Rücktritt im Herbst

Wolfgang Sobotka: Sein bewegtes Leben

04.06.2024

Bürgermeister, Landesrat, Innenminister, Dirigent und Parlamentschef - Sobotka zieht im Herbst einen Schlussstrich unter sein bewegtes politisches Leben.

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Wolfgang Sobtoka (ÖVP) zieht sich zurück . Die Nationalratswahl im Herbst wird für ihn zum Schlusstakt. Der heute 68-Jährige wurde unter der türkis-blauen Regierung mit dem schwachen Ergebnis von 61,3 Prozent der Abgeordneten-Stimmen gewählt.

Letzter Platz im Vertrauens-Ranking

Bei den Bürgern ist der streitbare Niederösterreicher nicht allzu beliebt, wie die Zustimmungswerte im APA/OGM-Vertrauensindex zeigt. Auch die Opposition sah sich zumindest in der Kritik an Sobotka geeint.

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Bevor Sobotka das Amt des Nationalratspräsidenten erklomm, war er nur kurz im Nationalrat als Abgeordneter tätig - nämlich gerade einmal zwei Sitzungstage lang. Politische Erfahrung brachte er freilich schon damals ausreichend mit - Bürgermeister, Landesrat und Innenminister lauteten die vorherigen Stationen.

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Der mehrfache Vater galt über viele Jahre als einer der mächtigsten Politiker Niederösterreichs, war auch Landeshauptmann-Stellvertreter und AAB-Landesobmann. Auch Landeshauptmann-Ambitionen dürfte er gehabt haben, in die Quere kam ihm dabei allerdings die umstrittene, weil spekulative Veranlagung der niederösterreichischen Wohnbau-Gelder, die für Kritik nicht nur vonseiten der Opposition sondern auch des Rechnungshofs sorgte. Sobotka blieb freilich stets dabei, nichts falsch gemacht zu haben.

Wutanfall im Parlament

Das Eingestehen von Fehlern gehört generell nicht unbedingt zu Sobotkas Stärken. Bekommt er seinen Willen nicht durch, gefällt ihm das auch nicht unbedingt, wie die SPÖ in seiner Zeit als Innenminister schmerzlich zu spüren bekam. Auch schoss er damals gegen Kanzler Christian Kern (SPÖ) quer, wo das nur möglich war. Auf die Spitze trieb es Sobotka, als er sich lange weigerte, den erneuerten Koalitionspakt zu unterfertigen. In der Sache gab Sobotka als Innenminister den unermüdlichen Law-and-Order-Minister. Ob Verschärfung von Demonstrationsrecht oder Sicherheitspaket, Sobotka trieb seine Politik der strengen Hand damals munter voran.

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Wutanfall im Parlament
 

Sobotka sprach von "Unterstellung" 

Die Gründe für das starke Absinken der Beliebtheit Sobotkas (laut APA/OGM-Vertrauensindex) dürften u.a. in den Diskussionen um Sobotkas Vorsitzführung im Ibiza- und ÖVP-U-Ausschuss liegen. Die Opposition warf dem Präsidenten von Anfang an Befangenheit vor. Vorgehalten wurde ihm auch, dass er sich in der Zeit der türkis-blauen Regierung mehrfach mit Novomatic-nahen Personen getroffen habe. Sobotka sprach damals von "Unterstellung".

Mit Zweifeln sah sich Sobotka auch konfrontiert, als er selbst (mehrmals) als Auskunftsperson im U-Ausschuss aussagen musste. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl äußerte damals Bedenken, ob Sobotka danach auch weiterhin den Vorsitz in dem Gremium führen kann - vor allem weil Sobotka im Bericht dann seine eigene Aussage bewerten habe müssen.

Turbulente U-Ausschüsse

Sobotka dachte aber auch damals nicht an Rückzug - er werde ständig attackiert, bloß weil er versuche, der Verfahrensordnung zu entsprechen, etwa was die Fragestellung an Auskunftspersonen betrifft, betonte Sobotka etwa Ende 2020. Diskussionen um Zeugen-Ladungslisten und Unstimmigkeiten um Aktenlieferungen an den U-Ausschuss trübten ebenfalls die Stimmung.

Im Oktober 2020 wurde außerdem bekannt, dass das von Sobotka gegründete "Alois Mock Institut" von Novomatic mit 109.000 Euro unterstützt wurde. Angesichts dessen forderten damals auch Vertreter des grünen ÖVP-Koalitionspartners den ÖVP-Politiker auf, den Vorsitz im Untersuchungsausschuss ruhen zu lassen, u.a. auch Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler.

Foto mit Jan Marsalek in Moskau

Für Aufregung sorgte von Sobotka auch ein Foto, das ihn - noch in seiner Zeit als Innenminister - "Seite an Seite" mit dem gesuchten Wirecard-Manager Jan Marsalek bei einem Empfang im Jahr 2017 in der österreichischen Botschaft in Moskau zeigt.

Die Diskussion um Sobotka als Vorsitzenden eines U-Ausschusses ging dann bei dem im Frühjahr 2021 gestarteten ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss weiter. Aufsehen gab es dann auch um Ermittlungen gegen Sobotka wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs wegen einer Postenbesetzung aus dem Jahr 2017: Aus einem Chatverlauf, der am Handy von Ex-Kabinettschef Michael Kloibmüller gefunden wurde, ging hervor, dass von der ÖVP eine als Wiener Vizelandespolizeidirektorin vorgesehene Kandidatin verhindert worden sein soll, weil sie als SPÖ-nahe gesehen worden sei.

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Auch Aussagen des früheren ÖBAG-Chefs und Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) (der damals Ex-ÖVP-Chef Sebastien Kurz schwer belastete) trafen den Präsidenten: Laut Schmid soll Sobotka bei ihm im Finanzministerium interveniert haben: Auf seinen Wunsch hin will Schmid Steuerprüfungen bei der Erwin-Pröll-Stiftung und dem Alois-Mock-Institut gestoppt haben. Sobotka dementierte sämtliche Vorwürfe und kündigte rechtliche Schritte gegen Schmid an.

Goldenes Klavier im Parlament in Zeiten der Rekord-Teuerung

Öffentlich kritisiert wurde Sobotka auch im Rahmen seines Prestige-Projektes, der Sanierung des Parlamentsgebäudes. Vor allem die Anmietung eines vergoldeten Klaviers, das im Parlament aufgestellt wurde, brachte die Opposition gegen ihn auf.

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Zumindest indirekt schaffte es Sobotka gegen Ende seiner Amtszeit, für etwas Ruhe um seine Person zu sorgen: Den Vorsitz der beiden jüngsten U-Ausschüsse zur COFAG und zum "rot-blauen Machtmissbrauch" nahm er zwar selbstverständlich an, ließ sich aber durchgehend vertreten. Unumstritten ist außerdem sein Engagement gegen Antisemitismus und für Menschen mit Behinderung.

Gelernt bei Erwin Pröll

Politisch ist Sobotka zweifelsohne ein Profi: Wirklich los ging es 1992, als der vormalige Stadtarchivar in seiner Heimatgemeinde Waidhofen/Ybbs das Amt des Finanzstadtrats übernahm. Vier Jahre später wurde er Bürgermeister, freilich nur für zwei Jahre, da ihn Landeshauptmann Erwin Pröll in seine Landesregierung holte und Sobotka zum Finanzlandesrat machte - eine Position, die er bis zu seinem Wechsel in die Bundesregierung als Innenminister innehatte.

Die Klavier-Anmietung im Hohen Haus ist vermutlich auch Sobotkas musischer Seite geschuldet: Er studierte Geschichte an der Universität Wien sowie Violoncello und Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien und Dirigieren am Brucknerkonservatorium Linz. Neben einer Tätigkeit als AHS-Lehrer war Sobotka auch Pädagoge und letztlich Leiter der Musikschule in Waidhofen/Ybbs. Bis heute schwingt er gerne den Dirigentenstab. Das zweite bekannte Hobby Sobotkas ist die Gärtnerei.

Zur Person Wolfgang Sobotka

Wolfgang Sobotka, geboren am 5. Jänner 1956 in Waidhofen/Ybbs, verheiratet, Vater von sechs eigenen und zwei Stiefkindern. Studium der Geschichte an der Uni Wien, Studium Violoncello und Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Studium am Linzer Bruckner-Konservatorium (Dirigieren).

Stadtrat für Finanzen in Waidhofen/Ybbs ab 1992, ab 1996 Bürgermeister. Ab 1998 Landesrat in Niederösterreich, zuständig unter anderem für Finanzen. 2009-2016 stellvertretender Landeshauptmann. 2016 Innenminister, seit Dezember 2017 Nationalratspräsident.

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