Der Politologe Anton Pelinka sieht in dem tobenden Machtkampf um die Spitze der SPÖ parteihistorisch "nichts Einmaliges".
"Es ist eine ernste Krise, aber keine erstmalige Krise. Und auch kein Spitzenereignis", sagte Pelinka im APA-Gespräch. Der intime SPÖ-Kenner geht davon aus, dass Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sowohl im Falle eines Sonderparteitages als auch einer Mitgliederbefragung gegen Hans Peter Doskozil obsiegen wird: "Doskozil hat keine alternative Mehrheit."
Um zu erkennen, dass die jetzige Situation nichts Einmaliges oder Außergewöhnliches sei, dafür brauche man nur in die Geschichte blicken, so Pelinka. Er erinnerte etwa nur an den beinharten Machtkampf mit vielen Verwundungen um die Nachfolge von Bruno Pittermann als Parteivorsitzender im Jahr 1967 zwischen Bruno Kreisky und dem Pittermann-Vertrauten und ehemaligen Innenminister sowie Gewerkschafter Hans Czettel. Kreisky, teils scharf angegriffen von ÖGB-Präsident Anton Benya und Teilen der Wiener SPÖ, obsiegte damals in einer Abstimmung im Parteivorstand. Zudem gab es die nicht gerade konfliktlosen "Übergänge" von Alfred Gusenbauer auf Werner Faymann sowie von Faymann auf Christian Kern, die aber nicht eins zu eins mit der Situation jetzt vergleichbar seien.
Rendi wird nicht fallen
Es gelte weiter sein Befund, den er bereits Anfang Februar im APA-Gespräch abgegeben habe, betonte Pelinka: Rendi-Wagner wackle zwar, aber solange Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und seine Landespartei hinter ihr stehen, wird sie nicht fallen. "Ich gehe davon aus, dass Doskozil zwar Rendi-Wagners schwache Seite aufzeigen kann, aber er kann sie nicht durch eine alternative Mehrheit ersetzen. Das ist wiederum seine schwache Seite", so der Doyen der österreichischen Politikwissenschaft, der über Jahrzehnte an der Universität Innsbruck lehrte. Rendi-Wagner werde sich - "solange sie selbst nicht die Neven verliert" - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als Vorsitzende halten können und dann auch in der "Pole-Position" im Bezug auf die Spitzenkandidatur für die Nationalratswahl sein. An eine mögliche Doppelspitze glaubte Pelinka nicht: "Das halte ich angesichts der Vielzahl an Verletzungen, die sich die beiden zugefügt haben, für keine mögliche und auch keine sinnvolle Idee. So zerstritten wie die beiden sind, so blank wie die Nerven liegen". Eine solche Doppelspitze habe es historisch zwar schon einmal gegeben in der SPÖ - 1986 mit einem Noch-Parteivorsitzenden Fred Sinowatz und einem Kanzlerkandidaten Franz Vranitzky - aber das seien damals auch andere Voraussetzungen gewesen.
Etwas anderes wäre es, wenn eine noch unsichtbare dritte Person plötzlich ins Spiel komme, "die den Ausweg weist", so der Politikexperte. "Aber diese Person seh ich nicht. Oder noch nicht", machte Pelinka klar. Hinzu komme, dass Ludwig, der dafür in Frage kommen würde, weiter in Wien bleiben und nicht den Sprung auf die Bundesebene wagen wolle. Eine solche dritte Person sei etwa Alfred Gusenbauer um die Jahrtausendwende gewesen, als Schwarz-Blau die SPÖ aus der Regierung kippte. Damals kam dieser quasi als Kompromisskandidat zum Zug, als es einen kolportierten roten Machtkampf zwischen dem links orientierten Ex-Innenminister Caspar Einem und seinem Nachfolger im Ressort, den eher den "rechten Flügel" der Sozialdemokratie abdeckenden Karl Schlögl, gab. Doskozil sei der "Schlögl von heute", diagnostizierte Pelinka.
Viele Vorbehalte
"Gegen Doskozil gibt es viele Vorbehalte in der Partei. Er wird natürlich durch seine burgenländische Vergangenheit eine mögliche Allianz mit der FPÖ ins Spiel bringen. Und das zerreißt die SPÖ", betonte Pelinka. Hinzu komme, dass offenbar auch der Gewerkschaftsflügel hinter Rendi-Wagner stehe und auch die meisten Frauen in der SPÖ die Vorsitzende nicht fallen lassen wollen.
Angesprochen auf die Tatsache, dass nicht wenige Rendi-Wagner mangelndes politisches Talent attestieren, meinte Pelinka: "Da ist schon was dran. Aber es ist nicht hoffnungslos." Andererseits müsse man sagen: "Ihre Hartnäckigkeit und Überlebensfähigkeit - das ist schon ein politisches Talent. Die Kunst des Machterhalts." Allein dass sie es verstanden habe, sich mit Bürgermeister Ludwig und der Gewerkschaft zu arrangieren: "Das spricht für ihre Politikfähigkeit." Andererseits verstehe er nicht, weshalb die SPÖ-Chefin etwa die "Modernisierungsthematik" nicht stärker spiele.