Nicht nur die FPÖ, auch die SPÖ soll einen Auftritt von Wolodymyr Selenskyj im Nationalrat verhindert haben.
Diesen Vorwurf erhoben die Neos am Dienstag. Ein entsprechender Vorschlag der Pinken in der Präsidiale vergangenen Freitag wurde in der Präsidiale des Nationalrates nicht aufgegriffen, kritisierte Vizeklubobmann Nikolaus Scherak. Offenbar waren SPÖ und FPÖ von der Idee nicht angetan - Scherak attestierte den beiden anderen Oppositionsfraktionen "falsch verstandene Neutralität".
Das ist das Protokoll der Sitzung
POLITIK LIVE erfuhr aus dem Protokoll der Präsidiale, wie die Debatten wirklich gelaufen ist:
- Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) regt an, dem ukrainischen Botschafter anzubieten, wie im deutschen Bundestag dem ukrainischen Präsidenten oder einen anderen hochrangigen Politiker (oder Politikerin) online zuzuschalten.
- FPÖ-Klubvize Dagmar Belakowitsch lehnt mit Hinweis auf die Neutralität ab.
- ÖVP-Vertreter Peter Haubner meldet sich und befürwortet hingegen den Vorstoß Sobotkas.
- SPÖ-Vertreterin Andrea Kuntzl ist am Wort: Sie ist eben mit Hinweis auf die Neutralität skeptisch.
- Der Grüne Jakob Schwarz sieht hingegen kein Problem für einen Auftritt des ukrainischen Präsidenten: Das sei mit der Neutralität vereinbar.
- Wortmeldung des 3. Präsidenten Norbert Hofer (FPÖ): Auch er ist gegen eine Auftritt aus neutralitätspolitischen Gründen. Und Hofer bringt ein neues Argument: Selenskyjs Auftritt im deutschen Bundestag sei "in die Hose gegangen" weil der militärische Unterstützung gefordert habe - der Ukrainer habe die Bundestagssitzung praktisch geschmissen, da dürfe in Wien nicht passieren.
- Auch die 2. Präsidentin Doris Bures (SPÖ) ist eher auf der skeptischen Seite, auch sie soll Forderungen Selenskyjs etwa nach Waffenlieferungen befürchtet haben. Update: Bures' Sprecher Harald Stockbauer bestätigte, die skeptische Haltung der 2. Präsidentin: "Selenskyjs Forderungen gingen zuletzt sehr in Richtung militärischer Hilfe durch die Nato, Waffenlieferungen und die Einrichtung einer Flugverbotszone. Der österreichische Nationalrat ist kein geeignetes Forum für solche Forderungen." Sobotka habe es im Übrigen in der Hand, es alleine zu entscheiden.
SPÖ spielt den Ball an Sobotka
Update: Am späten Dienstagvormittag reagierte auch die SPÖ, auch sie spielte den Ball in Richtung Sobotka: "Eine Entscheidung liegt beim Nationalratspräsidenten. Die SPÖ ist offen bei dem Thema, die Entscheidung muss aber letztendlich Sobotka treffen. Klar ist: Österreich verurteilt den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine durch das Putin-Regime aufs Schärfste, wir sind nicht neutral gegenüber der Verletzung von Völkerrecht und Menschenrechten. Österreich sollte auch danach trachten, in der Zukunft als Brückenbauer und ehrlicher Makler agieren zu können.“
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka spielte den Ball umgehend zurück: In der Präsidiale würden Entscheidungen grundsätzlich einvernehmlich fallen - das gelte auch in diesem Fall.
Kickl will weder Selenskyj noch Putin
Update: FPÖ-Chef Herbert Kickl begründete die Ablehnung seiner Partei jedenfalls mit der Neutralität: "Wir würden das auch für Putin nicht haben wollen oder irgendeine andere Kriegspartei." In Wien gebe es aber einen Verhandlungstisch, denn: "Wir sind für eine aktive Neutralität und nicht für eine Alibi-Neutralität."
Selenskyj hatte sich im Lichte der russischen Angriffe auf die Ukraine zuletzt in Videoansprachen an den US-Kongress, das Europaparlament, den deutschen Bundestag und die israelische Knesset gewandt. "Wir Neos sind überzeugt davon, dass man in einer solchen Situation klar Stellung beziehen muss. Und das bedeutet auch, dass der ukrainische Präsident wie in anderen Ländern auch im österreichischen Parlament sprechen darf", forderte Scherak.