Er bezeichnet sich als „Rossnatur“. Donnerstag lag Josef Pröll noch mit Grippe im Bett, Freitag startete er ein Mammutprogramm - mit einem ÖSTERREICH-Interview.
Das Interview mit Josef Pröll war eine Zitterpartie. Donnerstag sagte Pröll
ab: „Ich liege mit schwerer Grippe im Bett!“ Ausgerechnet der
Kanzler - der selbst eine Grippe verschleppte - hatte seinen Vize im
Ministerrat angesteckt.Freitag früh läutete schon um 7.30 Uhr das Telefon:
„Ich bin wieder fit – wir machen das Interview um 10 im Marriott!“ Direkt
vom Krankenbett startete Pröll Freitag einen seiner bei den Mitarbeitern
gefürchteten Marathon-Tage:
- 8.00 Uhr: Frühstück mit dem
IWF-Chef.
- 9.30 Uhr: Pressekonferenz zur Finanzkrise.
- 10.30 Uhr:
Interview mit ÖSTERREICH.
- 11.30 Uhr: Eine Stunde ins Büro – das
Land regieren.
- 12.30 Uhr: Fahrt nach Salzburg mit Dutzenden
Telefonaten und Akten.
- 16.00 Uhr: EU-Wahlkampf-Auftakt in Salzburg bis
weit nach 22 Uhr.
- 1.00 Uhr: Zurück in Wien mit Fieber, Kopfweh.
Die Rossnatur Pröll hat derzeit den härtesten Job im Land. Josef Pröll hat sich drei Jobs gleichzeitig aufgehalst: Finanzminister mitten in der brutalsten Finanzkrise, Vizekanzler einer Großen Koalition und VP-Obmann. Während seine persönlichen Sympathiewerte durch den harten Budget-Sparkurs und die Krise im Sinken sind - legt die ÖVP unter seiner Führung immer weiter zu. Erstmals seit Beginn der Großen Koalition liegt die ÖVP in dieser Woche mit der SPÖ wieder Kopf an Kopf. Im Rennen um die EU-Wahl steht es in allen Umfragen 30 : 30. Josef Pröll hat am 7. Juni die Chance, als Zweiter der Koalition Erster bei der bundesweiten EU-Wahl zu werden. Das würde der ÖVP enormen Auftrieb geben - und den anfangs umstrittenen Pröll junior zum schwarzen Star machen.
Pröll persönlich könnte noch von einer weiteren Entwicklung profitieren. Immer mehr Experten sagen ein Ende der Wirtschaftskrise noch für dieses Jahr voraus. Pröll selbst schließt sich im Interview diesem Optimismus schon an: „Im 4. Quartal haben wir wieder ein Wirtschafts-Wachstum!“
ÖSTERREICH: Herr Vizekanzler, Sie sind so wie unsere Wirtschaft schwer vergrippt – hat Sie wirklich der Bundeskanzler im Ministerrat angesteckt? Josef PRÖLL: Ich hoffe nicht. Er hat bei unserem Treffen eigentlich einen recht gesunden Eindruck gemacht – aber plötzlich hatte ich Halsweh und irrsinniges Kopfweh ... ÖSTERREICH: Sie haben mir einmal in einem Interview gesagt, Sie werden nie krank. PRÖLL: Ich hab gesagt: Ich bin eine Rossnatur – das sehen Sie auch daran, dass ich die Grippe nach einem Tag überwunden habe ... ÖSTERREICH: Kommt die Ansteckung vom Kuschelkurs? PRÖLL: (lacht) Zwei Jahre lang waren wir die Streit-Koalition – jetzt arbeiten wir normal miteinander, schon sind wir die Kuschel-Regierung. Man kann es euch Journalisten nie recht machen. ÖSTERREICH: Würden Sie Werner Faymann nach sechs Monaten Regierung – trotz Grippe – als „Freund“ bezeichnen? PRÖLL: Also das würde zu weit gehen. Meine Freunde begleiten mich seit Schul- und Studienzeiten. Aber Werner Faymann ist einer, auf den man sich in der Politik verlassen kann. Wir sitzen gerne mal bei einem Glas Bier, reden die Dinge amikal aus. ÖSTERREICH: Würden Sie sagen, dass er ein guter Kanzler ist? PRÖLL: Er macht seinen Job ordentlich – so wie ich. Wir arbeiten positiv zusammen, aber es geht hinter den Kulissen schon deutlich härter zur Sache zwischen uns beiden, als man vielleicht glaubt. ÖSTERREICH: Sie waren Freitag bei einem Treffen mit dem Chef des Internationalen Währungsfonds, wo zur Wirtschaftskrise der bemerkenswerte Satz fiel: „The worst is behind us!“ Ist das auch Ihre Meinung? PRÖLL: Der Chef des IWF hat gesagt: Das Schlimmste liegt hinter uns! Und ich kann mich dem insofern anschließen, als wir jetzt eine klare Übersicht über alle Probleme haben – und damit die Chance, die Krise zu bewältigen. Wir waren die letzten Monate in dieser weltweiten Wirtschaftskrise mit sehr hohem Tempo in sehr dichtem Nebel unterwegs. Jetzt lichten sich die Nebel – und man sieht klar, wo es Probleme, Kurven und Schleudergefahr gibt – und wie man der Krise begegnen kann. Ich würde behaupten: Als Weltgemeinschaft USA–Europa haben wir die Krise jetzt im Griff. Und ich glaube sogar, dass wir um die Jahreswende wieder das erste zarte Wachstum sehen könnten. ÖSTERREICH: Das heißt: Mit Jahresende ist die Krise vorbei? PRÖLL: Um den Jahreswechsel gibt es Licht am Ende des Tunnels. Ich glaube, wir werden schon im 4. Quartal 2009 oder spätestens im 1. Quartal des nächsten Jahres wieder das erste Wachstum in der Wirtschaft sehen. ÖSTERREICH: Wenn Sie sagen: Die Nebel lichten sich – was sehen Sie dann? PRÖLL: Zunächst einmal sehen wir, dass wir instinktiv richtig gehandelt haben – dass es absolut richtig war, das Konjunkturpaket und vor allem das Banken-Hilfspaket auf den Weg zu bringen. Wir haben rechtzeitig gegengesteuert. ÖSTERREICH: Wie kann man die Wirtschaftskrise jetzt in den Griff bekommen? PRÖLL: Das geht ausschließlich über die Stabilisierung der Finanzmärkte, des Geldkreislaufs. Das Funktionieren der Banken wird über Wohl und Wehe der Gesamtwirtschaft und damit auch über die Arbeitslosenzahlen entscheiden. ÖSTERREICH: Die Wirtschaftskrise ist eine reine Bankenkrise? PRÖLL: Sie wurde mit irrwitzigen Finanzprodukten von den Banken ausgelöst. Es ist eine Krise, die zunächst durch das übermäßige Schuldenmachen in den USA entstanden ist. Nach dem Motto: Jedem Amerikaner sein Eigenheim – da wurden Milliardenkredite ohne Rücksicht auf Bonität vergeben, die uneinbringlich waren. Dann hat man diese Kredite in irrwitzige Finanzprodukte verpackt, um sie außer Landes zu schaffen, und dadurch eine riesige Blase geschaffen, die niemand mehr übersehen konnte und die deshalb explodiert ist. Dann kam der schwere Fehler, dass man ein wichtiges Geldinstitut wie Lehman Brothers in den Konkurs gehen ließ. Heute wissen wir, dass wir es uns in einer globalisierten Welt nicht leisten können, wichtige Banken in den Abgrund zu schicken. Das war eine wichtige Lehre. Deswegen ist ja unser Banken-Paket unverzichtbar. ÖSTERREICH: Parallel zur Finanzkrise in den USA gibt es ja auch die Krise unserer Banken in Osteuropa. Sehen Sie da auch schon Licht am Ende des Tunnels? PRÖLL: Absolut. Jetzt kristallisieren sich die Länder heraus, die Hilfe brauchen – und die bekommen Unterstützung. Das Risiko unserer Banken in Osteuropa hat sich minimiert. Die Wahrheit ist: Unsere Banken sind in 16 Ländern investiert, das Risiko ist breit gestreut. Nur ein kleiner Teil der insgesamt 200 Milliarden an Krediten ist gefährdet – und auch da besteht weniger Gefahr, wenn die Wirtschaft im zweiten Halbjahr wieder anspringt. Es ist gut denkbar, dass Osteuropa bald wieder ein stärkeres Wachstum hat als der Westen und dass unsere Banken dann nach der Krise dort viel besser aufgestellt sind als alle anderen. ÖSTERREICH: Nobelpreisträger Krugman hat behauptet, Österreich wäre pleitegefährdet. PRÖLL: Hören Sie mir mit dem auf. Es gibt in dieser Krise zwei Menschen, von denen ich schwer enttäuscht bin: von Krugman und von Steinbrück. Krugman hat absurde Dinge behauptet, die alle Ökonomen korrigiert haben und für die sich der IWF jetzt entschuldigt hat. Das war purer Unsinn. Und der deutsche Finanzminister Steinbrück hat eine Wortwahl, die voll danebengeht. Unsere Banken haben kein übertriebenes Risiko in Osteuropa – ganz sicher nicht. Aber schauen Sie sich Deutschland an – die müssen jetzt Bad Banks einrichten. ÖSTERREICH: Wird es bei uns auch Bad Banks geben? PRÖLL: Wir brauchen sie nicht. Aber die Deutschen haben in Wahrheit Bank-Risiken in einer Höhe, die verglichen mit Österreich unglaublich sind. ÖSTERREICH: Gestern kam die Horrormeldung, dass unser Wirtschaftswachstum im 1. Quartal bei minus 3,6 % gelegen ist. Das heißt: Sie haben sich bei Ihrem Budget verrechnet. PRÖLL: Ich habe mich definitiv nicht verrechnet. Ich habe das Budget aufgrund der gültigen Prognosen im Februar mit minus 2,2 % Wachstum erstellt – alles andere wäre unseriös gewesen. Ich habe immer gesagt, dass wir das korrigieren müssen, wenn die Wirtschaft stärker kriselt – aber derzeit gibt es für eine Korrektur keinen Anlass. Wir sind mit dem Budget voll im Plan. Ich bin mir sicher, dass sich die Wirtschaft noch heuer erholen wird. ÖSTERREICH: Sie sind vom Sparefroh zum Defizit-Spender geworden, zum Schuldenmacher. PRÖLL: Das war in dieser Krise überlebensnotwendig. Aber sobald der Aufschwung da ist, wird dieses Defizit mit aller Kraft reduziert. ÖSTERREICH: Die SPÖ will die Reichen zur Kasse bitten. PRÖLL: Ich weigere mich, jetzt eine einzige Steuererhöhung auch nur zu diskutieren – nicht für Stiftungen, nicht für Vermögenszuwachs, schon gar nicht für Leistungsträger. Wer jetzt eine Debatte über Steuererhöhungen beginnt, der schädigt den Wirtschaftsstandort Österreich aufs Schwerste. Ich halte jede Steuererhöhungsdebatte in diesem Land für kontraproduktiv – das gefährdet den Aufschwung! ÖSTERREICH: Wann kommt die große Steuerreform? PRÖLL: Entschuldigung, wir haben gerade die größte Steuerreform seit Jahrzehnten gemacht – drei Milliarden Steuerentlastung, die gerade auf den Konten der Österreicher angekommen sind und die jetzt den Aufschwung ankurbeln. ÖSTERREICH: Ich dachte, das wäre nur der Anfang für eine wirklich große Steuerreform – Sie kassieren im Schnitt 48 % Abgaben pro Tausender! PRÖLL: Ich denke nicht daran, in dieser Krise eine Steuerdebatte zu führen. Für mich ist die Steuerreform durchgeführt – es ist die größte Steuerentlastung seit den Siebzigerjahren. ÖSTERREICH: Mehr Steuer-Entlastung kommt in dieser Regierungsperiode nicht mehr? PRÖLL: Mehr ist derzeit nicht leistbar. ÖSTERREICH: Dass die Reichen mehr für die Krise zahlen sollen ... PRÖLL: Das ist Unsinn. Die sogenannten Reichen zahlen jetzt schon enorm viel Steuer – das sind die Leistungsträger. Wir dürfen den Wirtschaftsstandort Österreich nicht kaputt machen. Jetzt geht’s um den Aufschwung. Und wir haben gute Chancen, dass der noch in diesem Jahr kommt. |