Regierung
Alarm um Gefängnisse: Zu wenig Platz, keine Arbeit
15.03.2024Der Rechnungshof (RH) kritisiert die Haftbedingungen in den heimischen Justizanstalten scharf. Häftlinge sind oft bis zu 23 Stunden am Stück eingesperrt.
Österreichs Gefängnisse befinden sich seit Jahren an der Auslastungsgrenze, sind teilweise überbelegt und haben mit Personalmangel zu kämpfen, was sich negativ auf die Häftlinge und die Resozialisierungsbemühungen auswirkt, so die Prüfer.
Minister Moser (ÖVP) und Zadic (Grüne) sind betroffen
Die beiden Prüfberichte beziehen sich auf die Jahre 2018 bis 2022 (als Minister amtierten großteils Josef Moser, ÖVP, und Alma Zadic, G), die Lage im Strafvollzug hat sich im Vorjahr kaum gebessert, konstatiert der Rechnungshof. In etlichen Gefängnissen fehlt es demnach an Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten. Die Insassinnen und Insassen speziell in den Landesgerichtlichen Gefangenenhäusern bleiben oft bis zu 23 Stunden am Stück in ihren Zellen eingesperrt. Vor allem nachmittags und an den Wochenenden gibt es keine zweckmäßigen Aktivitäten für die Häftlinge, weil die anstaltseigenen Betriebe geschlossen sind und Tagesgestaltung nur begrenzt möglich ist.
Zu wenig Personal
Im Vorjahr lag die Beschäftigungsquote in der JA Wien-Simmering etwa bei mageren 69 Prozent, in der JA Gerasdorf dagegen bei 94 Prozent. Grundsätzlich konnte die durchschnittliche Beschäftigungsdauer im überprüften Zeitraum laut Rechnungshof nicht nachhaltig gesteigert werden. Im Jahr 2022 betrug sie 3,16 Stunden pro Werktag und Häftling. Dabei seien ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten in Form von Arbeit oder Ausbildung wesentliche Faktoren für ein positives Anstaltsklima und die Resozialisierung der Häftlinge, zu dem die Justizanstalten an sich gesetzlich verpflichtet sind. Folglich müsse verstärkt in die Personalentwicklung investiert werden, empfehlen die RH-Prüferinnen und -Prüfer, die eine weitere Verschärfung der Personalsituation befürchten.
Zwar waren Anfang 2023 die Planstellen im Strafvollzug zu 96 Prozent besetzt. Es fehlten aber immer noch mehr als umgerechnet 130 Vollzeitbeschäftigte. Gleichzeitig ging die Zahl der Bewerbungen bei der Justizwache zwischen 2019 und 2022 um mehr als ein Viertel zurück. Parallel gingen auch die insgesamt vorhandenen Haftplätze zurück. "Ohne entlastende Maßnahmen wird das Problem der Überbelegung nur mit einem Ausbau der Haftplatzkapazitäten bewältigt werden können", notiert daher der Rechnungshof, der daneben verbesserte Betriebsstrukturen und mehr Beschäftigungs- und Bildungsangebote in den Justizanstalten fordert.
Was den Maßnahmenvollzug betrifft, vermisst der Rechnungshof ungeachtet des am 1. März 2023 in Kraft getretenen Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetzes die Umsetzung jener Punkte, "die sicherstellen sollten, dass strafrechtlich untergebrachte Personen adäquat und zeitgemäß behandelt und betreut werden". Positiv beurteilt der Rechnungshof, dass das Justizministerium ein eigenständiges Wirkungsziel für den Strafvollzug festgelegt hat, der den Bund im Jahr 2022 600 Millionen Euro gekostet hat. Der besondere Fokus wurde auf die Reintegration und Rückfallprävention der Häftlinge gelegt. Dem Rechnungshof fehlt jedoch eine Kennzahl, die die Wirkung der Resozialisierungsmaßnahmen im Hinblick auf die Rückfälligkeit entlassener Häftlinge misst. Für eine qualitative Wirkungsmessung wird dem Justizministerium die Beiziehung einschlägiger wissenschaftlicher Einrichtungen, insbesondere aus dem universitären Bereich empfohlen, um vertiefte Untersuchungen zur Wirksamkeit des Strafvollzugs und zur Lebenssituation ehemaliger Häftlinge einzuholen.