Nach NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger war FPÖ-Chef Herbert Kickl der zweite Gast der diesjährigen oe24-Sommergespräche. Die Highlights des Interviews mit oe24-Chefredaktuer Niki Fellner lesen Sie hier:
Niki Fellner: Herr Klubobmann, ich würde gerne mit einem aktuellen Thema starten: Den vereitelten Anschlagsplänen auf ein Taylor-Swift-Konzert in Wien. ÖVP-Innenminister Gerhard Karner sagte: Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn das BVT, das unter meinem Vorgänger Herbert Kickl zertrümmert wurde, zuständig gewesen wäre. Das ist ein schwerer Vorwurf.
Herbert Kickl: Es zeigt, dass der ÖVP offenbar jedes Mittel recht ist, im Versuch einen politisch erfolgreichen Gegner zu diskreditieren. Herr Karner hat offenbar vergessen, dass das nicht der erste Anschlag oder Anschlagsplan gewesen ist. Das war im Jahr 2020 mit vier Toten und 27 Verletzen. Der damalige Innenminister war ein gewisser Karl Nehammer - das geht politisch auf seine Kappe. Der Versager von damals ist heute Bundeskanzler der Republik.
Fellner: Die ÖVP fordert jetzt eine Messenger-Überwachung. Die FPÖ ist dagegen. Warum eigentlich?
Kickl: Das ist ein ganz wichtiges Thema. Niemand ist hier bereit, an die Ursache zu gehen. Und die Ursache ist diese ungezügelte Völkerwanderung unter dem Missbrauch des Asyl. Das ist die Schiene, wo diese ganzen Leute, die hier eine islamistische Bedrohung für unsere Gesellschaft bilden, dann auch herkommen. Der entscheidende Punkt bei dieser Messenger-Überwachung ist die Verdachtslage. Der Innenminister und der Bundeskanzler haben uns ja erklärt: Wenn es einen Verdacht gibt, dann will man mit richterlicher Genehmigung diese Überwachung einsetzen.
Fellner: Aber gegen eine Messenger-Überwachung, da sind Sie dezidiert dagegen?
Kickl: Ja. Da bin ich sehr, sehr skeptisch, dass solchen Leuten (gemeint ist die ÖVP, Anm.) in die Hand zu geben. Dort ist es nicht vor Missbrauch sicher. Sie müssen sich fragen, wer soll das dann kontrollieren? Das sind dann wieder dieselben. Das sind dann wieder die Nehammers, die Edtstadlers, die Schallenbergs. Diejenigen, die jeden, der ihnen nicht in das Konzept passt, dann als Staatsgefährder, als Extremist, als Demokratiefeind oder sonst was punzieren. Und dann haben sie auch noch das Instrument in der Hand, diese Leute zu verfolgen. Das ist höchstgefährlich.
Fellner: Es bräuchte ja eine richterliche Genehmigung.
Kickl: Da reden Sie bei mir ja mit dem Richtigen. Mir hat man immer vorgeworfen, dass die Hausdurchsuchung im BVT illegal war. Die ist von einem Richter genehmigt worden. Also, was jetzt?
Fellner: Kommen wir zum Thema Migration: Der Begriff 'Festung Österreich', den Sie häufig verwenden. Was genau ist das?
Kickl: Festung Österreich ist ein Bild. Man tut so, als ob das so schwer zu verstehen wäre von Seiten unserer politischen Gegner. Festung Österreich ist nichts anderes als eine generelle Überschrift für eine Trendumkehr.
Fellner: Und wie wollen Sie eine "Festung Österreich" sicherstellen?
Kickl: Das mit dem wir es wirklich zu tun haben, ist eine Völkerwanderung. Und die müssen wir stoppen. Deshalb ist der zentrale Punkt dieser Festung Österreich die Konzeption: Keinen Asylantrag in Österreich mehr anzunehmen. Außer es kommt jemand aus einem unmittelbaren Nachbarland. Aber nachdem wir nur von sicheren Ländern umgeben sind, wo niemand verfolgt wird, ist das de facto auszuschließen. Jeder andere, der kommt, muss zumindest ein sicheres Drittland durchquert haben. Und, wenn er Schutz suchen würde, dann wäre dieses Land dafür zuständig.
Fellner: Trotzdem wird es einige geben, die trotzdem versuchen nach Österreich zu kommen.
Kickl: Es braucht das klare Signal, ihr seid hier als Völkerwanderer nicht willkommen. Wir sind für euch nicht zuständig. Diese zentrale Botschaft muss mit Deattraktivierungs-Maßnahmen umgesetzt werden. Die wichtigste Maßnahme ist, dass es keinen Zugang zum Sozialsystem gibt. Und kein Übergang mehr vom Asylstatus in die Staatsbürgerschaft. Die Asylgenehmigungen würde ich nach einer bestimmten Frist automatisch auslaufen lassen...
Fellner: Was schwebt Ihnen da vor?
Kickl: Drei Jahre.
Fellner: Das heißt: Nach drei Jahren würden Sie automatisch abschieben?
Kickl: Dann würde das auslaufen und dann ist er abzuschieben. Dann hat er das Land zu verlassen. Und es gibt auch, wenn jemand dann länger hiersitzt, weil es diesen Fluchtgrund gibt, trotzdem keine Möglichkeit, hier Staatsbürger zu werden.
Fellner: Der Fall einer neunköpfigen Zuwanderer-Familie, die 4.600 Euro netto Mindestsicherung in Wien erhält, wird ja viel diskutiert. Soll die Wiener Mindestsicherung gekürzt werden - auch für Österreicher?
Kickl: Ich bin für ein einheitliches System und selbstverständlich auch für österreichische Staatsbürger. Es muss klar sein, dass das eine soziale Sicherungs-Maßnahme ist, für die Menschen, die es brauchen, die in Not sind. Man darf es sich in der Mindestsicherung nicht bequem machen, wenn man arbeitsfähig ist. Das ist ja kein Ersatzeinkommen, das ist kein bedingungsloses Grundeinkommen.
Fellner: Die ÖVP schlägt eine Wartefrist von fünf Jahren vor...
Kickl: Die ÖVP will, dass man fünf Jahre eingezahlt hat. Das diskriminiert die österreichische Bevölkerung. Was macht jemand in Österreich, der 19 Jahre alt ist und einfach nicht in der Lage ist, einer Beschäftigung nachzugehen. Und solche Fälle gibt es. In diesem Fall tritt die staatliche Fürsorgepflicht ein. Der hat selbstverständlich Anspruch auf die Mindestsicherung. Wir müssen die Mindestsicherung für Völkerwanderer und Drittstaatsangehörige kappen. Die Mindestsicherung ist ein besonderes, soziales Privileg für österreichische Staatsbürger. Und diesem Privileg stehen ja auch Pflichten gegenüber.
Fellner: Wie wollen Sie die Wirtschaft wieder ankurbeln? Dass da einiges zu tun ist, da sind sich ja fast alle Parteien derzeit einig.
Kickl: Danke, dass Sie das sagen. Ich glaube, Sie haben das ein bisserl zu vornehm formuliert. Ich glaube, wir haben mit der Wirtschaft einen Intensivpatienten.
Fellner: Aber was soll passieren, um das zu ändern?
Kickl: Wir brachen einen Befreiungsschlag, einen wirtschaftspolitischen Defibrillator. Dafür braucht es möglichst viele Freiheiten. Wir müssen Anreize schaffen, dass Leute in Vollzeit gehen. Wir müssen die Überstunden entlasten. Wir müssen schauen, dass Leute bis zum Regelpensionsalter in der Erwerbstätigkeit bleiben.
Fellner: Sie garantieren, keine neuen Steuern? Auch keine Millionärssteuer?
Kickl: Keine neuen Steuern, keine wie auch immer gearteten Vermögenssteuern, keine Erbschaftssteuern, keine Schenkungssteuern. Wohlstand entsteht nicht dadurch, dass man jemanden etwas wegnimmt und es umverteilt. Das hat man in Argentinien probiert und damit ist in zehn Jahren aus einem der reichsten Länder Südamerikas eines der Armenhäuser dieser Welt geworden. Wohlstand generiert man dadurch, dass man die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes erhöht. Und dafür braucht es Freiräume. Alles unter dem Motto: Weniger ist mehr.
Fellner: Reden wir noch über die Außenpolitik. Würden Sie aus den Sanktionen gegen Russland aussteigen?
Kickl: Ja, ich glaube, dass das angebracht ist. Ich habe sehr viel mit Unternehmen gesprochen. Und dann reden die sehr offen und kritisieren zwei Dinge: Die Sanktionen und den Irrsinn des Regulierungswahns der EU. denken Sie an diese komischen Verschlusskappen bei Mineralwasserflaschen. Die kosten ein Vermögen, bringen der Umwelt aber nichts.
Fellner: Aus der EU wollen Sie aber nicht austreten?
Kickl: Das habe ich nie gesagt. Ich habe immer nur gesagt: Es kann eine Situation eintreten, wo diese Frage neu zu bewerten ist.
Fellner: Befürchten Sie, dass der Bundespräsident - selbst, wenn Sie Erster werden - Ihnen nach der Wahl nicht den Regierungsauftrag geben wird?
Kickl: Das wäre ein glatter Bruch unserer Verfassung.
Fellner: Das heißt, sie würden ihn klagen?
Kickl: Ich glaube, dass der Bundespräsident klug genug ist, so etwas nicht zu machen.
Fellner: In Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich regiert Schwarz-Blau. Von überall hört man, dass die Koalition gut funktioniert. Wäre das auch bei Ihnen möglich?
Kickl: Die ÖVP schreibt ja alles ab, da ist es kein Wunder, dass es diese Gemeinsamkeiten gibt. Aber es kann auch sein, dass sich bei der SPÖ nach einer Wahlniederlage was bewegt. Es kann gut sein, dass sich dann dort vernünftige Kräfte durchsetzen. Und dann gibt es sicherlich auch hier eine Gesprächsbasis.