Justizminister Alma Zadic (Grüne) wünscht sich bei den anstehenden Reformen im Justizbereich wie der Einführung einer Generalstaatsanwaltschaft "mehr Ambition" vom Koalitionspartner.
Zu einer damit junktimierten Aufwertung der Beschuldigtenrechte sei sie bereit: "Wenn jemandem Beschuldigtenrechte ein Anliegen sind, dann mir", verwies sie im APA-Gespräch auf ihre frühere Tätigkeit als Rechtsanwältin.
Laut dem Endbericht einer Arbeitsgruppe aus Justiz-, Universitäts- und Ministerienvertretern soll künftig nicht mehr der Justizminister bzw. die Justizministerin an der Spitze der Weisungskette der Staatsanwälte stehen. An diese Stelle soll die Generalstaatsanwaltschaft treten - nicht aber in der Person des (erst zu schaffenden) Generalstaatsanwalts. Für Weisungen zuständig sollen ein bis zwei Dreiersenate sein, um "maximale Unabhängigkeit" zu gewährleisten. Die ÖVP lehnte dieses Modell bisher ab, schon beim Namen schieden sich die Geister. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler spricht etwa lieber von einer "Bundesstaatsanwaltschaft" und beharrt auf einer monokratischen Behörde mit einer dem Parlament verantwortlichen Person an der Spitze.
Konzept steht
"Wir haben erstmals ein Konzept, hinter dem ein Großteil der Wissenschaft bzw. der Zivilgesellschaft und die Justiz steht", meinte Zadic dagegen. Auch der Oberste Gerichtshof entscheide in Senaten, die Europäische Staatsanwaltschaft funktioniere ähnlich. Bei sogenannten clamorösen Fällen könnte eine Generalstaatsanwaltschaft auch zur Beschleunigung beitragen, indem der bisherige Weisungsrat als Instanz jedenfalls wegfällt. Außerdem sollten wichtige Entscheidungen etwa über Anklagen am Ende nicht nur von einer Person getroffen werden. "Ein Senat ist dafür besser geeignet, man verteilt die Macht von einer Schulter auf mehrere Schultern."
Für einen verbesserten Ersatz der Verteidigerkosten - zuletzt wieder beim nunmehr rechtskräftigen Freispruch von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache in Diskussion - will sich Zadic jedenfalls einsetzen. "Das fordern wir Grüne schon seit Jahrzehnten, siehe Tierschützerprozess. Ich hätte mir gewünscht, dass das schon damals passiert." Derzeit sei man in einem Austausch mit der Rechtsanwaltskammer, die dafür gerade ein Konzept erarbeitet. Je nach Modell sei dafür ein bis zu dreistelliger Millionenbetrag und zusätzliche Mittel vom Finanzminister erforderlich - je nachdem, ob man etwa auch die Ermittlungsverfahren berücksichtige oder erst ab einem Freispruch auszahle. Möglich sei dafür ein eigener Tarif analog zu Zivilverfahren oder aber eine Erhöhung der Pauschalbeträge.
Beschuldigtenrechte
In einem anderen Punkt in Sachen Beschuldigtenrechte verwies Zadic auf das derzeit laufende Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) zur Handy-Sicherstellung. Diese Klärung sei einmal abzuwarten. Generell sei man aber in vielen Verfahren - von der Organisierten Kriminalität über Kinderpornografie bis zu Gewaltdelikten in der Familie - bei der Strafverfolgung auf die Sicherstellung von Handys angewiesen. "Viele Beweise können nur so gesammelt werden." Bürger hätten auch das Recht auf schnelle Ermittlungen in Strafverfahren. "Wir müssen schauen, dass wir einerseits das Recht der Bürger auf effiziente Strafverfolgung gewährleisten als auch das Recht der Beschuldigten auf ihre Daten."
In einem Punkt ortete Zadic auch Uneinigkeit beim Koalitionspartner: So mache sich etwa Edtstadler für eine Stärkung der Beschuldigtenrechte stark, andererseits plädiere Innenminister Gerhard Karner für mehr Befugnisse der Exekutive zur Überwachung von Messengerdiensten. "Da müsste man die beiden Minister fragen, wie sie das sehen. Der Vorschlag des BMI ist ja das genaue Gegenteil einer Stärkung von Beschuldigtenrechten." Ihres Erachtens sei eine anlasslose Massenüberwachung falsch, auch Karner selbst habe einen Staatstrojaner für nicht nötig erachtet. Sie sehe durchaus die von DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner geäußerte Notwendigkeit eines weiteren Zugriffs auf Handys, räumte Zadic ein. "Da muss man sich etwas überlegen." Sie warte aber noch auf einen konkreten Vorschlag.
Nicht in Details gehen wollte Zadic bei der anstehenden Reform des Ehe- und Kindschaftsrechts. Derzeit sei der Entwurf beim Koalitionspartner. Ähnlich ist es beim elektronisch überwachten Hausarrest ("Fußfessel") - hier werde zusammen mit den weiteren Schritten im Maßnahmenvollzug ein Entwurf finalisiert, dieser müsse dann mit der ÖVP abgestimmt werden. Ganz generell halte sie aber eine Ausweitung der Möglichkeiten zum Einsatz der Fußfessel für einen guten Weg, weil dieser die Resozialisierung beschleunigen könne. Gerade im Gewaltbereich kämpfe man derzeit mit einer hohen Rückfallsquote.
Im Herbst will Zadic das erste Modell für die angekündigten Gewaltambulanzen etwa zur besseren Dokumentation von Spuren vorstellen. Beim Thema Gewalt gegen Frauen müsse die Verurteilungsquote gehoben werden. "Dazu braucht es aber ausreichend Beweise - und die beste Beweissicherung sind Gewaltambulanzen."
Die Ministerin geht auch von einer baldigen Einigung bei der Besetzung von Spitzenfunktionen im Verwaltungs- bzw. Justizbereich aus. Durch den Ministerrat muss etwa die ausstehende Bestellung von zwei Mitgliedern und zwei Ersatzmitgliedern des Weisungsrats - diese sei auch separat von den Besetzungen bei Bundesverwaltungsgericht und Bundeswettbewerbsbehörde zu sehen, meinte Zadic. Der Generalprokurator (und zugleich Vorsitzende des Weisungsrats) wird dagegen nur auf Vorschlag der Justizministerin bestellt. Für die pensionsbedingte Nachfolge von Franz Plöchl würden demnächst Hearings stattfinden.
Nicht ganz nachvollziehen kann Zadic die derzeitige "Normalitätsdebatte". "Wir sollten Menschen nicht in normal und abnormal einteilen." Im Justizbereich habe man sich nicht umsonst einvernehmlich mit der ÖVP von Begriffen wie "geistig abnorme Rechtsbrecher" verabschiedet. Auch die Verwunderung über ihren vor zwei Monaten präsentierten Gesetzesentwurf zur Flexiblen Kapitalgesellschaft, in dem nur weibliche Formen verwendet werden, überrascht sie. "Die meisten Gesetze sind in rein männlicher Form geschrieben - wir haben das diesmal nur umgekehrt gemacht. Wo soll das Problem liegen?" Außerdem habe man speziell die Rolle von Gründerinnen hervorheben wollen.