ÖVP hat in NÖ die Mindestsicherung gekürzt – das Aus für eine einheitliche Regelung?
Oberösterreich war im Sommer vorgeprescht – jetzt hat es auch Niederösterreich getan. ÖVP und FPÖ beschlossen im Landtag massive Kürzungen bei der Mindestsicherung. Das richtet sich vor allem gegen Flüchtlinge, die nach Asylgewährung nach und nach in die frühere Sozialhilfe hineinrutschen.
Landeshauptmann Erwin Pröll will den Beschluss aber nicht als Ende der Diskussion um eine österreichweite Lösung sehen. In ÖSTERREICH macht er der SPÖ ein Friedensangebot: Die Regelung gelte ab Jänner 2017 – man könne aber weiterverhandeln. Das wollen übrigens auch andere Landeschefs wie der Steirer Hermann Schützenhöfer.
Tatsächlich wurde tief in die Sozialhilfe geschnitten:
- Deckel von 1.500 Euro: Die Mindestsicherung wird pro Haushalt mit 1.500 Euro begrenzt. Von diesem Betrag müssen Betroffene auch ihre Aufwendung für Wohnkosten decken. Ausnahmen gibt es nur für Personen, die Pflegegeld oder auch eine erhöhte Familienbeihilfe beziehen. Oder die dauerhaft arbeitsunfähig sind.
Bald kein Wohnzuschuss mehr für Flüchtlinge
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Mindestsicherung light: Sie kommt für jene Personen, die in den letzten sechs Jahren weniger als fünf Jahre ihren Hauptwohnsitz in Österreich hatten – ein Flüchtlingsparagraf also. Die Höhe liegt hier für eine erwachsene Person bei 572,50 Euro – alle anderen haben knapp 840 Euro. Darin enthalten: ein „Integrationsbonus“. „Light“-Bezieher werden verpflichtet, Deutsch- oder Wertekurse zu absolvieren. Bei einer Verweigerung wird nochmals gekürzt.
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Wohnzuschuss: Flüchtlinge kommen auch schwerer an die Wohnbauförderung: Den nö. Wohnzuschuss bekommen ebenfalls nur jene, die fünf Jahre im Land sind.
Pröll begründet die Kürzungen so: „Wer jeden Tag um fünf Uhr früh aufsteht, um zur Arbeit zu fahren, und am Abend erst wieder zurückkommt, darf nicht der Dumme sein.“
Landeshauptmann gegen Sozialminister: "Österreich-Lösung ist an Stöger gescheitert"
ÖSTERREICH: Niederösterreich ist einen eigenen Weg bei der Mindestsicherung gegangen. Ist die Tür für eine einheitliche Lösung damit zugeschlagen?
Erwin Pröll: Die Tür ist von uns nicht zugeschlagen, im Gegenteil. Es hat zuletzt von Seiten des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemeinsam mit mir und dem Wiener Bürgermeister noch Anstrengungen für eine österreichweite Lösung gegeben. Mich hat dann der Kanzler vorige Woche angerufen und gesagt, dass er keinen Weg sieht. Es lag wohl daran, dass der Sozialminister viel zu lax gearbeitet hat.
ÖSTERREICH: Es ist also am Sozialminister gescheitert?
Pröll: Man kann das auf einen so einfachen Nenner reduzieren.
ÖSTERREICH: Hat der Kanzler den Stöger nicht im Griff?
Pröll: SP-interne Vorgänge und Strömungen kann und will ich nicht beleuchten.
ÖSTERREiCH: Aber Sie geben die Hoffnung auf eine bundesweite Lösung nicht auf.
Pröll: Nein, aber jetzt haben wir einmal die nö. Lösung beschlossen, die ab
1. 1. 2017 gilt. Wir brauchen in diesem Land soziale Gerechtigkeit. Für mich war immer klar: Wer um 5 Uhr früh aufsteht, um zur Arbeit zu fahren, und am Abend erst wieder zurückkommt, darf nicht der Dumme gegenüber dem sein, der nicht arbeitet und vom sozialen Einkommen lebt.
ÖSTERREICH: Können Sie es mit Ihrer Freundschaft zu Michael Häupl vereinbaren, dass der Druck auf Wien jetzt zunehmen wird?
Pröll: Warum? Wien hat dieselbe Möglichkeit wie NÖ. Ich habe sogar in ÖSTERREICH gelesen, dass Frau Stadträtin Wehsely überlegt, dem Modell NÖ näherzutreten. Wenn sie das tut, ist der Druck auf Wien weg.
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zur Kritik der NGOs?
Pröll: Die NGOs sollen nicht reden, sondern handeln. Die arbeiten alle aus der Loge und gehen absolut kein Risiko ein. Das Entscheidende heute ist, Probleme nicht nur zu benennen, sondern sie auch zu lösen. Das ist der Unterschied zwischen denen, die in der Politik Verantwortung übernehmen, und jenen, die nur auf der populistischen Welle schwimmen.
ÖSTERREICH: Täuscht der Eindruck oder gibt es wieder mehr Harmonie in der Arbeit der Bundesregierung?
Pröll: Ich habe den Eindruck, dass sich die Regierung sehr bemüht. Nach meiner Analyse hat es innerhalb der SPÖ einen starken Linksruck gegeben, und meine Erfahrung sagt mir, dass überall dort, wo die Tagespolitik von ideologischen Positionen überfrachtet ist, gemeinsame Lösungen erschwert werden.
ÖSTERREICH: Schaut es weniger nach Neuwahlen aus als noch vor wenigen Wochen?
Pröll: Das war für mich immer eine theoretische und abgehobene Diskussion. Wer sollte Interesse an Neuwahlen haben? Es gibt keine Anzeichen dafür, dass irgendeiner der beiden Partner besonders erfolgreich sein könnte.
ÖSTERREICH: Würden Sie wetten, dass Ihr Freund Michael Häupl noch lange Wiener Bürgermeister bleibt?
Pröll: Ein einziges Mal habe ich gewettet, nämlich darauf, dass ich nicht als Bundespräsident kandidieren werde. Diese Wette haben einige verloren, sonst wette ich nicht. Ich kenne Michael Häupl als politischen Pragmatiker, der auch schwierige Situationen entsprechend meistern kann. Ich habe nur bei unserem letzten Zusammentreffen gedacht, dass wir über Jahrzehnte eine tragfähige Partnerschaft haben, die in der Ostregion viel zusammengebracht hat.
ÖSTERREICH: Und diese Partnerschaft wird’s noch lange geben, weil Sie ja 2018 auch noch einmal antreten …
Pröll (lacht): Das entscheidet sich nicht jetzt in diesem Gespräch.
ÖSTERREICH: Wann?
Pröll: Zeitgerecht vor der Wahl im Frühjahr 2018.
ÖSTERREICH: Anfang 2017?
Pröll: Ich habe keine Deadline. Das hängt von einer Reihe interner und persönlicher Überlegungen ab. Denn da geht es um kluges Vorgehen.