Die Rezession hat zuletzt schon die Fronten zwischen Arbeitnehmervertretern und Arbeitgeberseite verhärtet.
Ein Weihnachtsfriede zieht nicht ein, geht man nach einem offenen Brief des Produktionsgewerkschaftschefs Reinhold Binder an die "Chefetagen der heimischen Industrie". Denn darin wirft dieser "einigen Unternehmen" einen "letztklassigen Umgang mit ihren Mitarbeitern" vor. Weihnachten werde der Belegschaft nicht nur wegen der Rezession verhaut. Die IV wehrt sich.
"Gemeint sind Geschäftsführungen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bedrohen, wenn diese nicht freiwillig auf einen Teil ihres Lohnes verzichten", schreibt Binder. "Gemeint sind Eigentümer und Manager, die Millionen an Förderungen aus Steuertöpfen lukriert haben, Millionengagen, Boni und Dividenden einstreichen, und trotzdem bereits versprochene Löhne und Gehälter nicht ausbezahlen. Gemeint sind jene Trittbrettfahrer, die sich im Windschatten großer Insolvenzen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entledigen. Wenn sie es dann noch schaffen, dass Beschäftigte auf Entgeltansprüche verzichten, reiben sie sich zufrieden die Hände." Gleichzeitig sinke die Bereitschaft, Sozialpläne für die Betroffenen zu verhandeln, um existenzbedrohende Härten abzufedern, kritisiert der PRO-GE-Chef.
Binder unterstellt Gleichgültigkeit
Der Gewerkschafter teilt dann noch aus: "Einzelne Entscheidungsträger in den Unternehmen" würden "jede Form von Anstand und Menschlichkeit vermissen lassen". Manchen sei es offenbar gleichgültig, "wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit Monaten keinen Lohn erhalten haben", spielt er etwa auf die KTM-Milliardenpleite des Konzerns von Stefan Pierer an. "Es scheint ihnen gleichgültig zu sein, wenn unter dem Christbaum der betroffenen Familien nur große Sorgen liegen. Darum sage ich den verantwortlichen Damen und Herren aus solchen Chefetagen: Schämen Sie sich! Denken Sie am Heiligen Abend darüber nach, was Sie diesen Menschen antun."
Binder schreibt dann noch darüber, dass es Vielen an Selbstreflexion fehle. Es brauche ein generelles Umdenken in den Chefetagen bezogen auf "Gier nach noch mehr Rendite". Früher habe es mehr Firmen gegeben, deren Gewinne tatsächlich in den Unternehmen geblieben seien. "Heute haben wir es mit 'Gewinnentnehmern' zu tun. Das unternehmerische Risiko wird exklusiv auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgewälzt. Sie sollen den Preis für Missmanagement und Wirtschaftsflauten zahlen." Die soziale Verantwortung müsse also auch im Wirtschaftsleben wieder in den Mittelpunkt, so Binder.
Industrie: "Ungerechtfertigte Vorwürfe von Binder"
Die Industriellenvereinigung (IV) wies "die Anschuldigungen und ungerechtfertigten Vorwürfe" von Binder vehement zurück. Die Industrie sei sich ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und übernehme tagtäglich Verantwortung für eine Million Beschäftigte in Österreich. Gerade in der Rezession bemühten sich die industriellen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger um den Erhalt und Fortbestand der Arbeitsplätze, die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Schaffung von Perspektiven für die Belegschaften. "Solange die Rahmenbedingungen in Österreich die Wettbewerbsfähigkeit weiter sinken lassen und der Kostendruck weiterhin steigt, ist es entscheidend, Maßnahmen zu setzen, die sowohl kurzfristige als auch langfristige Stabilität gewährleisten", teilte die IV mit.
"Der Kostendruck auf die heimischen Industriebetriebe ist nicht zuletzt auch auf die unverantwortlichen Abschlüsse im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen zurückzuführen", so die IV weiter. Die Lohnstückkosten seien "in Folge weit überzogener Forderungen seitens der Gewerkschaft" hierzulande in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gestiegen, in umliegenden Ländern aber in weit geringerem Ausmaß. "Anstatt mit Schuldzuweisungen um sich zu werfen, sollte sich die Gewerkschaft selbst an der Nase nehmen und sich wieder ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst werden", so die IV.