, dass die OMV sich das sehr gut überlegt hat und der Zeitpunkt so gewählt wurde, dass sie die besten juristischen Chancen dafür sehen", fügte der Energieexperte hinzu.
Boltz ist Teil der von der Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) eingerichteten Kommission, die den umstrittenen Vertrag zwischen der OMV und Gazprom untersuchen sollte. Trotz der Kündigung soll wie geplant ein Endbericht vorgelegt werden. In dem Liefervertrag ist schwedisches Recht vereinbart. In Stockholm lief auch das Schiedsgerichtsverfahren, das die OMV im November gewonnen hat. Der Salzburger Zivilrechtsprofessor Andreas Kletecka, ebenfalls Teil der Kommission, die den Vertrag prüft, sagte bereits vor einigen Wochen, dass er den Vertrag für auflösbar hält, weil die Gazprom seit dem Schiedsgerichtsurteil den Vertrag nicht mehr erfüllt.
Russisches Gas ist zwar auch nach dem 16. November weiter nach Österreich gekommen - nur nicht unter den Bedingungen des Vertrags zwischen der OMV und dem russischen Staatskonzern und nicht direkt an die OMV. Stattdessen wurde es über die Gasbörse verkauft - und könnte so zumindest teilweise erst recht wieder zur OMV gekommen sein.
Preise an Gasbörsen stabil
Auch an den Handelsplätzen gab es keine Preisausschläge. An der wichtigsten Gasbörse Europas, am TTF in den Niederlanden, sank der Preis für eine Megawattstunde (MWh) Erdgas leicht auf 44,5 Euro, am niederösterreichischen Gashub in Baumgarten kostete Gas am Donnerstag 48 Euro pro MWh. Die OMV-Aktie stieg an der Wiener Börse leicht um 0,32 Prozent.
Österreich hatte jahrzehntelang einen Großteil seines Gasbedarfs mit russischem Erdgas gedeckt. Seit dem 16. November erhält die OMV jedoch kein Erdgas mehr von der Gazprom. Nachdem die OMV angekündigt hatte, einen ihr gerichtlich zugesprochenen Schadenersatzanspruch von der monatlichen Gasrechnung abzuziehen, stellte der russische Staatskonzern die Lieferungen im Rahmen des seit 1968 bestehenden Liefervertrags ein. Seine Funktion als Gasdrehscheibe hat Österreich schon 2022 nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verloren.