ÖSTERREICH: Herr Bundespräsident, wie sieht die Bilanz
Ihrer Wiederwahl aus? Zufrieden? Heinz Fischer:
Ich denke, ein Wahlergebnis von mehr als 79 Prozent ist eindrucksvoll
und eindeutig. Ich habe Gratulationen von Obama bis Medwedew, vom
Papst bis zum saudiarabischen König bekommen und natürlich von sehr,
sehr vielen Österreicherinnen und Österreichern. Auch viele
herzerfreuende Briefe. So sehr im Wahlkampf auch viele kritische und
angriffige Briefe gekommen sind, so sehr war es nach der Wahl
unglaublich, wie positiv die Reaktionen waren. Natürlich fühlt man
sich bestätigt, und ich glaube, ich bin gut vorbereitet auf die
nächsten sechs Jahre. Auch mental und auch, was die Kondition betrifft.
ÖSTERREICH:
Sie haben angekündigt, nach der Wiederwahl eine Diskussion über die
Reform der Amtszeit anzuregen … Fischer: Mein
Vorschlag liegt auf dem Tisch. Ich halte die Idee, die Amtszeit auf
eine Periode zu beschränken, aber diese auf acht Jahre zu verlängern,
nach wie vor für einen tauglichen Vorschlag, aber ich finde, das ist
kein Muss. Der Anstoß ist gegeben, es betrifft den nächsten
„Wiederwahltermin“, also das Jahr 2022, und der Nationalrat möge
entscheiden.
ÖSTERREICH: Sie haben sich auch
für ein Überdenken des Habsburgergesetzes ausgesprochen? Fischer:
Ich glaube, dass im zehnten Jahrzehnt nach dem Ende der Monarchie und
nach Ausrufung der Republik die Zeit für eine gesetzliche Regelung
reif ist, wonach jeder, der in Österreich Bundeskanzler werden kann,
auch Bundespräsident werden darf. Aber auch das kann man ohne Eile
beraten und beschließen.
ÖSTERREICH: Aber
das brauchen wir bis 2016 … Fischer: Ja, das kann
2016 aktuell werden. Ich glaube, dass ein solcher Beschluss nach
Abklärung, dass das keine vermögensrechtlichen Folgen für die Republik
hat, zustande kommen wird.
ÖSTERREICH: Noch
etwas, das Sie sich für Ihre zweite Amtszeit vorgenommen haben: Eine
offene Wunde ist die Frage der Ortstafeln. Jetzt weiß ich, dass Sie
nicht das Bundesheer nach Kärnten schicken können, obwohl Sie
Oberbefehlshaber sind. Welche Möglichkeiten haben Sie da noch? Fischer:
Es stimmt, das ist eine offene Wunde. Ich bin aber optimistisch, dass
die Zeit für eine vernünftige Lösung arbeitet. Die Sache darf nicht
ungelöst bleiben. Alle Seiten haben einen Vorteil, wenn dieses Problem
ordentlich gelöst wird. Den größten Vorteil hat das Land Kärnten, und
ich glaube, dass sich die Kärntnerinnen und Kärntner auch nicht mehr
fürchten – weder vor Slowenien noch vor Ortstafeln oder sonstigem
Ungemach. Ich bin zuversichtlicher als noch vor einem halben Jahr,
dass wir da auf einen grünen Zweig kommen.
ÖSTERREICH:
Der Kärntner Landeshauptmann sieht das auch so? Fischer:
Ich bin überzeugt, dass alle Gewinner wären und es keine Verlierer
gäbe. Auch für Kärnten wäre das vorteilhaft.
ÖSTERREICH:
Welche Initiative planen Sie da konkret? Fischer:
Lassen S’ mir doch noch ein bisserl Zeit …
ÖSTERREICH:
Wir sind ohnmächtig mit einer der größten Umweltkatastrophen aller
Zeiten konfrontiert. Können Sie der Forderung „Los vom Öl!“ etwas
abgewinnen? Fischer: Die Botschaft muss lauten: Gegen
den Klimawandel, der durch viel zu hohe Emissionen angetrieben wird,
muss die ganze Menschheitsfamilie mit aller Kraft ankämpfen. Das
heißt, wir müssen unsere Energiepolitik ändern, jene Energiequellen,
die schädliche Emissionen zur Folge haben, weniger nutzen und unseren
Lebensstil ändern …
ÖSTERREICH: Das
hören wir schon lange … Fischer: Ja,
Menschen werden in vielen Fällen leider erst durch Schaden klug.
Dieses Umdenken, diese Umstellung ist unglaublich schwierig, denn wenn
der Schaden des Klimawandels erst einmal richtig spürbar wird, ist es
schon fünf nach zwölf. Ich war vor einer Woche im Nationalpark Hohe
Tauern im Glocknergebiet und habe mir die Veränderungen am Gletscher
und an der Vegetation angeschaut – es ist alarmierend!
ÖSTERREICH:
Welchen Beitrag kann Österreich leisten? Fischer:
Zum Beispiel, indem wir unsere Verpflichtungen aus dem Kyotovertrag
einhalten und dem Klimaschutz dienende Investitionen forcieren. Ich
wünsche dem Umweltminister viele Verbündete, und die ganze Regierung
muss sich bemühen. Da kann man nicht einen Minister alleine lassen.
ÖSTERREICH:
Steht Minister Berlakovich allein da? Fischer:
Fragen Sie ihn selbst. Menschlich wird er sicherlich nicht alleine
gelassen, aber all das, was in Sachen Klimaschutz bewegt werden muss,
reicht über die Kompetenzen eines Ministers hinaus. Da müssen alle
mitdenken und mithelfen.
ÖSTERREICH: Zur
Krise: Welche Form, die Banken in die Verantwortung miteinzubeziehen,
ist Ihnen am sympathischsten? Fischer: Die
Finanztransaktionssteuer ist wichtig, ich würde sogar sagen, sie ist
unverzichtbar. Ich nehme an, sie wird kommen.
ÖSTERREICH:
Neue Steuern werden zur Schuldentilgung nicht reichen, wir müssen
auch sparen. Wo ist das noch möglich? Fischer: Der
Rechnungshof hat viele vernünftige Vorschläge gemacht. Soziale
Symmetrie und Gerechtigkeit müssen jedenfalls berücksichtigt werden.
ÖSTERREICH:
Mir fiele da gleich die Verwaltung ein. Fischer: Ja
sicher, die Verwaltungsreform könnte zu einer echten Sparquelle
werden, vorausgesetzt, dass dieses Thema zwischen den
Gebietskörperschaften nicht als Machtfrage und Prestigefrage gesehen
wird.
ÖSTERREICH: Im Falle Arigona Zogaj haben
Sie sich für eine menschliche Lösung ausgesprochen. Die scheint in
weiter Ferne. Fischer: Das ist eine sehr traurige
Geschichte, bei der sehr viel falsch gelaufen ist. Jetzt liegt das
Erkenntnis des Höchstgerichts vor, und das ist zu respektieren. Ich
möchte die Möglichkeit einer Wiedereinreise nach einer freiwilligen
Ausreise gar nicht kommentieren, weil die unendlich vielen Kommentare
und dieses enorme Mediengewitter, das über diese junge Frau fast
täglich niedergeht, auch Teil des Problems sind. Aber die Frau
Bundesministerin hat sich ja in Ihrer Zeitung über die Denkvariante
einer legalen Einreise zu einem späteren Zeitpunkt geäußert.
ÖSTERREICH:
Ist in dieser Geschichte ein Happy End noch denkmöglich? Fischer:
Kommt darauf an, was Sie unter einem Happy End verstehen. Man kann die
Zeit nicht mehr zurückdrehen und das, was passiert ist, leider nicht
mehr ungeschehen machen. Und es ist sehr viel Unerfreuliches passiert.
ÖSTERREICH:
Sie haben sich die Hebung der politischen Kultur vorgenommen.
Schwant Ihnen vor der Wiener Wahl Übles? Fischer:
Dass das eine harte Auseinandersetzung wird, muss man
realistischerweise annehmen. Aber wenn mehrere, die Medien, politische
Akteure, auch der Bundespräsident, darauf hinweisen, dass jemand, der
Foul spielt, sich im politischen Wettbewerb schadet, halte ich das für
erstrebenswert.
ÖSTERREICH: Nehmen Sie sich
Strache zur Seite? Fischer: Weiß ich nicht, und ich
hielte es auch nicht für sinnvoll, das prophylaktisch öffentlich
anzukündigen. Ein Schiedsrichter wachelt ja auch nicht schon vor dem
Anpfiff mit der gelben oder roten Karte.
ÖSTERREICH:
Apropos: Wer wird Weltmeister? Fischer: Ich habe zu
Beginn auf Spanien getippt, und ich bleibe dabei, auch wenn Spanien
bisher nicht in jedem Spiel weltmeisterlich agiert hat. Es ist eine
attraktive, interessante und ungemein begabte Mannschaft, die noch
steigerungsfähig sein sollte.
Interview: Werner Schima
|