Nach Gewesslers Alleingang in Luxemburg entfachte ein heftiger Koalitions-Krach. Jetzt äußerte sich Bundeskanzler Karl Nehammer.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) widersetzte sich Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und stimmte dem EU-Renaturierungsgesetz zu. Die Volkspartei reagierte prompt und kündigte eine Strafanzeige gegen Gewessler wegen Amtsmissbrauchs sowie eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof an.
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Am späten Nachmittag äußerte sich dann auch Bundeskanzler Karl Nehammer, der sich aktuell in Brüssel bei einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs befindet.
Nehammer will Koalition nicht beenden, scharfe Kritik an Gewessler
Er sei sich bewusst, dass es eine "sehr intensive" innenpolitische Diskussion in Österreich gibt. Wir seien "alle Zeugen geworden, dass eine Ministerin der Republik einen Rechtsbruch" begangen habe. Diesen Rechtsbruch habe es nicht nur in Österreich geben, sondern auch auf Europäischer Ebene, da Gewessler nicht abstimmen hätte dürfen. Daher gehe man nun mit entsprechenden Klagen und Anzeigen vor.
Nehammer sprach von "einem mehr als schweren Vertrauensbruch" und einem "krassen Fehlverhalten" des Grünen Koalitionspartners. Er werde die Koalition mit den Grünen aber nicht beenden - obwohl "die Emotion" da wäre. Es sei jetzt wichtig , mit "Ordnung und ohne Chaos" fortzufahren. Er habe "die Verantwortung als Bundeskanzler für einen geordneten Weg" bis zur Nationalratswahl zu sorgen, so Nehammer Das habe er den Menschen versprochen, "daran halte ich mich auch".
Grüne haben "ihr wahres Gesicht gezeigt"
Am grünen Koalitionspartner und Ministerin Gewessler ließ Nehammer in seiner Stellungnahme kein gutes Haar. Die Grünen hätten "ihr wahres Gesicht gezeigt", so Nehammer. Dieser Rechtsbruch werde mit der angekündigten Nichtigkeitsklage gegen den EU-Beschluss vor dem EuGH und der Anzeige gegen Gewessler wegen Amtsmissbrauch geahndet. Aber auch wenn manche ein Koalitionsende erwarten würden, "ich werde das nicht tun", sagte Nehammer.
Das sogenannte "freie Spiel der Kräfte" ohne fixe Mehrheiten im Nationalrat habe es bereits einmal gegeben, dies habe Milliarden an Kosten für die Steuerzahler gebracht. Dieses Chaos werde er nicht noch einmal zulassen. "Ich werde diese Bundesregierung bis zum 29.09 anführen", betonte er mit Blick auf die in drei Monaten geplanten Nationalratswahl. Notwendige und wichtige Vorhaben werde er soweit umsetzen, wie es mit dem Koalitionspartner möglich sei.
Stocker wettert gegen Gewessler: "Dies begründet Amtsmissbrauch"
Die ÖVP hatte angekündigt, eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzubringen und Gewessler wegen Amtsmissbrauchs anzuzeigen. Es bestehe der Verdacht, dass die Grüne Ministerin mit ihrer Zustimmung zur Renaturierungsverordnung "rechtswidrig und wissentlich gegen die klaren Vorgaben des Verfassungsdienstes und gegen die Verfassung handelt - dies begründet Amtsmissbrauch", sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.
Laut Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, der die Verfassung für die Mitglieder der Bundesregierung auslegt, sei die Ministerin an die ablehnende Stellungnahme der Bundesländer gebunden, so Stocker. Gewessler müsse ihre "Privatgutachten" veröffentlichen, forderte er zudem. Am Nachmittag kam das Klimaministerium dieser Forderung nach und veröffentlichte die Gutachten auf seiner Homepage. Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler warf Gewessler zuvor "Verfassungsbruch" und sprach von einer "veritablen Regierungskrise".
Auch wenn die Koalition nun weiterarbeiten will, dürfte der Haussegen nach dem Alleingang Gewesslers auch weiterhin schiefhängen. Zudem droht der Umweltministerin Ungemach im Nationalrat, wo die FPÖ laut Parteichef Herbert Kickl einen Misstrauensantrag gegen sie einbringen will. SPÖ und NEOS hatten die Zustimmung zum Renaturierungsgesetz begrüßt.