Der ORF sucht das Leck in den Behörden. Immerhin kannten einige Redaktionen Passagen aus den Einvernahmeprotokollen.
Der ORF erstattet im Zuge der Debatte um die "Am Schauplatz"-Reportage über den rechten Rand Anzeige gegen unbekannte Täter wegen widerrechtlicher Informationsweitergabe. Kommunikationschef Pius Strobl begründet den Schritt mit den in Medien kursierenden Aktenteilen, die nach Ansicht des ORF zu einer Zeit weitergegeben worden sein könnten, als es noch keine Privatbeteiligten gegeben habe. Jetzt gelte es zu klären, ob es eine undichte Stelle bei den Behörden gab.
Wer gab die Infos weiter?
Strobl bestätigte, dass der Umstand,
dass Medien bereits am 18. März die "Aussage" der beiden
Protagonisten der "Am Schauplatz"-Reportage zitiert hatten, bei
der Anzeige eine Rolle spielt. Auch FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, der
nunmehr als Privatbeteiligter Akteneinsicht erhalten hat und sich in seinen
Anschuldigungen auf die ihm mittlerweile vorliegenden Einvernahmeprotokolle
beruft, hatte sich in seinen Vorwürfen gegen den ORF in punkto der "Geständnisse"
der beiden zunächst auf Medienberichte bezogen. Am 19. März sagte Strache
etwa bei einer Pressekonferenz auf Nachfrage, woher er wisse, dass die
Burschen neonazistische Sager vor der Polizei zugegeben haben, er habe es "gehört".
Und: "Außerdem
ist es in der Zeitung gestanden."
Akten an alle außer den ORF
Im ORF stimmt der Umstand, dass
mutmaßlich Aussagen der Burschen schon zu so einem frühen Zeitpunkt an die
Öffentlichkeit gedrungen seien, bedenklich: "Dass in allen
Redaktionen Österreichs und bei vielen Journalisten die Aktenteile per Mail
verteilt wurden, während wir keine Akteneinsicht bekommen, ist ein Umstand,
der aufgeklärt werden muss", sagte Strobl. Es stehe jedem
Privatbeteiligten zu, Akteneinsicht zu haben, betonte er. "Sollten
Aktenteile zu einem Zeitpunkt öffentlich geworden sein, als überhaupt noch
kein Privatbeteiligter darauf Zugriff hatte, dann ist das zu untersuchen."
Die Aktenteile dürften mehrere Medien erreicht haben.
SiD und StA waren's nicht
Dem ORF gegenüber hätten sowohl die
Sicherheitsdirektion Niederösterreich als auch die Staatsanwaltschaft
ausgeschlossen, dass Akten weitergegeben wurden. "Also muss es eine
andere Quelle geben", so Strobl. "Da muss es andere geben, die
Zugriff hatten, und das ist ein Novum, das man klären muss. Vor allem, wenn
aus Aktenteilen zitiert wird, die wir nicht haben."
Philipp und Kevin neu vernehmen
Nachdem die beiden Protagonisten
Philipp und Kevin am Wochenende in ausführlichen Interviews betont haben,
unter Polizeidruck ausgesagt zu haben, sei es "dringlich erforderlich,
dass die Protagonisten möglichst rasch einvernommen werden", so
Strobl. Es habe "vehemente Vorwürfe gegenüber dem ORF"
gegeben, "jetzt stellen die sich plötzlich anders dar. Es ist wohl
logisch und ein Gebot der Stunde, dass die Burschen neu einvernommen werden.
Wenn sich herausstellt, dass die neuen Vorwürfe die wahren sind, dann fehlt
ja auch die Basis für die Vorwürfe."
Philipp und Kevin hatten unisono betont, bei der Begegnung mit Strache keine Neonazi-Sager von sich gegeben zu haben und auch nicht vom ORF-Redakteur Eduard Moschitz dazu aufgefordert worden zu sein. Die in den Medien zitierten Geständnisse seien unter Druck zustande gekommen, betonten beide.