Die Generalprokuratur ortet eine "Gesetzesverletzung".
Nach Ansicht der Generalprokuratur - die oberste staatsanwaltschaftliche Behörde ist als eine Art "Rechtshüterin" dem Obersten Gerichtshof (OGH) beigeordnet - muss die Entscheidung des Wiener Oberlandesgerichts (OLG) aufgehoben werden, wonach der ORF zu Beweismittelzwecken das gesamte Recherchematerial einer "Am Schauplatz"-Reportage über jugendliche Skinheads herausgeben muss. Wie Behördensprecher Wilfried Seidl der APA mitteilte, hat die Generalprokuratur am Donnerstagnachmittag dem OGH eine sogenannte Wahrungsbeschwerde übermittelt, weil sie den OLG-Beschluss für nichtig hält.
"Ausgeschlossener Richter mitgewirkt"
"An dem Beschluss hat nach unserer Überzeugung ein ausgeschlossener Richter mitgewirkt", sagte Seidl. Damit sei "eine Gesetzesverletzung gegeben, die dazu führen muss, dass unserer Ansicht nach der Beschluss aufzuheben sein wird und das OLG in einer hoffentlich rechtmäßigen Senatszusammensetzung neu entscheidet".
Entscheidung über Herausgabe erst 2011
Der OGH ist an diese Rechtsansicht zwar nicht gebunden, doch folgt er in aller Regel der Meinung der Prokuratur. Sollte sich das auch in diesem Fall bestätigen, hieße es im Hinblick auf das umstrittene ORF-Material für die zuständige Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, die die Causa untersucht, weiter warten. Die Entscheidung, ob sie das gesamte Material erhält, würde dann erst 2011 fallen.
Involvierte OLG-Richterin Schwester von Oberstaatsanwältin
Dem erkennenden Drei-Richter-Senat des OLG hatte eine Richterin angehört, die die Schwester der Ersten Oberstaatsanwältin der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, ist. Diese war insofern in das "Am Schauplatz"-Verfahren eingebunden, als eine aus mehrere Punkten bestehende Verfügung gegengezeichnet hatte. Damit wäre von Rechts wegen die Befangenheit der OLG-Richterin anzuzeigen gewesen, da gemäß Strafprozessordnung (StPO) ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen ist, wenn einer seiner Angehörigen im selben Verfahren Staatsanwalt ist oder war.
"Am Schauplatz"-Doku seit Monaten Aufreger
Die Skinhead-Reportage, bei der ein ORF-Team um "Am Schauplatz"-Reporter Eduard Moschitz mehrere Tage zwei jugendliche Glatzköpfe begleitet hatte, sorgt bereits seit dem Frühjahr für Aufregung. Bei der Auseinandersetzung um das Drehmaterial will die Staatsanwaltschaft prüfen, ob von den Jugendlichen Nazi-Sager getätigt wurden bzw. ob etwaige Parolen, wenn es solche geben sollte, vom ORF-Reporter angeregt wurden. Laut ORF sind auf dem Drehmaterial keine strafbaren Handlungen zu sehen, die eine gerichtliche Verfolgung nach sich ziehen würden.