Es ist eine historische Wahl, die am Sonntag in Frankreich startet. Zum ersten Mal in der Geschichte der 5. Republik könnte ein Politiker der extremen Rechten von Marine Le Pen Premierminister werden. Präsident Macron wäre dann eine lame Duck. Oder passiert noch Überraschung?
Die Nervosität in Frankreich ist in allen Diskussionen, sämtlichen Reportagen und in der Stimmung der Franzosen deutlich spürbar.
Rekord-Teilnahme bei Frankreich-Wahl zeichnet sich ab
Derzeit sieht am eine Rekord-Teilnahme an Auslandsfranzosen, die bereits wählen. So viele Wahlkarten wie selten zuvor bei einer Parlamentswahl wurden auch in Frankreich selbst ausgegeben. Am 30. Juni startet schließlich diese historische Parlamentswahl.
Extreme Rechte punktet mit Samthandschuhen und Wut auf Macron
Historisch, weil tatsächlich erstmals in der Geschichte der fünften Republik am Ende der zwei Wahlgänge - am 7. Juli ist der zweite Durchgang - ein Politiker der extremen Rechten Premierminister werden könnte. Konkret würde es dann Marine Le Pens Kronprinz Jordan Bardella. Er hat sich ebenso wie seine Mentorin für diesen Wahlkampf Samthandschuhe statt des üblichen Kampfanzuges der extremen Rechten angezogen.
Macrons waghalsiger Neuwahl-Poker geht für ihn schief
Diese Wut auf den französischen Präsidenten ist in der Tat hoch. Umso bemerkenswerter, dass Macron trotzdem ohne echte Not Neuwahlen ausgerufen hat. Sein Kalkül: Er dachte, dass sich dann eine republikanische Front von mitte Links bis mitte Rechts hinter seiner Partei sammelt, um die extreme Rechte zu verhindern.
Für die Linken ist Macron "zu rechts"
Vergebens. Denn, der Partie socialiste - Macron war einst sozialdemokratischer Minister bevor er sich 2017 mit einer eigenen Partei selbstständig machte - sieht den einstigen Shootingstar der Linken als "Verräter" an. Für viele Linken ist der liberale Macron zu "rechts". Sie haben sich gemeinsam mit den Grünen, den Kommunisten und dem extremen Linken Mélenchon zu einem neuen Front populaire (Linksbündnis) zusammengeschlossen.
Für Rechte ist Macron "zu Links"
Für die Republicains - die Rechte (Pendant zur ÖVP - ist Macron hingegen "zu Links". Sie haben sich mittlerweile überhaupt in zwei Lager gespalten - einerseits die Republicains, die sich für die Kollaboration mit der extremen Rechten entschieden haben, andererseits die Gaullisten, die das ablehnen - und drohen jetzt stark an Bardella abzufließen.
Le Pen punktet mit Angst vor "Islamisierung", Abstiegsängsten und Teuerung
Und natürlich ist der französische Präsident auch aufgrund der muttiplen Krisen unter Druck. Einzelne Vororten von Paris machen nur noch durch gewaltsame Vorfälle Schlagzeilen. In Teilen der französischen Bevölkerung steigt die Angst vor "Islamisierung", die die Le Pen Partei seit etlichen Jahren befeuert. Und natürlich ist auch in der grande nation die Wut aufgrund der Teuerung groß.
"Links-Bündnis als Trampolin für extreme Rechte"
Das Linksbündnis wiederum liegt in den Umfragen nun mit rund 29 Prozent hinter dem rassemblement national (35 Prozent). Sie sagen, dass sie versuchen würden "Barrage" gegen die extreme Rechte - eine Mauer - zu machen. Aber: Bernard Henri Levy, ein sehr bekannter französischer Philosoph, der selbst stets Unterstützer der Sozialdemokratie war, warnt nun ebenso wie zwei ehemalige Premierminister des PS, Valls und Cazeneuve, dass sie nicht "Barrage, sondern Trampolin" für Le Pens Mann Bardella geben würden.