Kritik, ein Krimi & Intrigen
Was ist im Heeresgeschichtlichen Museum los?
04.11.2020Kriege gehören ins Museum: Dieses Motto des HGM wird aktuell hausintern recht aktiv gelebt. Der "INSIDER" sprach mit dem Direktor über verschwundene Schiele-Briefe und Sturmgewehre.
Der Prachtbau in Wien-Favoriten steht unter Beschuss: Das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) kam ins Visier der Rechnungshofprüfer, auf der Social-Media-Plattform Twitter feuerte auch der ORF-Journalist Armin Wolf gegen die Museums-Führung: „Das Heeresgeschichtliche Museum scheint ja ein ziemlicher Sauhaufen zu sein.“
Der INSIDER machte das, was eigentlich auch der ZiB 2- Moderator vor einer öffentlichen Schelte vor 421.000 Followern machen sollte – nämlich in der Direktion des Museums nachzufragen. Und Christian M. Ortner beantwortete gern alle Fragen.
„Harte Tage."
Blass und geschafft, wie wenn er zehn Sekunden zuvor selbst aus dem Schlachten-Gemälde „Batterie der Toten“ im Radetzky-Saal im ersten Stock des Museums gestiegen wäre, gesteht der HGM-Direktor: „Die letzten Tage waren tatsächlich hart. Sehr hart. Zur aktuellen Kritik des Rechnungshofs gibt’s aber einiges zu sagen.“
"Gestohlene" Schiele-Briefe vielleicht noch immer im Haus
Christian M. Ortner (51), der das Museum im Jahr 2007 übernommen hat, spricht gleich selbst den heftigsten Vorwurf des Rechnungshofs an, nämlich jenen, dass zwei Briefe des Malers Egon Schiele aus dem Museum verschwunden seien: „Ja, das stimmt so. Aber das dürfte bereits 1998 passiert sein.“
Ortners Erklärung: „Im Haus gab’s damals eine Ausstellung, nach dieser dürften die Stücke nicht korrekt zurückgereiht worden sein.“ Das heißt: Die Schiele-Briefe könnten noch immer irgendwo im zwei Millionen Schriftstücke umfassenden HGM-Archiv zu finden sein …
Trotzdem wurde Anzeige wegen Diebstahls erstattet. Die Chance, „Täter“ und „Beute“ zu finden, dürfte allerdings nicht sehr groß sein.
Auch beim zweiten massiven Vorwurf des Rechnungshofs dürfte der Fall selbst mit größter Anstrengung der Kripo nicht mehr zu klären sein: Drei demilitarisierte StG58-Sturmgewehre aus dem Besitz des HGM sind verschwunden, die das Museum 2017 für eine kleine Ausstellung in der Zehner-Kaserne in Ried im Innkreis verliehen hatte.
Mit diesen zwei Fällen veröffentlichte der Rechnungshof auch Vorwürfe zur Lagerung von Kriegsmaterial auf dem abgesperrten und bewachten Kasernen-Gelände (!) in Zwölfaxing und wegen möglicher Verstöße gegen Compliance-Regeln: Der Direktor hätte Orden, die von Mitarbeitern auf Flohmärkten gekauft worden sind, von diesen Kollegen angekauft.
Bei "Causa HGM" könnten auch politische Interessen mitspielen
Christian M. Ortner deutet an, warum der Rechnungshof jetzt, also viel früher als geplant, eine Prüfung des HGM durchgeführt hat: „Die Beamten sind schon mit einem ganzen Stapel anonymer Vorwürfe aufgetaucht.“
Eine Intrige gegen den erfolgreichen Direktor, der die Besucherzahlen von 60.000 (2007) auf 287.000 (2019) selbst mit einer Verringerung des Personalaufwands steigern konnte, ist tatsächlich nicht so unwahrscheinlich: Immerhin wollen einige Grüne die Ausrichtung des Heeres-Museums massiv verändern und auch mit wichtigen HGM-Ausstellungsstücken das recht unbekannte Haus der Geschichte am Heldenplatz aufwerten.
Übrigens hatte der Rechnungshof das Museum schon 2004 einmal im Viser: Damals rüffelten die Prüfer die damalige Museumsführung deshalb, weil 150.000 Ausstellungsstücke verschwunden seien. Die Kritik kam für das HGM nicht überraschend: In den Jahren 1938 bis 1955 hatten sich zuerst deutsche Besatzer und später auch russische Offiziere ziemlich viel „ausgeliehen“ …
Richard Schmitt