Regierung

Edtstadler: "Kickl ist nicht normal - er ist radikal"

28.07.2023

Die ÖVP heizt die "Normalitätsdebatte" weiter an. Nach Ansicht von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler gehört FPÖ-Chef Herbert Kickl nicht zu den "Normalen". 

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© APA/GEORG HOCHMUTH
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Doch auch SPÖ-Chef Andreas Babler kommt bei Edtstadler nicht gut weg, auch ihn nennt die ÖVP-Politikerin radikal. Lesen Sie das gesamte Interview mit ÖSTERREICH (Samstagsausgabe).

ÖSTERREICH: Die ÖVP diskutiert aktuell, was normal ist. Was ist denn der Sinn dieser Debatte?

Karoline Edtstadler: Es geht darum, dass man ganz einfach die Themen anspricht, die eine schweigende Mehrheit interessieren: Einkommen, mit dem man auskommt, beste Bildung für die Kinder, ein Gesundheitssystem, auf das man sich verlassen kann. Stattdessen reden wir nur noch über Themen, die von sehr lauten Gruppen hervorgebracht werden.

ÖSTERREICH: Nämlich?

Edtstadler: Ein Beispiel ist die sehr, sehr breite Berichterstattung zu den Klimaklebern.

ÖSTERREICH: Betrifft der Klimawandel nicht ebenfalls uns alle?

Edtstadler: Das Ziel ist legitim. Aber ich finde, man kann schon artikulieren, dass durch die Klimakleber Staus entstehen und Rettungswägen nicht durchkommen. Doch wenn man das tut, kommen die moralisch Erhabenen und lassen diese Meinungen nicht zu. Ich habe die Rede des Bundespräsidenten bei den Salzburger Festspielen so wahrgenommen, dass man Kritik annehmen können muss.

ÖSTERREICH: Apropos Kritik annehmen – Van der Bellen hat Ihre Partei scharf kritisiert, weil sie die Gesellschaft in „Normale“ und „nicht Normale“ einteilt und spaltet. Verstehen Sie das?

Edtstadler: Das war nie die Absicht. Uns geht es darum, dass man nicht die eine Meinung als schlecht oder weniger wertvoll abkanzelt.

ÖSTERREICH: Aber wer sind für Sie die politischen Ränder? Die FPÖ? Grüne beim Klimathema?

Edtstadler: Ein Extrem ist Herbert Kickl. Der ist in meinen Augen einfach radikal. Er spricht zwar viele Menschen an, die sich einfache Lösungen wünschen, aber es gibt keine einfachen Lösungen. So besteht die Gefahr, dass Menschen radikalen Rändern zuneigen. Und für mich ist ein Paradebeispiel dafür Kickl.

ÖSTERREICH: Ist er damit noch normal für Sie?

Edtstadler: Nein. Er ist für mich radikal.

ÖSTERREICH: Sie waren die erste Ministerin, die ausgeschlossen hat, unter einem Kanzler Kickl zu arbeiten – das hat Nehammer zur Parteilinie gemacht. Fühlen Sie sich dadurch bestätigt?

Edtstadler: Ja, und ich bleibe dabei. Ich kenne ihn gut. Ich war Staatssekretärin im von ihm geführten Innenministerium. Und in Opposition ist er noch radikaler geworden.

ÖSTERREICH: Sie lehnen ­einen Pakt mit Kickl ab, schließen aber eine Koalition mit der FPÖ nicht aus. Ja, die VP koaliert in drei Ländern mit ihr. Das kann man doch nicht trennen.

Edtstadler: Ja, Kickl ist FPÖ-Obmann. Doch in der FPÖ gibt es auch konstruktive Kräfte. Das sieht man ja an der jungen Koalition in Salzburg. Eineinhalb Jahre vor der Nationalratswahl ist es nötig, dass wir den Menschen sagen, was steckt hinter bestimmten Persönlichkeiten. Herbert Kickl ist einfach jemand, der mit den Ängsten der Menschen spielt. Dem muss man etwas entgegensetzen.

ÖSTERREICH: Und was ist mit SPÖ-Chef Babler? Auch da hört man bei Ihnen den Radikalen-Alarm schrillen.

Edtstadler: Was der neue Parteichef Andreas Babler von sich gibt, ist auch radikal. Seine EU-Kritik oder wenn er sagt, er sei Marxist und dann doch wieder nicht. Ich hoffe, dass die SPÖ sich findet, denn es braucht eine breite Mitte – da hab ich die SPÖ bisher dazugezählt.

ÖSTERREICH: Ist es bei Babler schon so schlimm wie bei Kickl?

Edtstadler: Nein. Man sollte der SPÖ eine Chance geben. Aber gerade seine Ansichten über die EU machen mir große Sorge.

ÖSTERREICH: Apropos EU. Hier droht ein Rechtsruck bei der Wahl 2024. Gleichzeitig zeigen sich VP-Politiker gerne mit der rechten italienischen Premierministerin Meloni, die den Rechtsruck personifiziert. Wie passt denn das zusammen?

Edtstadler: Meloni habe ich persönlich erlebt, auch im Europaforum Wachau. Ich sehe sie differenzierter. Sie ist jemand, die die Probleme klar anspricht und Italien ist für uns ein wichtiger Partner in der Frage der illegalen Migration. Sie hat sich bisher als konstruktiv erwiesen.

ÖSTERREICH: Themenwechsel: Sie haben Förderungen für die Jüdische Gemeinde angehoben – das muss aber noch durchs Parlament. Werden da alle Parteien mitziehen?

Edtstadler: Wir haben einen Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt, mit dem die Förderung rückwirkend mit 1.1.2023 auf 7 Mio. Euro erhöht werden sollte. Dabei geht es auch um die Sicherheit der Gemeinde. Ich hoffe auf einen einstimmigen Beschluss – jüdisches Leben muss sichtbar bleiben.

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