Insider am Weekend

Grüne Technikerin der Macht: Gewessler vor der Übernahme

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Für ÖVP, FPÖ, Teile der SPÖ Feindbild Nr. 1, die Grünen könnten sie zur Chefin machen

Wien. Leonore Gewessler hat dieser Tage nicht gerade viele Freunde in der Politik. Die ÖVP-Länder reden nicht mehr mit ihr. Bundeskanzler Karl Nehammer hält sie für eine „Gesetzesbrecherin“ und auch der eine oder andere mächtige Rote hält reichlich wenig von der Klimaministerin der Grünen. Das hat vor allem – aber längst nicht nur – mit ihrem Ja zum Renaturierungsgesetz zu tun.

Gewessler eint Grüne vor Bundeskongress

Wegen eben diesem ist sie freilich auf der anderen Seite der absolute Star der Grünen. Das werde sich auch beim grünen Bundeskongress heute in Wien zeigen, sagen viele Grüne. Bei jenen in der Vizekanzlerpartei, die die Koalition mit der ÖVP bereits seit längerem kritisch beäugen, ist sie ohnehin bereits die „Heldin“. Niemand habe so „brutal ihre Anliegen durchgesetzt wie sie“, berichten Türkise wie Grüne unisono hinter den Kulissen. Sie sei eine veritable Technikerin der Macht, gestehen auch Grüne ihr zu, die sie nicht als ideale Nachfolgerin von Werner Kogler ansehen. Sollte sie diesen Job nach der Nationalratswahl anstreben, sei ihr dieser kaum noch zu nehmen, heißt es.

Immerhin habe sie die Grünen nach der Aufregung um Lena Schilling in einem extrem heiklen Moment „geeint“, sagt ein langjähriger Grüner, der glaubt, dass der grüne Bundeskongress sonst „zu einer Abrechnung mit Sigi Maurer“ hätten werden können.

Rettet Gewessler jetzt unbewusst Maurer?

Ob es nicht doch Konsequenzen für Maurer – sie setzte Schilling gegen Bedenken anderer Grüner durch – und die grüne Generalsekretärin Olga Voglauer (schlechtes Krisenmanagement) geben wird, ist freilich offen. Manche bei den Grünen würden bereits jetzt lieber Gewessler statt dem grünen Vizekanzler Werner Kogler als Spitzenkandidat sehen. Sie würde die nötige Polarisierung bringen und ein Abwandern von grünen Wählern verhindern, glauben diese Grüne. Aber: Keiner werde sich trauen, am Vizekanzler zu rütteln. Zu groß sei noch die Dankbarkeit, dass er die Grünen einst als außerparlamentarische Opposition übernommen habe und sie wieder ins Parlament und sogar in die Regierung geführt habe.

Grüne Bedenken gegen Gewessler

„Mit ihr bedienen wir nur das Klimathema. Das ist zu wenig“, warnt hingegen ein grüner Stratege. Man müsse „breiter sein, wenn wir gegen die SPÖ und die Bierpartei abdichten wollen“, so die Sorge. Hier sei Kogler besser, auch „wenn er müde wirkt“. In diesen Kreisen würde man immer noch Justizministerin Alma Zadic – sie erwartet ihr zweites Kind – präferieren. Sie könnte die Grünen „mit einem größeren Themenmix“ forcieren. Zudem werde die „Nachfolgefrage nicht so rasch geklärt“. Sie bleibe also im Spiel.

Regierungs-Fans haben andere Favoriten

Eine dritte Gruppe innerhalb der Grünen hat wieder ganz andere Pläne. „Weder mit Gewessler noch mit Zadic hätten wir noch eine Chance, in die Regierung zu kommen“, sagt diese Gruppe. Sie dürften Stefan Kain­eder und Maurer forcieren, die als am besten kompatibel mit der ÖVP gelten. Sie klammern sich an den Strohhalm, dass ÖVP und SPÖ wohl eine dritte Partei bräuchten, um eine allfällige Koalition nach der September-Wahl zu bilden und sehen sich offenbar noch im Spiel.

Aber: Sowohl die ÖVP als auch maßgebliche Teile der SPÖ halten reichlich wenig von einer Koalition mit den Grünen. „So wie Gewessler agiert hat, kann man in einer Koalition nicht vorgehen“, sagt ein Roter. Beim heutigen Bundeskongress sehen das die meisten Grünen freilich anders.

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