Brisantes Buch

Kurz-Sprecher Frischmann über "tiefen Fall"

16.11.2024

Auf über 300 Seiten schreibt der einstige Sprecher von Sebastian Kurz, Johannes Frischmann über die Razzia, seine "Suizid"-Gedanken, den "tiefen Fall" von Kurz und wie es zu Lockdowns und Kickl-Entlassung kam. 

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© Seifert Verlag
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"Macht und Ohnmacht", (Seifert Verlag) heißt das zutiefst persönliche, aber auch politische Buch, von Johannes Frischmann. Auf über 320 Seiten hat der einstige Pressesprecher von Sebastian Kurz - der heute Teil der "Bürogemeinschaft" von Kurz im ersten Wiener Bezirk ist - von seiner Zeit an der Seite des einstigen türkisen Strahlemanns im Kanzleramt geschrieben.

Im Maschinenraum der Macht

Gleich im Vorwort rechnet der langjährige Pressesprecher von Kurz mit jenen ab, die über Kurz Bücher verfasst hätten ohne direkt dabei gewesen zu sein. Er selbst sei im "Maschinenraum" der Macht von Kurz gewesen, wolle aber auch "meine Geschichte" erzählen, schreibt Frischmann. 

Gegen ihn selbst laufen schließlich ebenfalls Ermittlungen. Auch bei ihm hatte es an diesen für die ÖVP dramatischen Herbsttage eine Hausdurchsuchung gegeben, die bei ihm offenbar auch tiefe psychische Spuren hinterlassen hat, wie er in einem eigenen Kapitel beschreiben wird.

Aber der Tiroler wird auch über dramatische "Höhen und Tiefen" im "Kreisky Zimmer" - das damalige Büro von Kurz - berichten in denen etwa der erste Lockdown wegen Corona oder die Reaktion auf das Ibiza-Video dargelegt wird.

6. Oktober 2021, 6.02 Uhr: Sturmläuten 

Gleich im ersten Kapitel beschreibt "Frischi" - sein Spitzname in der ÖVP - den für schicksalshaften 6. Oktober 2021, als er um 6.02 durch Sturmläuten aus dem "Tiefschlaf" gerissen wurde.  Er habe sich wie "in einem schlechten Film" gefühlt als er plötzlich verstand, dass zwei Staatsanwälte und "rund fünf Beamte der Bundeskriminalpolizei" eine Durchsuchungsanordnung für seine Wohnung hatten. Auch bei seiner Mutter in Tirol fand da eine Hausdurchsuchung statt. 

Und natürlich finden diese auch bei Sebastian Kurz und im Kanzleramt statt. Es geht um den Vorwurf der Manipulation von Umfragen - Stichwort "Beinschab-Tool" - und den Verdacht der Untreue. Alle Involvierte dementieren die Vorwürfe scharf. 

In weiteren Kapiteln beschreibt er wie er "vom Dorf in die Hauptstadt" und dann zu Kurz gekommen sei. Und er berichtet natürlich auch über sein Verhältnis zu Medien und macht kein Geheimnis daraus, dass im System Kurz die "Sonntags-Krone" besonders wichtig gewesen sei.

Sehr eigene Sicht auf "message control"

Die von Medien und Öffentlichkeit wiederholt kritisierte "Message control" in der Zeit von Kurz im Kanzleramt sieht Frischmann naturgemäß anders. Es sei der "Versuch einer sorgfältigen Kommunikation in einem getriebenen Umfeld" gewesen.

"Ibiza oder schon wieder ein Einzelfall"

Und natürlich beschreibt "Frischi" auch den 17. Mai 2018 als das Ibiza-Video die vermeintlich heile türkis-blaue Welt zerstört. Bereits am 16. Mai habe Strache Kurz gesagt: "Du, Sebastian, da kommt etwas Unangenehmes"

Er, Frischmann habe gedacht, "schon wieder ein Einzelfall". Damals sorgten fast tägliche Rechtsaußen-Vorfälle in der FPÖ für Aufregung und auch Ärger in der Koalition. 

Am Freitag um 18 Uhr wissen Kurz und Co, dass es "heftig wird". 

Um 21 Uhr kommen Strache, Kickl und dessen Frau 

Strache kommt um 21 Uhr ins Kanzleramt. Er "kommt nicht alleine. Er wird von Innenminister Herbert Kickl und seiner Frau begleitet", schreibt Frischmann. Kickl habe sich nicht um die Inhalte des Ibiza-Videos gekümmert. "Ihm geht es vor allem um die Drahtzieher". Strache sei die Tragweite des Videos "bewusst gewesen". Er habe verstanden, dass es ihm "das Amt kosten wird". 

Frischmann beschreibt, dass ein Teil der ÖVP den sofortigen Bruch der Koalition und Neuwahlen wollte, ein anderer Teil aber auf eine Fortsetzung von Türkis-Blau pochte. 

Eine enttäuschende Zigarette mit VdB

Der anschließende Termin bei Bundespräsident Van der Bellen sei für ihn "prägend", aber auch "enttäuschend" gewesen. VdB habe sich zunächst "gemütlich eine Zigarette aus der Packung" geholt und nach einem "tiefen Zug" Kurz gefragt, wie "er nun gedenke, weiter vorzugehen". 

Kurz fragt vor Neuwahl nur einen um Rat: Schüssel

Kurz "holt sich an diesem Ibiza-Samstag für mich wahrnehmbar nur eine externe Meinung ein. Er greift zum Handy und ruft Wolfgang Schüssel an".

Schüssel habe ihm Vor- und Nachteile beider Varianten - Neuwahl oder nicht - gesagt. Der Rest ist freilich Geschichte. 

Der erste Lockdown im Kanzleramt: Stimmung wie bei Beerdigung

In diesen Märztagen 2020 als Corona bereits in Norditalien vielen Menschen das Leben kostet, sitzen im Kanzleramt Kurz und sein Team immer wieder zusammen. In unterschiedlichen Formaten, schreibt Frischmann, hätten die verschiedensten Krisenstäbe in den Ministerien und Bundesländern ebenfalls getagt.

Bei der "entscheidenden Sitzung" - in der der erste Lockdown beschlossen wurde - habe sich eine Stimmung "wie bei einer Beerdigung" breit gemacht". Kurz habe gehadert. Kein anderer "wollte die Entscheidung treffen". Kurz habe schließlich gesagt: "Okay, dann machen wir es. Gehen wir in den Lockdown". 

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"Der tiefe Fall" und die persönliche Krise

Im Kapitel "der tiefe Fall" ab Seite 294 öffnet sich Frischmann und zeigt aus seiner Sicht wie die Vorwürfe der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit gegen ihn ausgelöst hatten: "Wann werde ich aus diesem Albtraum herausgeholt".

Er schreibt aber auch, dass sich "einzig meine Kollegen aus Tirol und Niederösterreich" bis "heute unterstützend" gezeigt hätten. Auf diesen Seiten beschreibt er auch seine persönliche Krise, Momente der Verzweiflung und die Hilfe seiner Familie.

Kurz "hatte immer einen Schutzmantel um sich"

Und natürlich berichtet Frischmann auch im letzten Kapitel noch über Kurz himself - oder eben wie er ihn sehe. Dieser habe "immer einen Schutzmantel um sich" gehabt. "Einblicke in sein Innerstes" habe dieser "nur selten gewährt". Zur Überraschung von Polit-Beobachtern schreibt Frischmann zudem, dass Kurz sehr häufig "das war mein Fehler" und "es tut mir leid" gesagt habe.

Öffentlich hörte man das von ihm freilich selten bis nie. Das erklärt Frischmann so: "Die

Menschen wollten keine jammernde Regierungsspitze mehr sehen, die sich nur selbst bemitleidet ..."

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