Die Kommission soll die Causa überprüfen. Ex-BKA-Chef Haidinger hatte dem Innenressort vorgeworfen, Hinweise unter den Teppich gekehrt zu haben.
ÖVP-Innenminister Günther Platter lässt eine Evaluierungs-Kommission zum Fall Natascha Kampusch einsetzen. Die Expertengruppe soll die Causa untersuchen, evaluieren und beurteilen. Geleitet wird die Kommission von Mathias Vogl, dem Chef der Rechtssektion im Innenministerium. Weiters dabei sind Rudolf Keplinger, Chef des oberösterreichischen Landeskriminalamts, und Kriminalpsychologe Thomas Müller.
Kommission darf buddeln
Vogl erhält direkte und uneingeschränkte
Zugriffsmöglichkeit auf alle Einrichtungen und Ressourcen des
Innenministeriums. Neue Erkenntnisse von dienst- und strafrechtlicher
Relevanz sind unverzüglich und direkt der zuständigen Stelle (Büro für
Interne Angelegenheiten, Staatsanwaltschaft oder Dienstbehörde)
bekanntzugeben. Nach spätestens vier Monaten soll die Kommission dem
Minister berichten.
Verdrehte Tatsachen
Das Ministerium erklärte außerdem,
Ex-BKA-Chef Herwig Haidinger hätte den Hinweis des Polizeihundeführers erst
nach dem Auftauchen Kampuschs im Jahr 2006 angesprochen. Zu diesem Zeitpunkt
sei bereits klar gewesen, wer der Täter war.
Der Spitzenkriminalist hatte am Dienstag im Innenausschuss ausgesagt, das Innenministerium hätte im Herbst 2006 trotz konkreter Hinweise auf den Entführer Wolfgang Priklopil die Ermittlungen untersagt. Der Grund: Nachdem die Hinweise damals schon acht Jahre alt waren, fürchtete man offenbar einen Polizeiskandal, den man vor den Nationalratswahlen nicht brauchte.
Hier der Bericht über den Eingang der Anzeige
Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz hat die Anzeige auf seiner Homepage veröffentlicht:
"Am 14.04.1998, um 14:45 Uhr, ruft ha. eine unbekannte männliche Person an und teilt folgenden Sachverhalt mit:
Betreffend der Fahndung nach dem weißen Kastenwagen mit dunklen Scheiben im bezirk Gänserndorf in Bezug zur Abgängigkeit der Kampusch Natasche gibt es in Strasshof/Nordbahn eine Person, welche mit dem verschwinden in Zusammenhang stehen könnte und auch in besitz eines weißen kastenwagens Marke Mercedes mit abgedunkelten Scheiben ist. Dieser Mann sei ein sogenannter 'Eigenbrötler', welcher mit seiner Umwelt extreme Schwierigkeiten habe und Kontaktprobleme habe. Er soll gemeinsam mit seiner Mutter in Straßhof/Nordbahn, Heinestraße 60 (Einfamilienhaus) wohnen, welches jedoch elektronisch voll abgesichert sei. Auch soll der Mann eventuell Waffen zu Hause haben. Vor dem Areal Heinestraße 60 sei ögfters sein weißer kastenwagen, Marke Mercedes, Kennzeichen unbekannt, mit seitlich und hinten total abgedunkelten Scheiben stehen. Dieser Mann sei früher bei der Fa. SIEMENS als Nachrichtenelektroniker beschäftigt gewesen und könnte dies auch jetzt noch sein. Eventuell lebt der Mann mit seiner betagten Mutter in diesem haus und soll er einen hang zu 'Kindern' in Bezug auf seine Sexualität haben, ob er diesbezüglich bereits vorbestraft ist, ist unbekannt.
Der Namen des Mannes ist dem Anrufer unbekannt, ist er ihm nur aus der Nachbarschaft bekannt. Der Mann soll ca. 35 jahre alt sein, blondes Haar haben und 175 - 180 cm groß sein und schlank sein. Nähere Angaben konnte der anonyme Anrufer nicht machen."
Kripo merkte nichts
Aus einem Akt des Sicherheitsbüros geht
hervor, dass Wiener Kriminalisten sich zwar zu Priklopils Haus begaben und
ihn auch antrafen, aber nichts Außergewöhnliches feststellen konnte. Der
Entführer sperrte für die Beamten sogar den Kastenwagen auf. Ein Alibi für
den Entführungstag hatte er nicht.
"Schlamperei kostete mich achteinhalb Jahre"
"Scheinbar
durfte ich trotz stichhaltiger Hinweise auf meinen Entführer achteinhalb
Jahre warten, bis ich aus eigener Kraft den Weg in die Freiheit finden konnte",
sagte die heute 19-jährige Natascha Kampusch. "Am eigenen Leib zu
erleben, wie hier Prioritäten gesetzt wurden, macht mich entsetzt und wütend."
Die Sache sollte anscheinend unter den Tisch gekehrt werden, so Kampusch.
Nataschas Vater ist "sprachlos"
"Ich bin
sprachlos" - entsetzt reagierte auch Nataschas Vater, Ludwig Koch,
darauf, dass die Polizei nach dem Verschwinden seiner Tochter möglicherweise
einem entscheidenden Hinweis nicht nachgegangen ist. "Als Vater, aber
auch als österreichischer Staatsbürger fordere ich, dass jemand dafür die
Verantwortung übernimmt".
Anwalt prüft Amtshaftungsklage
Als "unverständlich und
unerklärlich" beurteilte Kampuschs Anwalt Gerald Ganzger den
Umgang mit dem Hinweis auf den Kidnapper Wolfgang Priklopil nur wenige
Wochen nach der Entführung seiner Mandantin, der von einer Sonderkommission "ignoriert
und verschlampt" worden sei. "Klar ist, dass es theoretisch in
Richtung Amtshaftung gehen kann", so Ganzger am Mittwoch. "Wenn
alle Erhebungen da sind, wird man prüfen, ob ein Amtshaftungsanspruch da ist."
Gibt es ihn, werde man ihn geltend machen.