Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) hat sich offen für den Vorstoß seiner Amtskollegin, Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), gezeigt, mit härteren Strafen bei Blockaden durch die sogenannten Klima-Kleber aufzuwarten.
Solche härteren Strafen seien "zu diskutieren", sagte Mattle im APA-Interview. Wenn Einsatzorganisationen wegen der Blockaden nicht mehr die Chance hätten, zu Notfällen zu kommen, dann sei er "durchaus für einen scharfen Weg."
Dies sage er auch als Mitglied einer Rettungsorganisation, erklärte der Tiroler Landeshauptmann. Angesichts solcher Beispiele müsse man überlegen, "mit welchen Maßnahmen man solche Dinge eindämmen kann", sah Mattle eine Grenze überschritten. Mikl-Leitner hatte härtere Strafen nach deutschem Vorbild gefordert. Aus einer Verwaltungsübertretung solle ein strafrechtliches Delikt werden. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, "Rettungsorganisationen zu behindern und damit Menschenleben zu gefährden". Sie hat den Verfassungsdienst des Landes mit der Ausarbeitung eines Gesetzesvorschlages beauftragt, der Entwurf soll letztlich dem Justizministerium vorgelegt werden. Die türkis-grüne Regierungsspitze im Bund hält hingegen keine gesetzlichen Verschärfungen wegen der Klima-Kleber-Aktionen für nötig. Bei der Regierungsklausur in Mauerbach am Dienstag wurde auf bestehende rechtliche Möglichkeiten verwiesen.
Mattle betonte indes gleichzeitig, dass das Recht auf Demonstration und freie Meinungsäußerung ein "wichtiges Gut" sei. Auch das Gespräch mit ob des Klimawandels besorgten Jugendlichen zu suchen, sei wichtig - er versuche und tue dies bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Mattle nannte in diesem Zusammenhang auch das Beispiel der Tiroler Landesmuseen, deren Direktor Karl Berger lokale Klimaaktivisten-Gruppen eingeladen hatte und ihnen einen Ausstellungsraum zur Verfügung stellte, um ihren Anliegen Gehör zu verschaffen - anstatt sie aus Angst vor Beschädigungen von vornherein auszusperren. Gleichzeitig wurde eine Lebensmittel-Sammelaktion gestartet. Berger habe damit ein "wichtiges Zeichen" gesetzt, dass man die Botschaft der jungen Menschen verstanden habe, so Mattle, seines Zeichens auch für die Kulturagenden im Land verantwortlich.
Mit dem bei der Klausur der Bundesregierung verabschiedeten Paket zum schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien zeigte sich Mattle indes zufrieden. "Es sind wesentliche Dinge dingfest gemacht worden", meinte er unter anderem in Bezug auf die UVP-Novelle. Gleichzeitig mahnte der Landeshauptmann aber einmal mehr ein, die Verfahren rund um Erneuerbare Energie-Projekte auch in jenen Fällen, in denen sie aufgrund von Beschwerden vor Gerichten landen, zu beschleunigen. Es brauche dort eine Priorisierung bzw. eine "fast lane", wiederholte der Landeschef seinen kürzlich getätigten Vorstoß. Natürlich sollten die Verfahren sauber und rechtsstaatlich abgearbeitet werden, aber: "Der Akt sollte in diesen Fällen nicht ganz unten landen, sondern sollte gleich bearbeitet werden." Dies wäre ein "wertvoller ergänzender Stein" zu den verabschiedeten Verbesserungen.
Hinsichtlich des nach wie vor ausstehenden und koalitionär umstrittenen Klimaschutzgesetzes zeigte sich Mattle "optimistisch, dass es noch gelingen wird, dieses bis zum Ende der Legislaturperiode 2024 auf den Weg zu bringen." Er unterstütze einen gesetzlichen Rahmen für den Klimaschutz, abseits davon brauche es aber auch einen gesellschaftlichen Konsens: "Klimaschutz hat eine enorme Bandbreite." Es handle sich um ein komplexes Thema - ÖVP und Grüne hätten hier "verschiedene Zugänge": "Das liegt in der Natur der Sache."
Derzeit gebe es noch Positionen, die sehr weit auseinander liegen. Bezüglich bindender Verpflichtungen auch für die Bundesländer, wie von den Grünen beabsichtigt, wollte sich der Landeshauptmann erst einmal ansehen "welche Verpflichtungen das sind". Tirol habe das Thema Nachhaltigkeit in der Landesordnung berücksichtigt, mit einer Verankerung der Klimaziele in der Verfassung kann Mattle aber wenig anfangen. Wenn man die vergangenen Jahre betrachte, so müsse man die Lehre ziehen, dass "das Leben nicht immer geradeaus geht". Es könne zu Konflikten mitten in Europa kommen, wie man am Beispiel des Ukraine-Krieges leidvoll sehe. Dann könnten Änderungen in der Verfassung im Falle einer Verankerung der Klimaziele wieder notwendig sein, erachtete Mattle eine solche Maßnahme als nicht zielführend. "Ich weiß nicht, ob Absolutismus das richtige Ziel ist", so der Tiroler Landeshauptmann.
Für den grünen Klubchef Gebi Mair mache Mattle mit diesen Aussagen "für die Macht mit der Tiroler Volkspartei die Retro-Wende". "Mattle will den Klimaschutz im Museum, aber nicht auf der Straße", kritisierte er den ehemaligen Koalitionspartner. Es sei "stimmig", "dass man in der Volkspartei lieber Menschen mit dem Gefängnis droht, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen, statt selbst endlich aktiv zu werden". Mair wunderte sich darüber, dass Mattle den Klimaschutz nicht in der Verfassung sehen wolle: "Das ist besonders eigenartig, weil Anton Mattle als Landtagsabgeordneter im Oktober 2019 noch selbst für die Aufnahme des Klimaschutzes in die Landesverfassung die Hand gehoben hat".
Lob für Mattle kam hingegen von einer anderen Oppositionspartei. Er begrüße den Vorstoß des Landeshauptmannes, dass Klimaaktivisten härter bestraft werden sollen, erklärte FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger in einer Aussendung. Die Freiheitlichen hätten diese Forderung bereits nach den ersten Klebe-Aktionen in Innsbruck erhoben, erinnerte er. Abwerzger sprach sich für ein generelles Verbot derartiger Aktionen aus. "Irgendwann endet die Toleranz, und es muss ein juristischer Schlussstrich gezogen werden, und das geht nur mit Adaptierungen in den Verwaltungsgesetzen und eventuell auch im Strafgesetz", so der Tiroler FPÖ-Chef.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagte am Rande eines Pressegesprächs in Graz, dass er die Exekutive angewiesen habe, "alle bestehenden Möglichkeiten zum Einschreiten" auszuschöpfen. Die konkrete Frage, ob er sich zusätzliche Gesetzesverschärfungen vorstellen kann, ließ er offen. Vorübergehende Festnahmen wie am Vormittag in Wien könnten aber künftig auch in anderen Bundesländern folgen. Er sieht nicht nur verwaltungs- sondern auch strafrechtliche Möglichkeiten bei Klima-Klebern, vor allem "wenn Rettungskräfte behindert werden".