Offiziell wollen VP und Grün bis zuletzt arbeiten. Aber halten sie das durch?
Sommer-Wahlkampf. Grün-Vizekanzler Werner Kogler hat seine „Reden wir“-Tour durch das Land bereits gestartet. Der grüne Bundessprecher will das den ganzen Sommer über fortsetzen. Ein Hauch von Wahlkampf schwebt längst über der Republik. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer wird immer wieder durch die Lande tingeln. Immerhin plant ja auch der neue SPÖ-Chef Andreas Babler eine Tour durch alle Bezirke.
FPÖ-Chef Herbert Kickl ist ohnedies im Dauer-Wahlkampf-Modus – auch wenn er mehr in den virtuellen als in den realen Welten unterwegs ist.
Zeigen diese Aktivitäten also baldige vorgezogene Nationalratswahlen? Nicht unbedingt. Aber, dass die türkis-grüne Koalition bis zum regulären Wahltermin im September 2024 halten wird, bezweifeln viele.
Immerhin – das ist im Parlament spürbar – scheinen sich ÖVP und Grüne zunehmend zu misstrauen:
- Die ÖVP beobachtet die Umfragen mit zunehmender Nervosität. Zum einen liegt die FPÖ in sämtlichen Daten konstant knapp auf Platz eins. Zum anderen hat die SPÖ die ÖVP bereits auf Platz drei verwiesen.
- Manch ein VP-Stratege würde Parteichef Karl Nehammer raten, eher früher die Reißleine zu ziehen, damit „zumindest die SPÖ am falschen Fuß erwischt“ werde. Aber, so sagen es Türkise, Nehammer sei im Unterschied zu Sebastian Kurz „kein Spieler“. Das Risiko, dass ein Platzen der Koalition ihm auf den Kopf fallen könnte, sei ihm zu groß.
- Um aus ihrem Umfrage-Blues und ihrer Vertrauenskrise rauszukommen, will die Kanzler-Partei stattdessen noch stärker auf die einstigen „Hits“ von Sebastian Kurz setzen: harte Zuwanderungslinie, Sicherheit und Kuscheln mit Viktor Orbán. Ob das erneut aufgeht, bezweifeln sie freilich. Sie sagen, sie müssten diese Themen „vor allem abdichten“. Wie auch immer.
- Die ÖVP will jedenfalls – selbst ihre Daten zeigen, dass die derzeitige Regierung nicht gerade Beliebtheits-Conteste gewinnen würde – immer stärker auf Distanz zu den Grünen gehen. Dabei gehe es einerseits um gesellschaftspolitische Themen als auch den Kampf gegen den Klimawandel. Hier wird die ÖVP weiterhin auf die Bremse treten.
Sozial- und Budget-Politik als Zerreißprobe
Riskant. Wirklich riskant für die Koalition könnte freilich die Positionierung der ÖVP in Sozial- und Budgetpolitik werden. Hier nimmt vor allem Finanzminister Magnus Brunner die einstige Linie von Ex-VP-Kanzler Wolfgang Schüssel ein. Er will den Wächter über das Geld geben und auch geringere Lohnabschlüsse.
Das wird für Grüne – vor allem wenn sie ihre Klimaziele nicht einhalten können – zunehmend zur Belastung. Immerhin drohen sie bereits Richtung Babler-SPÖ auszurinnen.
Gesundheit. Die ÖVP will hier „nur“ beim Thema Gesundheitspolitik einlenken. Ihre eigenen Daten belegen, dass sie hier zunehmend ein Problem kriegt. Aber: Das wird freilich wiederum eine Frage des Budgets – also wie viel der Finanzminister letztlich den Bundesländern gibt. Da auch die VP-Länder den Druck erhöhen, wird er wohl spendabler als geplant sein müssen. Ob das ausreicht?
An der Frage des Budgets könnte die Koalition „am ehesten platzen“, sagen Regierungs-Insider. Plausibel sei aber auch, dass die ÖVP die EU-Wahl im Juni 2024 abwarten wolle, damit die Menschen ein Ventil für ihre Wut hätten und bei dieser Wahl die FPÖ zur Nummer eins machen. „Dann würden viele bei Nationalratswahlen davor zurückschrecken, FPÖ zu wählen“, sagt ein Schwarzer. Das Risiko: „Dass ein rot-blaues Duell um Platz 1 entstünde und die SPÖ davon profitiert.“