ZIB2-Interview

Pilnacek-Kommissar packt aus: So mischen sich Politiker in Justizfälle ein

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Im ZIB2-Interview sprach Martin Kreutner, Leiter der Pilnacek-Kommission, mit Armin Wolf über den Endbericht seiner sechsmonatigen Untersuchung.

Im Zuge des Todes von Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek fand die offizielle sechsmonatige Untersuchung nun ein Ende. Der Endbericht hält fest, dass es in Österreich zu einer politischen Einflussnahme auf die Politik gekommen ist. Darin ist unter anderem die Rede von „fehlender Distanz zwischen Politik und Justiz“, dem Versuch der „Zerschlagung der WKStA“ und einer „Zwei-Klassen-Justiz“.

Martin Kreutner, seines Zeichens Leiter der Pilnacek-Kommission, meinte in der ZIB2, die besagte „Zwei-Klassen-Justiz“ sei sogar im Gesetz angelegt, zumindest in zwei Paragraphen gebe es derartige Bestimmungen. Personen des öffentlichen Interesses würden anders behandelt als der Rest der Bevölkerung. Dies sei klar ein Widerspruch zur „Gleichheit vor dem Gesetz“. Die Handhabung der sogenannten „clamorose Fälle“ würde Kreutner gar mit den Noten vier bis fünf bewerten, Stand heute wäre Österreich "gar nicht mehr EU-aufnahmefähig".

Auf die „fehlende Distanz zwischen Politik und Justiz“ angesprochen, wollte Kreutner keine Parteien nennen, allerdings: „Jene Parteien, die eine gewisse Zeit lang an der Machtpositionen sitzen, haben natürlich auch eine Tendenz, diese Machtpositionen letztendlich vielleicht für ihre Zwecke zu nutzen.“

Politisch brisante, "clamorose Fälle"

„Laut Erhebungsauftrag haben wir eine positive Befundung, das heißt, wir all diese Dinge – illegitimer Informationszufluss und -abfluss, unsachgemäße Interventionen, entsprechende Auffälligkeiten in Verfahren, Compliance-Verstöße und letztendlich in der Justizverwaltung –, leider gefunden, insbesondere in sogenannten clamorosen Fällen, also dort, wo es politisch brisant ist. Aber es auf eine Person zu beschränken, wäre auch wieder simplifiziert."

"Letztendlich war der Geburtsfehler schon dort, wo man derartig brisante Sektionen zusammengelegt hat. Wo man jemanden, der alle zwei Wochen mit politischen Entscheidungsträgern Gesetze verhandelt muss, gleichzeitig zuständig macht für Einzelstrafsachen. Wo er alle Details weiß und ihn dann insbesondere noch in eine semipolitische Rolle hievt, nämlich des Generalsekretärs, und dann zusätzlich, zwar nicht nominell, aber de facto, auch noch den Hauptmediensprecher des Justizministeriums einlädt."

"Also das sind Konfliktsituationen, oder wie es auch der bayrische Verfassungspräsident in Ruhe formuliert hat, da hat die innere Gewaltenteilung in der Justiz nicht funktioniert.“ 

Griff Pilnacek in Verfahren ein oder nicht?

Im geheim aufgezeichneten Gespräch Pilnaceks meinte dieser, er hätte nicht in Verfahren eingegriffen, obwohl das die ÖVP verlangte, fragte Wolf und wollte wissen, ob dies denn so stimme. „Das ist mit einem Fragezeichen behaftet“, antwortete Kreutner. Pilnacek hätte nämlich sehr wohl für seine Frau einen Posten forciert, sofern er der ÖVP wirklich geholfen hätte. Dies sei aus den öffentlich gemachten Chats bekannt geworden. 

Der Wiener Stadterweiterungs-Fonds - ein Justizskandal?

Kreutners Team habe starke Indizien dafür gefunden, dass es zu Verfahrensverzögerungen und Ehrenrunden gekommen sei, „um Zeit in den Raum gehen zu lassen“. Dabei sei erneut folgendes Phänomen zu beobachten gewesen: „Der staatsanwaltschaftliche Instanzenzug hat eigentlich auch hier wieder gegen das Gleichheitsprinzip in derartigen clamorosen Fällen verstoßen, was einfach furchtbar hypotroph ist. Wir haben den Ausdruck des 30-Augen-Prinzips geprägt, also dass 15 hochbezahlte Juristen über einzelne Verfahrensschritte drübergehen und genehmigen müssen, nachfragen etc., wo letztendlich ein Richter in der Gesamtsache entscheidet. Das ist einfach nicht notwendig, das ist eine Ressourcenvergeudung und letztendlich kommt es genau da wieder zu diesen politischen, zumindest potenziellen Einflussnahmen.“

Anzeigen gegen die Staatsanwaltschaft

Zwischen fünf und zehn Anzeigen wurden an die Staatsanwaltschaft gerichtet, „wobei zwei, drei Sachen dabei waren, die vorlagewürdig waren, und das ist dann auch geschehen.“ Die Aufklärungsmaßnahmen beträfen die Umstände rund um den Tod Pilnacek – „sowohl staatsanwaltschaftliche sowie polizeiliche Veranlassungen. Ich möchte keine Schuld- und Unschuldssprüche aussprechen, das macht die Kommission nicht, sondern wir haben Hinweise gefunden, die klärungswürdig sind und die wurden der Staatsanwaltschaft zur Klärung übermittelt.“  

Die Staatanwaltschaft ist der Justizministerin weisungsunterworfen. Da aber eine Person anfälliger für allfällige Interventionen sei, brauche es hier vielmehr ein Gremium. Die ÖVP sei für eine Person, die Grünen, wie Kreutner, für ein Gremium. "So ist es auch in der EU", so der Pilnacek-Kommissar. Die wohl wichtigste umzusetzende Maßnahme wäre „die Trennung der Weisungsspitze der Judikative, also der Justiz von einem politischen Organ", sprich die Generalbundesanwaltschaft. Brisant: Eine weitere seiner 16 Empfehlungen ist die "dringende Empfehlung, ein Suchtpräventions- und Hilfsprogramm zu etablieren".

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