Mängel haarsträubend
Rechnungshof zerreißt Asfinag in Luft
06.08.2009
Dem Straßenbauer sind grobe Fehler unterlaufen: Die millionenteuren Verkehrsbeeinflussungsanlagen haben Unfall- und Klimakosten weit weniger reduziert als erwartet.
Der Rechnungshof zerreißt das Verkehrstelematikprogramm der Asfinag regelrecht in der Luft: Laut Prüfbericht wurden in die österreichweit errichteten Verkehrsbeeinflussungsanlagen teilweise nicht nachvollziehbare Erwartungen gesetzt und den Kosten-Nutzen-Untersuchungen teils grobe Fehler zugrunde gelegt. In manchen Fällen fehlten für die millionenschweren Anlagen solche Berechnungen gänzlich.
Ums 10-Fache geirrt
Weit daneben lag man teilweise bei
Einzelprojekten. So ging die Asfinag bei der Verkehrsbeeinflussungsanlage
Salzburg von falschen Zahlen aus: Statt einer Reduktion der Unfallkosten von
30,6 Millionen pro Jahr im Vergleich zum Jahr 2000 errechneten die Prüfer
lediglich 3,32 Mio. Euro Einsparung. Bei den Klimakosten waren es statt 44,7
Mio. Euro Reduktion nur 1,2 Mio. Euro pro Jahr.
Keine Kosten-Nutzen-Prüfung
Für die
Verkehrsbeeinflussungsanlagen Vorarlberg, Klagenfurt/Villach und Linz sowie
für die flächendeckende Verkehrsdatenerfassung, deren Schätzkosten im Jahr
2003 mit insgesamt rd. 58,50 Mio. rund 30 Prozent des geplanten
Ausbauprogramms von rund 194 Mio. Euro betrugen, lagen zum Zeitpunkt der
Entscheidung des Aufsichtsrats keine Kosten-Nutzen-Untersuchungen vor.
Anlage unrentabel
Deutliche Zielabweichungen sah der
Rechnungshof auch bei der Anlage in Tirol: Während die Asfinag in ihren
Berechnungen von einem Nutzen-Kosten-Faktor von 3,37 ausging
(Investitionssumme versus Kostenersparnis durch weniger Unfälle etc.),
errechnete der Rechnungshof nur einen Faktor von 0,53. Damit sei die Anlage
als unrentabel zu bewerten, so die Prüfer.
Bauen ohne Zulassung
Eine "Multifunktionale Lärmschutzanlage"
bei Weibern mit Errichtungskosten von 1,96 Mio. Euro wurde Mitte 2008 wieder
abgebaut, ohne jemals in Echtbetrieb gegangen zu sein. Der Grund: Das
geplante Überwachungssystem für mit überhöhter Geschwindigkeit fahrende Lkw
war bis dahin nicht zugelassen.
Herkunft der Daten mysteriös
Hinsichtlich der Reduktion der
Unfallzahlen, dem wichtigsten Kostenfaktor, ließ sich für den RH nicht
nachvollziehen, wie die erhofften Einsparungen zustande kommen hätten
sollen: In den ursprünglichen Konzepten für die Telematikanlagen wurden
gerade dahingehend große Erwartungen gehegt. Die Asfinag berief sich damals
auf Erfahrungen im Ausland, so sei die Anzahl der Verkehrsunfälle bei 15
untersuchten Projekten im europäischen Raum im Mittel um rd. 35 Prozent,
jene mit Personenschäden um rd. 31 Prozent und die Anzahl der Verletzten um
rd. 30 Prozent zurückgegangen.
Woher diese Annahmen stammten, ließ sich später nicht mehr eruieren. Als der Rechnungshof im April 2008 anfragte, welche Untersuchung diesen Zahlen zugrunde läge, teilte die Asfinag mit, dass es nicht mehr möglich sei, dies genau zu bestimmen.
Kosten explodierten
Die veranschlagten Gesamtkosten für die
Asfinag-Telematikprojekte explodierten: Im Entwurf des Projektauftrags vom
Dezember 2002 war von rund 175 Millionen Euro die Rede. Nachdem die
Kostenschätzung Ende 2003 auf 228,25 Mio. Euro angestiegen war, wurde der
Asfinag-Aufsichtsrat skeptisch und setzte einen Projektausschuss ein.
Trotzdem stiegen die Kosten weiter: Die Kostenschätzung Ende 2004 war um
ganze 85 Prozent auf 359,53 Mio. Euro angewachsen. Ende 2007 beliefen sich
die Schätzkosten auf 365,25 Mio. Euro. Für den Rechnungshof ein Indiz für
"unausgereifte Planungen".
Wo waren Nutzeffekte?
Die im Frühsommer 2004 erstellte Auflistung
der zu erwartenden betriebswirtschaftlichen Nutzeffekte zieht der RH in
Zweifel. Die Berechnung Verkehrstelematik GmbH. sah bis zum Jahr 2015
Nutzeneffekte von insgesamt 83,5 Mio. Euro vor, für die Prüfer "eine überaus
optimistische Schätzung von Einnahmen und Einsparungspotenzialen". Mit den
erwarteten Geldern sollten nicht nur die Betriebskosten des
Telematik-Projekts in Höhe von 24,5 Mio. Euro, sondern auch die Kosten für
Instandhaltung und Energie des Gesamtsystems in Höhe von rund 30 Mio. Euro
abgedeckt werden. Allerdings: Evaluierungen der erwarteten Mehreinnahmen und
Einsparungen erfolgten nicht, kritisierte der Rechnungshof. "Der RH gewann
vielmehr den Eindruck, dass dem Aufsichtsrat dadurch die Entscheidung über
die stark erhöhten Investitionen in die Einrichtungen der Verkehrstelematik
erleichtert werden sollte", heißt es im Prüfbericht.
Kritik am Geschäftsführer
Kritik übten die Prüfer auch
am Geschäftsführer der Abteilung Verkehrstelematik: Dieser habe 2007 ein
Jahreseinkommen bezogen das um rund 29 Prozent über dem höchsten Fixbezug
des Bundesschemas für leitende Bundesbeamte lag. Erwähnenswert auch sein
Dienstwagen: Ihm stand ein Pkw der gehobenen Mittelklasse zur kostenlosen
dienstlichen und privaten Benützung zur Verfügung. Und: Er verkaufte im
Jänner 2005 der Asfinag Verkehrstelematik GmbH seinen privaten Pkw um 30.000
Euro. Den Vertrag unterzeichnete er sowohl als Verkäufer als auch als
Käufer, für den RH ein "In-Sich-Geschäft". Darüber hinaus habe er über eine
- aus der Sicht der Kontrolle problematische - Einzelzeichnungsbefugnis für
die Geschäftskonten bei einer Kreditunternehmung verfügt und seine
Bonifikation 2007 wurde ausbezahlt, ohne die Zielerreichung zu evaluieren.
Zwischen 2005 und 2007 verdoppelte sich der Personalaufwand der Asfinag Verkehrstelematik GmbH nahezu. Die Kosten stiegen von 1,85 Mio. auf 3,61 Mio. Euro.
Fertiggestellt sind immer noch nicht alle Anlagen: Ursprünglich sollten 2008 alle vorgesehenen Gerätschaften angebracht sein. Bis Anfang Juli des Vorjahres waren allerdings erst drei der ursprünglich sieben Anlagen teilweise in Betrieb, so der RH: "Im Juni 2008 entschied der Vorstand, die weitere Errichtung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen zu unterbrechen." Im Zuge der Umstrukturierung der Asfinag im Frühjahr 2008 wurde die Verkehrstelematik GmbH rückwirkend mit 31. Dezember 2007 aufgelöst.