Der Spitzenmann und Klubchef der Tiroler Grünen, Gebi Mair, übt scharfe Kritik am Asyl-Kurs der ÖVP und besonders an Innenminister Gerhard Karner.
Der Kurs von Karner sei "emotional sehr belastend für mich. Ich bin mir sicher, dass das auch für die Regierungsmitglieder so ist", sagte Mair im APA-Interview und verlangte eine "Kursänderung". Die ÖVP als Koalitionspartner der Grünen müsse nun bei einigen Themen "liefern", forderte er und kritisierte zunehmende ÖVP-"Alleingänge".
Karner soll "unerträglichen" Asyl-Kurs ändern
Dort, wo die ÖVP Verantwortung trage, gehe "nicht viel weiter", meinte Mair, während in jenen Bereichen, für die die Bundes-Grünen zuständig seien, viel passiere. Vor allem die Politik Karners ist dem Tiroler Grünen-Frontmann ein Dorn im Auge. "Es ist wirklich unerträglich, wenn der Innenminister Menschen auf der Flucht für Befragungen mit einer Wegbeschreibung in der Hand ohne Begleitung nach Innsbruck schickt und diese hier dann ohne Unterkunft bleiben. Das zu sehen, ist sehr belastend", übte Mair scharfe Kritik am Ressortchef. Das Ministerium nehme in Kauf, dass "Menschen in Unterführungen und am Bahnhof schlafen - in der Hoffnung, dass die Menschen auf der Flucht dann den Weg weiter in andere europäische Länder wie Deutschland nehmen." "Ich finde das nicht menschenwürdig. Österreich kann das besser. Es braucht eine Kurskorrektur in Richtung Menschlichkeit", so der Grünen-Spitzenpolitiker. Er und die Grünen würden hingegen dafür eintreten, dass Menschen auch dann "ordentlich untergebracht" werden, wenn sie nicht unter das Asylrecht fallen. Man habe hier einfach einen "menschlicheren Zugang".
Auch Kritik an türkisem Schengen-Veto
Auch das Veto der Volkspartei zu einem Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens stößt Mair sauer auf: "Die frühere Europapartei ÖVP verrät mit ihrem Schengen-Veto nicht nur die europäische Idee. Sie schadet auch österreichischen Interessen. Das wird ihr aber erst dann wieder auffallen, wenn rumänische 24 Stunden-Betreuerinnen ausbleiben." Von all diesen ÖVP-Akzenten in der Asyl- und Migrations-Frage würde am Ende jedenfalls nur die FPÖ profitieren, zeigte sich Mair überzeugt und verwies auf jüngste Umfragen: "Die ÖVP muss sich irgendwann einmal fragen, an welchen Werten sie sich orientieren will. Niemand braucht eine zweite freiheitliche Partei." Dass die Grünen in der Bundeskoalition in diesen Fragen zu wenig Flagge zeigen, sah Mair nicht. Für seine Partei gehe es darum, "Verantwortungen klar zu benennen", pochte der Tiroler Politiker auf eine klare Abgrenzung zur ÖVP dort, wo es nötig sei.
Mair: "Erwarte mir mehr Unterstützung" für Ukraine
Mehr Unterstützung Österreichs mahnte Mair für die Zivilbevölkerung in der Ukraine ein. Aus Tirol habe es beispielsweise "bisher gerade einmal ein Feuerwehrauto in das täglich angegriffene Land geschafft." "Auch vom Bund erwarte ich mir mehr Unterstützung. Österreich könnte für die Zivilbevölkerung wesentlich mehr anbieten als bisher", verlangte der Klubobmann im Landtag und nannte etwa Unterstützung für die Kommunikations-Infrastruktur oder für Mobilität.
Trotz Differenzen gegen Neuwahlen
Trotz diverser schwerer Verwerfungen in der Koalition sah Mair keinen Sinn in einer vorgezogenen Nationalratswahl. Neu oder vorgezogen wählen habe nur in den seltensten Fällen etwas gebracht - dies sehe man auch an der neuen schwarz-roten Landesregierung in Tirol, die Schwarz-Grün nach der Landtagswahl abgelöst hatte, konnte sich der Klubobmann eine landespolitische Spitze nicht verkneifen. Im Bundesland herrsche seit Juli de facto Stillstand. Türkis-Grün im Bund stehe zweifellos "unter Druck". Man müsse nun hart arbeiten und schon bei der Regierungsklausur im Jänner zu Ergebnissen kommen. Die ÖVP müsse sich jedenfalls bei wichtigen Themen bewegen.
Mair: ÖVP betreibt Lobbying für die Fossilen
An vorderster Stelle steht für Mair dabei das koalitionär umstrittene Klimaschutzgesetz. Hier warf er der Bundes-ÖVP eine momentane "Blockade" vor. Ein solches Gesetz sei wichtig - und zwar mit "verbindlichen Emissionsgrenzen". "Es braucht klare Verpflichtungen für alle Gebietskörperschaften, besonders auch für die Bundesländer und Gemeinden", drängte Mair auf die Umsetzung einer grünen Forderung, der die ÖVP sehr kritisch gegenübersteht. Die Wichtigkeit einer Verpflichtung für die Länder begründete Mair erneut mit einem Beispiel aus Tirol: Denn nicht nur blockiere die ÖVP im Bund derzeit ein Klimaschutzgesetz, sondern würden die schwarzen Parteifreunde in Tirol gleichzeitig das Gas-Leitungsnetz weiter ausbauen wollen. "Hier betreibt die Volkspartei eindeutiges Lobbying für die Fossilen, und genauso sollte man das auch benennen", urgierte der Grünen-Politiker.
Die Landes-Grünen sah Mair indes in ihrer neuen Oppositionsrolle gut aufgestellt. Während Schwarz-Rot kaum Initiativen setze und mehr mit "Personalia wie Aufsichtsratsposten, Nebenbeschäftigungen von Regierungsmitgliedern oder überlangen Urlauben ehemaliger Regierungsmitglieder auf Beamtenstellen" beschäftigt sei, würden die Grünen für Akzente sorgen. So habe man etwa beim Thema Schwangerschaftsabbruch gezeigt, "dass wir die Landesregierung antreiben."