Kein Rücktritt
Nach Innsbruck-Debakel: Tursky unterstützt jetzt ÖVP-Rebell
15.04.2024Nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl lud ''das Neue Innsbruck''-Spitzenkandidat und Ex-ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky zu einer ''Persönlichen Erklärung''.
Montagmittag sorgte der bei der Wahl erfolglose "das Neue Innsbruck"-Spitzenkandidat und Ex-ÖVP-Staatssekretär Tursky für einen kleinen Paukenschlag: Er gab eine Wahlempfehlung für Anzengruber ab. Die Unterstützung komme sowohl von ihm "persönlich" als auch vom Wahlbündnis, sagte er bei einer eilig einberufenen "Erklärung". Tursky bekräftigte indes, trotz der herben Stimmenverluste und des "schmerzlichen" Ergebnisses, weiter in der Innsbrucker Kommunalpolitik zu bleiben. Nachdem er selbst als Spitzenkandidat ins Rennen gegangen war, erhebe er auch den Anspruch, den seiner Fraktion zustehenden Stadtratsposten zu übernehmen. Der Ex-Staatssekretär betonte in seiner "Erklärung" in der Tiroler ÖVP-Landesparteizentrale außerdem, dass es mit Anzengruber "keinen Deal" oder Ähnliches betreffend etwaiger künftiger koalitionärer Zusammenarbeit oder gar einer möglichen Wiedervereinigung gebe.
Tursky ging "all in"
Mit seinem Antritt bei der Innsbruck-Wahl ging Tursky "all in" - und ist nun "out". Mit dem bürgerlichen Bündnis "das Neue Innsbruck" wollte der Ex-Staatssekretär Grünen-Bürgermeister Georg Willi nach einer chaotischen Amtszeit aus den Angeln heben und erlitt damit Schiffbruch. Ein Debakel in Schwarz.
Der frühere Digitalisierungsstaatssekretär Tursky war unter ausbaufähig-günstigen Startvoraussetzungen losgezogen. Im Bund weht der ÖVP ein scharfer politischer Wind entgegen, in der Stadt schien Turskys nach 30-jähriger bürgerlicher Trennung geschmiedetes Bündnis politischen Beobachtern zufolge stets unter einem stotternden (Wahlkampf)-Motor zu leiden. Hinzu kam das Mantra, mit dem er ständig konfrontiert wurde: Zu unbekannt, nie auf Stadtebene aktiv und zu lange in Wien, der Innsbrucker Bevölkerung nicht vermittelbar. All das bewahrheitete sich offenbar.
Ex-ÖVP-Anzengruber machte Tursky Strich durch die Rechnung
Das wohl größte Tursky-Problem hieß: Anzengruber. Der politisch renitente Ex-ÖVP-Vizebürgermeister, der so gern selbst die Volkspartei oder das Bündnis in die Wahl geführt hätte, war - nachdem man ihm erklärt hatte, dass dies nicht infrage kommt - politisch nicht mehr "einzufangen". Anzengruber kandidierte mit einer eigenen Liste und versetzte so dem Tursky-Lager letztlich den Todesstoß. Sonst wäre die Wahl wohl fast ein aufgelegter Elfmeter gewesen: Grünen-Bürgermeister Georg Willi hat eine doch sehr chaotische Amtszeit hinter sich, Streitereien waren an der Tagesordnung. Ein geeintes bürgerliches Lager hätte hier alle Chancen gehabt.
Während des gesamten Wahlkampfes verströmte Tursky - getreu seinem Naturell - unverdrossen Optimismus und sah sich als Favorit. Setzte alles auf die nunmehr eingesetzte, heiße Phase. Und inszenierte sich als der künftige Macher mit großen Visionen und dem Fokus für die "großen Dinge". Als eine Art Gegensatz zu Willi, den die schwarzen Strategen als Mann der Orchideenthemen, der nur Chaos gestiftet habe, brandmarkten. Wahlgekämpft wurde zudem mit der geballten schwarzen Ressourcen-Power - letztlich verfing alles nicht. Auch eine Niederlage für ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle.
Im persönlichen Umgang wirkte der Bürgermeisterkandidat durchaus locker und gewinnend. Zwar steckt in ihm wohl kein Volkstribun und absolut bierzelttauglicher Kumpeltyp, aber Scheu vor den Menschen schaut auch anders aus. Ein gewisses Maß an Selbstironie und Selbstreflexion sind Tursky ebenso wie großer Arbeitseinsatz nicht fremd.
Altlandeshauptmann Platter förderte Tursky
Der Profi Tursky war in diesem Wahlkampf auch gleichzeitig irgendwie Lehrling. "An der Front" um Stimmen hat der 35-Jährige bisher noch nie geworben. Gepusht und gefördert wurde Tursky in den vergangenen Jahren vor allem durch Altlandeshauptmann Günther Platter (ÖVP), der ihn 2017 zu seinem Pressesprecher bestellte. Kurze Zeit später war er als Büroleiter des Landeschefs Mastermind sowie linke und rechte Hand in Personalunion. Ein universell einsetzbarer und absolut loyaler Stratege mit einem breiten Netzwerk, an dem der studierte Kommunikationswissenschaftler ein junges Leben lang geknüpft hat. Rund um die Uhr für Platter im Einsatz, ständig erreichbar, mögliche Gefahrenquellen aufspürend, damit der Politfuchs Platter möglichst unfallfrei durch die politische Landschaft navigieren konnte.
Kurz vor Platters Abschied als Landeschef im Frühjahr 2022 wurde er - wohl kein Zufall - nach Wien gehievt. Als Digitalisierungsstaatssekretär bewies sich Tursky als zumindest guter Verkäufer von Maßnahmen, die in Österreich ohnehin längst notwendig schienen oder durch EU-Vorgaben notwendig waren. So erkämpfte er sich in Tranchen immer wieder Millionenbeträge für den in ländlichen Gegenden bis zuletzt vernachlässigten Breitbandausbau. Bei der Umsetzung des europäischen AI-Acts präsentierte sich der junge Staatssekretär zuletzt als Musterschüler bei der Vorbereitung zur Einrichtung einer Regulierungsbehörde und einer Kennzeichnungspflicht.
Als Tursky 2017 zu Platter gekommen war, war er bereits kein Unbekannter in schwarzen Tiroler und vor allem Innsbrucker Kreisen. Dabei wählte er weniger die "Ochsentour" über Bezirksorganisationen bzw. klassische Parteiarbeit, die mitunter relativ früh zu politischen Mandaten führen kann. Die "Ställe", aus denen er kam, waren die Junge ÖVP und der ÖVP-nahe Österreichische Cartellverband (ÖCV), dessen Präsident er von 2013 bis 2014 ein Jahr lang war. Mit 18 Jahren war Tursky bereits Landessekretär der Jungen ÖVP in Tirol, daraufhin vier Jahre lang Landesgeschäftsführer. Dann folgten einige Jahre als leitender Mitarbeiter einer nicht ganz ÖVP-fernen Tiroler Kommunikationsagentur - mit Arbeitsplatzschwerpunkt als Standortleiter in Wien, ehe ihn der Ruf Platters ereilte.
Aufgewachsen ist der am 13. Mai 1988 geborene Tursky im Innsbrucker Stadtteil Wilten. Der ÖVP-Politiker ist mit einer Schweizer Juristin liiert und frönt in der Freizeit unter anderem gern Berg- und Klettertouren.