Wilder Streit

Ärztekammer-Entmachtung: Das steht in Rauchs Aufreger-Reform

14.11.2023

Minister Rauchs Gesundheitsreformpaket lässt in der Ärztekammer die Wogen hochgehen. Das steht in der umstrittenen Reform. 

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© APA/EVA MANHART
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Die Ärzte sollen laut einem Entwurf, der der APA vorliegt, tatsächlich einiges an Macht einbüßen. Vor allem beim Abschluss von Gesamtverträgen oder beim Stellenplan sollen die Kompetenzen deutliche eingeschränkt werden. Weitere Reformen sehen Änderungen bei der Arzneimittelverschreibung, der Telemedizin und der Gesundheitsakte ELGA vor. 

Die Aufreger-Reform im Detail 

Konkret ist geplant, den Grundsatz "digital vor ambulant vor stationär" in die Gesundheitsversorgung gesetzlich festzuschreiben. Durch einen raschen und flächendeckenden Ausbau der Primärversorgungseinheiten (PVE) soll der ambulanten Bereich entlastet und gestärkt werden. Hierfür gibt es laut dem vorliegenden Entwurf sogar Planungsvorgaben bis auf die Bezirksebene hinunter. 

Wenn mindestens drei Ärztestellen in einer Region zweimal erfolglos ausgeschrieben wurden, soll es künftig erleichtert werden, ein selbständiges Ambulatorium zuzulassen. Die Ärztekammer kann hierbei nicht mehr mitbestimmen, lediglich eine Stellungnahme kann abgegeben werden. Ebenso sollen langwierige Vergabeverfahren für Gruppenpraxen-Zulassungen entfallen. 

Ein weiterer Aufreger-Punkt für die Kammer ist die vorgesehene Änderung bei den Gesamtverträgen. Diese regeln das Verhältnis zwischen freiberuflichen Ärzten und den Krankenversicherungen. Sie werden zwar weiterhin zwischen den Trägern und der Ärztekammer abgeschlossen, kommt es allerdings zu keiner Einigung, können künftig auch Einzelverträge mit den Ärzten abgeschlossen werden. Ähnlich sieht es auch beim Stellenplan aus. Findet man innerhalb von sechs Monaten keine Einigung über die Verteilung von Praxen, Gruppenpraxen und PVEs, kann die Kasse selbst entscheiden, sofern sie die Zielsteuerungsvorgaben einhält. 

Wirkstoff- statt Medikamenten-Verschreibung 

Auch bei der Verschreibung von Medikamenten plant das Gesundheitsministerium weitreichende Änderungen. Um den Medikamentenmangel besser unter Kontrolle zu bekommen, sollen nur noch Verschreibungen für einen bestimmten Wirkstoff möglich sein, anstatt wie bisher eines bestimmten Medikaments. Sollten Ärzte dennoch auf genau dieses Präparat bestehen, muss der Grund dafür in maschinenlesbarer Form auf dem Rezept angegeben werden. Die Apotheken werden zusätzlich angewiesen, das Ökonomieprinzip einzuhalten. Heißt: Arzneimittel in wirtschaftlicher Weise abgeben. Hochpreisige und spezialisierte Heilmittel sollen künftig einem bundesweiten Bewertungsprozess ("Bewertungsboard") unterliegen. 

Die Telemedizin, also die Diagnose und Untersuchung via Computer und Internet, soll durch die Einrichtung des "Austrian Health CERT" besser gegen Cyberangriffe geschützt werden. Die Verantwortung für die elektronische Gesundheitsakte (ELGA) wandert vom Dachverband der Sozialversicherungsträger an das Gesundheitsministerium. Sehr zum Ärger der Kammer sollen auch Wahlärzte ab 2026 zur Nutzung der ELGA und der E-Card verpflichtet werden. Ab 2025 werden Ärzte auch zur Diagnose- und Leistungscodierung verpflichtet. 

Rauch: Reform im Sinne der Patienten

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) selbst sah die Kritik gelassen und sprach von einer Desinformations-Kampagne. Die Reform sei im "im Sinne der Patient:innen". Rauch betonte: "Fakt ist: Wir investieren 1 Milliarde Euro zusätzlich ins Gesundheitssystem, während Präsident Steinhart (Präsident der Ärztekammer, Anm.) von einem Sparpaket spricht. Wir schaffen hunderte zusätzliche Kassenstellen, während die Ärztekammer eine Privatisierung des Gesundheitssystems befürchtet." 

Auch die ÖVP stellte sich hinter Gesundheitsminister Rauch. "Die nun plötzlich auftauchende Kritik kommt nicht nur viel zu spät, sondern macht den gleichen Fehler wie in der Vergangenheit", so der für Digitalisierung zuständige Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP). "Die Bürgerinnen und Bürger müssen im Mittelpunkt unseres Gesundheitswesens stehen und nicht Einzelinteressen". 

Die Gesundheitsreform soll, parallel zum Finanzausgleich, in den nächsten Tagen endgültig fixiert und kommende Woche im Ministerrat beschlossen werden. Der Plenarbeschluss des Pakets könnte bereits im Dezember fallen. Ein sonst übliches Begutachtungsverfahren wird vom Gesundheitsministerium nicht durchgeführt. Es seien ohnehin alle Systempartner eingebunden gewesen, so die Begründung. 

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