In der Debatte um das Krankenkassensanierungspaket ist SPÖ-Gesundheitsminister Stöger langsam echt sauer auf seinen ÖVP-Regierungskollegen.
SPÖ-Gesundheitsminister Alois Stöger bleibt dabei, dass das Kassenpaket der Sozialversicherung ausreichend ist, um die von der Regierung in Aussicht gestellten Mittel freizugeben. ÖVP-Finanzminister Josef Pröll hatte davor wieder Einwände gegen das zwischen Kassen und Ärzten akkordierte Papier vorgebracht.
Man solle nicht mit der Gesundheit der Menschen spekulieren und ohne selbst einen Beitrag zu leisten, die positiven Arbeiten, die begonnen wurden, zerstören, ärgert sich nun Stöger.
Pröll "hatte keine Lust"
Der Ressortchef verwies
darauf, Pröll eingeladen zu haben, an einer Besprechung teilzunehmen, in der
die Hauptverbandschefs wie Hans-Jörg Schelling und Josef Kandlhofer das
Papier erläutert hätten: "Dazu hat der Herr Vizekanzler keine Lust gehabt.
Das Papier wäre Pröll schon fünf Mal erklärt worden, wenn er es nur gewollt
hätte." Nur von der Oberfläche her Njet zu sagen, gehe nicht.
Kassen sollen Geld bekommen
Dass die Gelder an die Kassen fließen
sollen, liegt für den Minister auf der Hand. Einerseits habe man ein
ambitioniertes Paket aufgestellt, und andererseits sei es für das
Finanzministerium an der Zeit zu erkennen, dass den Versicherten in den
vergangenen Jahren Mittel entzogen worden seien, was nun Gegen-Maßnahmen
bedürfe.
"Spitzenfunjktionäre haben eine Ahnung"
Stöger
verwies zudem ein weiteres Mal darauf, dass das Sanierungspapier durchaus
auch von prominenten Vertretern der ÖVP getragen werde: "Das sind
Spitzenfunktionäre der Wirtschaftskammer, die im Wirtschaftsleben eine
Ahnung haben."
935 Millionen fehlen
Anlass für Stögers unüblich deftige Worte
war das erneute Nein des Finanzministeriums zum vorliegenden Kassenpaket.
Hauptkritikpunkt des Ressorts: Das Sparpapier der Sozialversicherung ist
nicht verbindlich genug, und es fehlen gleich 935 Millionen gegenüber dem
vom Hauptverband selbst definierten Konsolidierungsbetrag. Dass die
Krankenkassen Leistungen wie ihren Pauschalbeitrag für die
Gesundheitsagentur oder die Kosten für die medizinische Rehab wie verlangt
ersetzt bekommen, wird vom Ressort in einer Analyse des Papiers bezweifelt.
Millionenschwere Diskrepanz
Finanzminister Pröll verwies darauf,
bereits 600 Millionen aus dem Budget als Soforthilfe in Aussicht gestellt zu
haben. Nun müsse aber die Kostenbremse nachvollziehbar und verbindlich sein.
So finde man im Paket z.B. für die Jahre 2010 bis 2013 nur ein
Einsparungspotenzial von 1,7 Milliarden statt der vom Hauptverband im selben
Papier definierten 2,6 Milliarden.
Versicherungsfremde Leistungen
Den Rest will sich die
Sozialversicherung über die Abgeltung versicherungsfremder Leistungen holen
wie etwa den Pauschalbetrag für die Gesundheitsagentur, der immerhin gut
eine Viertel Milliarde an Entlastung für die Krankenkassen brächte. Argument
der Kassen: Ihnen seien in den letzten Jahren Beiträge entzogen und neue
Aufgaben überantwortet worden, die eigentlich nicht in ihre Kompetenz
fielen. Das müsse nun abgegolten werden.
Höhere Beiträge
Rechnungen dieser Art werden im
Finanzministerium zurückgewiesen. Zwar wird nicht bestritten, dass den
Kassen durch Maßnahmen wie die Deckelung der Krankenversicherungsbeiträge,
eine Unterdeckung beim Wochengeld oder ein unvollständiger
Mehrwertsteuerausgleich gesamt 590 bis 595 Millionen verloren gegangen sein
könnten. Jedoch wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass im selben
Zeitraum gesetzte Maßnahmen wie die Erhöhung der Beiträge sowie der
einheitliche Beitragssatz für Arbeiter und Angestellte den Trägern auch etwa
562 Millionen gebracht hätten, also fast ein Nullsummenspiel.
Verwaltung und Personal
Statt hier nur nach Geld zu rufen, sollte
die Sozialversicherung nach Meinung des Finanzministeriums lieber im eigenen
Bereich schauen, ob es nicht weiteres Einsparungspotenzial gebe, etwa in der
Verwaltung. Aufgeworfen wird beispielsweise die Frage, ob es tatsächlich
neun Gehaltsverrechnungen bei neun GKKs brauche und ob die Ausgaben für die
IT mit 270 Millionen Euro nicht ein wenig hoch seien. Verwiesen wird ferner
auf das Dienstrecht der Sozialversicherung, das das Beste aus
Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst zusammenführe. An einen
Aufnahmestopp wie im öffentlichen Dienst werde gar nicht gedacht.
Nur Ideen - Keine Zusagen
Was das Finanzressort zusätzlich stört
ist, dass die Vorschläge der Kassen zwar in der Tendenz gut seien, jedoch
vieles nur Absichtserklärung sei. So fehle etwa eine verbindliche Zusage der
Ärzte, dass sie zum vom Hauptverband angegebenen Einsparungspotenzial
stünden.
"Stöger soll Ärmel aufkrempeln"
Gefordert
sieht Pröll nun den Gesundheitsminister. Er nehme Stöger und die Kassen beim
Wort. Das Papier des Hauptverbandes biete eine "wirklich gute Grundlage", es
fehle jedoch an Verbindlichkeit und manchenorts an der nötigen Klarheit.
Daher erwarte er von Stöger, rasch die Ärmel aufzukremplen und die Dinge
anzupacken, eine Lösung sei möglich.
Deadline Mitte September
Die Zeit drängt freilich - bis zur
Regierungsklausur Mitte September soll eine Einigung in der Koalition
stehen. Gibt der Finanzminister kein Grünes Licht, können die Mittel zur
Entschuldung (in einer ersten Etappe 150 Millionen) sowie aus dem
Strukturfonds (100 Millionen) nicht fließen. Bei letzterem Punkt bleibt man
im Finanzressort übrigens dabei, dass diese 100 Millionen kein Selbstläufer
seien und nicht jedes Jahr automatisch in der gleichen Höhe fließen werden,
wie sich das die Sozialversicherung vorstellt.
Dass das Finanzministerium heuer besonders genau hinsieht, wundert wenig. Denn im Sozialbereich steigen die Ausgaben nicht nur wegen des Anstiegs der Arbeitslosigkeit beträchtlich. Alleine die explodierenden Zahlen bei der Hacklerregelung sorgen für Budgetnöte. Um diese begünstigte Pensionsmöglichkeit haben heuer bis Jahresmitte schon fast gleich viele Leute angesucht wie im gesamten vergangenen Jahr.