Am Mittwoch fixierte das Parlament den Gratis-Kindergarten. Die Kindergärtnerinnen sehen bei gleich niedriger Bezahlung mehr Arbeit (weil mehr Kinder) auf sich zukommen.
Alle 5-Jährigen können ab Herbst österreichweit gratis in den Kindergarten gehen. Ein Jahr darauf ist der Besuch Pflicht. Am Mittwoch beschloss das Parlament die entsprechenden Verträge mit den Bundesländern.
Proteste bis Streik
Die Kindergärtnerinnen aber proben den
Aufstand. Untragbar seien die Arbeitsbedingungen bereits jetzt. Zu wenig
Lohn und Überforderung machen den Pädagoginnen zu schaffen – schon nächste
Woche könnte es in Wien zu ersten Protestaktionen kommen, in Salzburg ist
überhaupt von Streik die Rede.
Zuviele Kinder pro Pädagogin
Die Pädagoginnen befürchten
Verschlechterungen durch den Gratis-Kindergarten: „In Wien sollten zwar per
Gesetz höchstens 25 Kinder auf eine Kindergärtnerin kommen, aber es gibt
jetzt schon illegale Praktiken“, so Tina Botka von der Plattform
Kindergartenaufstand, bei der sich Wiener und niederösterreichische
Pädagoginnen vernetzen. „Man meldet 27 Kinder an und sagt, dass eh immer
zwei krank sind. Individuelle Förderung ist so unmöglich.“ Eine Kollegin
habe sich wegen des Lärmpegels in ihrer Gruppe vor kurzem ihre Stimmbänder
operieren lassen, erzählt Botka.
Schlechte Bezahlung
Auch mit der Bezahlung sind die Pädagoginnen
unzufrieden. „Wir bekommen nur 1.300 Euro brutto“, so Maria Zeilinger vom
Salzburger Dachverband der Kindergartenpädagoginnen.
Vom Flashmob zum Streik
Zeilinger hat die Nase gestrichen voll:
„Wenn unsere Forderungen bei der nächsten Kindergarten-Gesetzes-Novelle
wieder nicht erfüllt werden, dann sind wir bereit zu streiken. Wir fordern
das seit 30 Jahren, immer gibt es eine andere Ausrede.“ Botka stößt ins
selbe Horn: „Besonders jene, die schon lange in dem Beruf arbeiten, sind
nicht bereit, weiter Verschlechterungen hinzunehmen. Die sagen: „Wenn wir
einmal nicht in die Arbeit gehen, dann wird man unsere Arbeit vielleicht
endlich ernst nehmen.“ Sie denken deshalb – wie die Kindergärtnerinnen in
Deutschland im Jahr 2008 – an Streik. Für kommende Woche ist als erste
Aktion ein Flashmob in Wien geplant – also spontane Demos in den Straßen.
Neue Regelung
Insgesamt müssen die Kinder mindestens vier Tage
über gesamt 16 Stunden die Betreuung in Anspruch nehmen. Zur Deckung der
entstehenden Mehrkosten überweist der Bund den Ländern in den kommenden
Jahren bis 2013 "Zweckzuschüsse" von jeweils 70 Mio. Euro pro Jahr.
Kostenlos ist das letzte Kindergartenjahr ab diesem Herbst in allen neun
Ländern. Verpflichtend ist es vorerst nur in Kärnten, Nieder- und
Oberösterreich. Die anderen Länder ziehen im kommenden Jahr nach.
Mahlzeiten
Absolut gratis ist der Kindergarten freilich auch nach
dieser Einigung nicht. Denn für Mahlzeiten sowie für die Teilnahme an
Spezialangeboten wie Sportübungen, Fremdsprachen- oder Musikunterricht
können weiterhin Entgelte eingehoben werden. Strafen, die Eltern zahlen
müssen, wenn sie das Kind nicht in die Betreuungsstätte schicken, sind von
Bundesland zu Bundesland verschieden.