Twitter-Maulkorb, neue Gästelisten für ORF-Talkshows und Nebenbeschäftigungsverbot. Aber: Verfassungsgerichtshof könnte ORF-Gesetz kippen und Politik aus Stiftungsrat fliegen.
Wahlkampf. Das bevorstehende Superwahl-Jahr wirft bereits seine Schatten. Die Politik kämpft – wieder einmal – um die Vormacht im ORF:
Im ORF-Stiftungsrat – hier sind sich ÖVPler, Blaue und einige Rote einig – forciert man nun härtere Twitter-Regeln für alle ORF-Journalisten. Der neue Code of Conduct – er wird erst fertig gestellt – soll ein de facto Verbot von politischer Kommentierung, die als wertend verstanden werden könnte, vorsehen. Gerade im Wahljahr – 2024 sollen etwa EU-Wahl und Nationalratswahl stattfinden – wollen offensichtlich weder Türkis, noch Blau, noch Rote „Stimmungsmache“ seitens ORFler via Twitter – von Elons Musk in X umbenannt – lesen.
FPÖ-Chef Herbert Kickl kommt das freilich sehr entgegen. Aber auch Karl Nehammer dürfte sich von einigen ORF-Kollegen persönlich angegriffen fühlen.
Die geplante Einschränkung wird von ORF-Journalisten als „Maulkorb“ und „Einschüchterungsversuch“ gewertet. Immerhin würden bei Verstößen auch Disziplinarmaßnahmen drohen.
Ebenfalls im Visier des ORF-Stiftungsrates, wie Heinz Lederer oe24.TV sagte, sind die Nebenbeschäftigungen von ORF-Journalisten. Diese sollen weitgehend verboten werden.
Kickl will gegen ORF Wahlkampf machen
FPÖ-Chef Herbert Kickl reicht das allerdings nicht. Der Ober-Blaue will im Wahlkampf schließlich Stimmung gegen den ORF machen. Zum einen will er die verpflichtende ORF-Haushaltsabgabe – die ab 1. Jänner 2024 zu zahlen ist – kippen. Zum anderen möchte er gegen Armin Wolf und Co Kampagnen fahren, die man etwa aus den USA von Donald Trump gegen dortige Journalisten kennt. Wie auch immer. Der Kampf um den ORF ist jedenfalls eröffnet. Denn auch in der ÖVP regt sich hinter den Kulissen zunehmend Widerstand gegen die – freilich von der türkis-grünen Regierung sebst beschlossenen – ORF-Haushaltsabgabe.
Die Türkisen fürchten, dass „uns das im Wahlkampf am Schädel fallen könnte. Und was haben wir davon? Die Mehrheit der ORFler berichtet gegen uns und für die Linken“, behauptet etwa ein ÖVP-Stratege.
„Viel mehr Vorsicht nötig“.
Der Druck auf ORF-Generaldirektor Roland Weißmann wird jedenfalls erhöht. Zuletzt griffen VP-ORF-Stiftungsräte – wie berichtet – Weißmann wegen einer ORF-Disskussionsrunde im Kulturmontag an. „Ab jetzt muss noch viel mehr auf Ausgewogenheit bei der Besetzung der ORF-Runden geachtet werden“, sagt ein Führungsmitglied des Öffentlich-Rechtlichen.
Die ÖVP drängt offensichtlich auf eine Umkrempelung der ORF-Informations-Talks.
Erste Entscheidung über Polit-Aus im ORF
Aber: Am 26. September tagt der Verfassungsgerichtshof wegen des Verdachts, der ORF-Stiftungsrat und Publikumsrat – so der formale Vorwurf des Landes Burgenland beim Gericht – werde nicht Regierungsfern besetzt.
Die Entscheidung könnte noch in diesem Jahr fallen und die Welt im ORF tatsächlich auf den Kopf stellen.
Dann nämlich, wenn der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde geben würde und damit auch das ORF-Gesetz und die gesamte Geschäftsführung sowie Stiftungsrat des ORF kippen müsste. Die türkis-grüne Regierung müsste sich mitten im Nationalratswahlkampf auf ein neues ORF-Gesetz einigen. Bis auf die Neos will freilich keine Partei eine wirkliche Entparteipolitisierung des Aufsichtsratsgremiums der bedeutenden Medienorgels des Landes. Ob der Polit-Kampf um die Kontrolle im ORF erstmals schief geht?