Die Verschiebung der Budgetrede von 20. Oktober auf 9. Dezember ist für Experten „glatter Verfassungsbruch“. Die Opposition schäumt.
Der Brief an die „sehr geehrte Frau Präsidentin Barbara Prammer“ klingt harmlos und hat es doch in sich. Denn niemand Geringerer als SP-Bundeskanzler Werner Faymann und VP-Finanzminister Josef Pröll geben in diesem Schreiben an die Parlamentschefin bekannt, dass sie den Budgetbeschluss mit Kürzungen von 3,4 Milliarden Euro – eigentlich für den 20. Oktober geplant – schlicht auf den 9. Dezember verschieben. Unterzeichnet ist der Brief in seltener Eintracht von Faymann und Pröll. Und prompt ist die Aufregung perfekt.
„Verfassungsbruch“ und Serie von Sondersitzungen
Der
Top-Verfassungsjurist Heinz Mayer ortet im ÖSTERREICH-Interview gar
Verfassungsbruch. Immerhin sei die „Regierung verpflichtet, das Budget bis
22. Oktober im Parlament einzubringen“. Auch die drei Oppositionsparteien
sprechen in ÖSTERREICH daher von einem „unfassbaren Skandal“. Pröll will
seine Budgetrede im Hohen Haus in Wien dennoch erst am 9. Dezember halten.
Seine Erklärung: „Komplexe und umfangreiche Vorarbeiten.“
Die Opposition vermutet dahinter freilich eher die Landtagswahlen in der Steiermark und in Wien. Allerdings hätte dann die Budgetrede trotzdem bereits im Oktober gehalten werden können – Wien wählt bekanntlich am 10. Oktober.
Scharfer Angriff von Strache
FP-Chef Heinz-Christian Strache,
Grünen-Obfrau Eva Glawischnig und BZÖ-Boss Josef Bucher wollen diese
Verschiebung nicht so einfach auf sich sitzen lassen. Gestern berieten sich
die drei Oppositionsparteien stundenlang, wie sie sich revanchieren könnten.
Glawischnigs Plan: Sie will den Finanzminister während des Sommers gar ein
Mal wöchentlich in den Nationalrat zitieren. Das würde freilich die
ausgiebige Urlaubsplanung der
Regierung gehörig durcheinander bringen.
Strache attackiert die Koalitionsspitze ungewöhnlich scharf: "Dass Werner Faymann und Josef Pröll das Budget verschoben haben, ist ein unfassbarer Skandal und ein bewusster Verfassungsbruch." Der freiheitliche Obmann wirft der Regierung zudem eine "bewusste Lüge beim Budget" vor.
Prammer will deeskalieren
"Diese Regierung versucht die
Öffentlichkeit bewusst zu täuschen und zu belügen, weil sie die Wähler vor
den Landtagswahlen in der Steiermark und in Wien im Unklaren lassen wollen.
Erst danach werden sie den Menschen die Grauslichkeiten präsentieren",
erklärt Strache. Der FP-Chef verhandelt derzeit mit den Grünen und dem BZÖ
über eine "gemeinsame Vorgangsweise, etwa über mehrere
Sondersitzungen".
Prammer bemüht sich nun um eine Deeskalation. Sie will „weitere Verhandlungen, um doch das Budget früher im Nationalrat“ verhandeln zu können.
ÖSTERREICH-Recherchen zeigen vielmehr, dass sich Rot und Schwarz in ihren Budgetvorstellungen einfach noch zu uneins sind. Zudem sollen sowohl Faymann als auch Pröll befürchten, dass ihre jeweiligen Parteien auch noch nach den Landtagswahlen nicht sehr beweglich sein werden.
Verfassungs-Experte Heinz Mayer: "Das ist glatter Verfassungsbruch" ÖSTERREICH: Ist die Verschiebung der Budgetrede im Parlament Ihrer Meinung nach rechtens? Heinz Mayer: Nein, das ist ein glatter Verfassungsbruch. ÖSTERREICH: Warum? Mayer: Laut Verfassung ist die Regierung verpflichtet, den Nationalrat 10 Wochen vor Ablauf des laufenden Kalenderjahres über den Budgetabschluss zu informieren. ÖSTERREICH: Der Stichtag wäre folglich der 22. Oktober? Mayer: Die Verpflichtung zur Budgetvorlage im Parlament durch den Finanzminister sieht das sehr klar und eindeutig vor. ÖSTERREICH: Hat der Verfassungsbruch Konsequenzen? Mayer: Die Regierung muss keine Sanktionen befürchten. Kommt sie innerhalb der gesetzten Frist ihrer Verpflichtung nicht nach, haben Abgeordnete theoretisch die Möglichkeit, Initiativanträge zur Budgetgestaltung zu erstellen. Davor hat die Regierung quasi ein Monopol. |
Große Ferien
Heimlich, still und leise hat sich die
Koalition eine Urlaubsverlängerung genehmigt: Weil sie im Ministerrat am
vergangenen Dienstag noch in letzter Sekunde eine Einigung über die
Streitthemen Mindestsicherung und Transparenzdatenbank schaffte, hat man
sich einfach belohnt:
Der letzte, vor dem Sommer geplante Ministerrat am kommenden Dienstag wird kurzerhand abgesagt – man gönnt sich ja sonst nichts. Und hat außerdem kaum noch Punkte, die die Erstellung einer Tagesordnung lohnen würden.
Elektronische Fußfessel
Kommende Woche sind dann noch drei
Tage im Parlament vorgesehen, bei denen einzelne Regierungsmitglieder
anwesend sein müssen: Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Finanzminister
Josef Pröll etwa werden am Mittwoch bei den Themen Mindestsicherung und
Transparenzdatenbank sicher im Hohen Haus sein.
Ebenso Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, die ihr Endlos-Thema elektronische Fußfessel zu einem glücklichen Abschluss bringen will. Donnerstag muss noch die gesamte Regierung bei der Angelobung von Bundespräsident Heinz Fischer teilnehmen, am Freitag ist dann der Kehraus – mit einer Fragestunde an Infrastrukturministerin Doris Bures und einigen kleineren Gesetzen wie ärztlichen Gruppenpraxen.
Kurze Unterbrechung
Und ab dann urlauben die Minister und
Staatssekretäre – mit nur kurzen Unterbrechungen, wie einer
Wahlkampf-Klausur der ÖVP-Regierungsmitglieder am 15. Juli in der Steiermark.
Einziger offizieller Termin, der die langen, langen Sommerferien unterbricht, ist der 20. Juli. Für diesen Tag haben sich Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll auf einen „Sommerministerrat“ geeinigt. Da werden an nicht einmal einem halben Arbeitstag wohl anstehende Berichte von Delegationsreisen, möglicherweise ein paar Personalia und Liegen-Gebliebenes aus der Genehmigung von Landesgesetzen abgehakt und durchgewunken.
51 Tage Freizeit
Wirklich los gehen soll es – theoretisch – dann
am 31. August mit dem ersten regulären Ministerrat der Herbstsaison. Womit
die Mitglieder der Bundesregierung ab kommenden Freitag satte 51 Tage Urlaub
bis zum nächsten Ministerrat konsumieren können – falls sie nicht
wahlkampfbedingt in Wien oder der Steiermark engagiert sind.
Sacharbeit ist wegen dieser Wahlen kaum möglich. Denn die Bundesparteien wollen vor der Wien-Wahl am 11. Oktober sicher nirgendwo anecken.