Letzte Pressekonferenz ihrer Amtszeit: Ministerin Schmied präsentierte PISA-Ergebnisse.
Mit einem breiten Lächeln verkündet Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) am Dienstag das PISA-Ergebnis: „Unsere Schüler haben sich verbessert.“
Konkret: Die 15- bis 16-Jährigen erreichten in den drei getesteten Bereichen (Mathe, Lesen, Naturwissenschaften) mehr Punkte als im Jahr 2009 (ÖSTERREICH berichtete).
Ein Grund zur Freude für Schmied: Die Ministerin wertet das Pisa-Ergebnis als „Trendumkehr“ und ist zuversichtlich, dass Österreich bei den Pisa-Tests in den kommenden Jahren sogar die Spitzenplätze erreicht.
OECD bescheinigt uns aber Stillstand, nicht Erfolg
Weniger euphorisch klingt das bei den Experten der OECD. Die österreichischen Pisa-Ergebnisse seien seit 2003 fast konstant – einziger Tiefpunkt sei das Jahr 2009.
Vergleich: Unsere Nachbarn in der Schweiz sind in Europa Mathe-Könige. Wir nur auf Platz 11.
Pisa-Erfinder Andreas Schleicher kritisiert, dass Österreich bisher nicht den Weg von erfolgreichen Ländern mitgeht: „Die besten Lehrer für die schwierigsten Schulen.“ Dazu käme, dass asiatische Länder, also die Spitzenreiter, ihre Schüler mehr motivieren würden. Dort würde viel mehr Wert auf Bildung gelegt werden. Von dieser Einstellung könnte sich Österreich ein „Stück abschneiden“.
PISA NEU: Die Ergebnisse zum Durchklicken
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PISA-SIEGER
Bei der Mathematik-Kompetenz haben unter den Teilnehmerländern aus OECD bzw. EU Südkorea (554), Japan (536) und die Schweiz (531) die Nase vorn. Unter allen 65 teilnehmenden Ländern bzw. Regionen erreichte Shanghai (China) mit 613 den mit Abstand höchsten Wert vor Singapur (573) und Hongkong (China; 561). Beim Lesen liegen OECD/EU-weit Japan (538), Südkorea (536) und Finnland (524) in Front, insgesamt hat auch hier Shanghai den höchsten Punktewert (570). Die Naturwissenschaften werden OECD/EU-weit von Japan (547), Finnland (545) und Estland (541) dominiert, absoluter Sieger ist auch hier Shanghai (580).
PISA-VERLIERER
Schlusslichter in der OECD/EU sind in der Mathematik Mexiko (413), Chile (423) und Bulgarien (439). Beim Lesen landen OECD/EU-weit Mexiko (424), Bulgarien (436) und Rumänien (438) auf den hintersten Plätzen, in den Naturwissenschaften Mexiko (415), Zypern (438) und Rumänien (439). Absolutes Schlusslicht in allen drei Kategorien ist Peru.
AUFSTEIGER
Zu den Aufsteigern beim Haupttestfach Mathematik gegenüber der letzten PISA-Studie gehören neben Österreich u.a. Polen (plus 23 Punkte), die Nicht-OECD-Mitglieder Tunesien (plus 16) und Russland, Irland (je plus 14) sowie die OECD-Partner Macau (plus 13) und Lettland (plus neun).
ABSTEIGER
Deutlich weniger Punkte als 2009 erreichten unterdessen Finnland (minus 22), Neuseeland (minus 20), Schweden (minus 16), Slowakei (minus 15), Island (minus 14) sowie Ungarn und Griechenland (je minus 13).
SOZIALSTATUS
Der Leistungsvorsprung sozioökonomisch bessergestellter Schüler gegenüber Jugendlichen aus weniger begünstigten Verhältnissen in der Mathematik ist in Österreich (43 Punkte) etwas höher als im OECD-Raum (39 Punkte). 6,5 Prozent der Schüler in Österreich sind "resilient" - das heißt, dass sie trotz eines ungünstigen sozioökonomischen Hintergrunds über Erwarten gut abschneiden (OECD: 5,6 Prozent). Seit 2003 gab es in Österreich hier keine Änderung.
RISIKOSCHÜLER
19 Prozent der österreichischen Schüler sind in Mathematik besonders leistungsschwach, das ist etwas weniger als im OECD-Schnitt (23 Prozent). Beim Lesen gelten in Österreich 20 Prozent als Risikoschüler (OECD: 18 Prozent), in den Naturwissenschaften 16 Prozent (OECD: 18 Prozent). 26 Prozent der österreichischen Schüler gehören in zumindest einem der drei Testbereiche zur Risikogruppe (OECD: 29 Prozent), elf Prozent in allen drei.
SPITZENSCHÜLER
14 Prozent der österreichischen Schüler gehören in Mathematik zur Spitzengruppe (OECD: 13 Prozent), beim Lesen sind es sechs Prozent (OECD: acht Prozent) und in den Naturwissenschaften acht Prozent (OECD: auch acht Prozent). 16 Prozent der Österreicher erbringen in einem der drei Testbereiche Spitzenleistungen (OECD: 15 Prozent), drei Prozent in allen drei.
MIGRANTEN
Der Anteil der Migranten in Österreich ist seit dem ersten PISA-Test 2000 von elf auf 17 Prozent angestiegen - dieser Zuwachs geht ausschließlich auf das Konto von Migranten zweiter Generation (bereits in Österreich geboren, Eltern zugewandert). In der OECD ist die Entwicklung auf etwas niedrigerem Niveau ähnlich. Der Mathematik-Leistungsunterschied zwischen Einheimischen (mindestens ein Elternteil in Österreich geboren) und Migranten ist in Österreich mit 60 (absolut) bzw. 42 Punkten (unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrunds) vergleichsweise hoch. Bedenklich: Im OECD-Schnitt verringerte sich seit 2003 der Leistungsunterschied zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund (unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrunds) um elf Punkte, in Österreich ist er gleich geblieben.
GESCHLECHTERDIFFERENZ
In Österreich schneiden die Burschen in der Mathematik um 22 Punkte besser ab als die Mädchen, in der OECD sind die Unterschiede deutlich geringer (elf Punkte). Beim Lesen erreichen umgekehrt die Mädchen sowohl in Österreich (plus 37 Punkte) als auch in der OECD (plus 38 Punkte) deutlich bessere Mittelwerte als die Burschen. In den Naturwissenschaften liegen beide Geschlechter sowohl in Österreich als auch in der OECD praktisch gleichauf.
MOTIVATION
Die österreichischen Schüler zählen zu denjenigen, die am wenigsten Freude an Mathematik haben. Der Aussage "Mich interessiert das, was ich in Mathematik lerne" stimmten nur 41 Prozent zu (OECD-Schnitt: 53 Prozent). Besonders wenig Freude an Mathe haben die österreichischen Mädchen (32 Prozent).
Mädchen sind in Mathe schlechter als Burschen
Großer Kritikpunkt an unserem Pisa-Ergebnis ist der Leistungsunterschied in Mathe zwischen Mädchen und Buben. „Über das Auseinanderdriften zwischen Jungen und Mädchen in der Mathematik sollte sich Österreich Sorgen machen“, meinte Andreas Schleicher im ÖSTERREICH-Gespräch (siehe Interview). Lagen die Buben 2003 noch acht Punkte vorne, sind es mittlerweile 22 – das ist der größte Zuwachs unter allen Ländern.
Migranten schwächer als in anderen Ländern
Auch brisant: der Leistungsunterschied zwischen Migranten und Einheimischen. Der ist in den meisten Staaten kleiner geworden. Nur nicht in Österreich. Hier ist der Abstand bis zu 12 Punkte groß, so wie auch schon vor 12 Jahren. Für Claudia Schmied steht fest: Ihre Reformen werden alles ändern, aber erst bei Pisa 2015. Wir werden sehen …
PISA-Erfinder Schleicher: "Abstand zur Spitze wächst..."
ÖSTERREICH: Österreich hat aufgeholt …
Andreas Schleicher: … und hat sich wieder ans Niveau von 2003 herangearbeitet.
ÖSTERREICH: Deutschland hatte den Pisa-Schock. Hat Österreich die Pisa-Starre?
Schleicher: Ja, der Trend ist tatsächlich seitwärts.
ÖSTERREICH: Sorge macht die Kluft zwischen Mädchen und Buben in Mathe.
Schleicher: Alarmierend ist, dass Mädchen nicht nur bei der Schulleistung auseinanderdriften, sondern auch bei der Einstellung. Dabei ist Mathe am wichtigsten für späteren Erfolg im Leben.
ÖSTERREICH: Politiker jubeln dennoch, die Regierung sieht gar eine „Trendwende“.
Schleicher: Der Abstand zu den Besten wurde größer. Österreich sollte sich nicht am Mittelfeld messen. Aber es wurden Fundamente gelegt für weitere Verbesserungen, zum Beispiel die Neue Mittelschule.
ÖSTERREICH: Was ist das Erfolgsrezept in Asien, Finnland oder der Schweiz?
Schleicher: Top-Lehrer werden verpflichtet.
(bah)