GPA empört

Kocher will Senioritätsprinzip abflachen

20.04.2023

Arbeitsminister: "Wir müssen uns davon verabschieden, dass die Politik alle Probleme am Arbeitsmarkt lösen kann"

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© APA/ROLAND SCHLAGER
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Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat die GPA gegen sich aufgebracht. In der "Kurier"-Reihe "Frag den Minister" meinte er, angesprochen auf die schlechten Berufschancen für ältere Menschen mit Beeinträchtigung, dass diese es "schwerer haben", was auch an den Kollektivverträgen liege, die Ältere teurer machten. "Das ist aus meiner Sicht der größte Hemmschuh, darum müssen wir bei den Kollektivverträgen, wo es das noch gibt, etwas bei der Seniorität abflachen", so Kocher.

GPA empört

Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, reagierte heute darauf verärgert: "Von einem Arbeitsminister könnte man erwarten, dass er die Anwendung von Kollektivverträgen versteht. Bei Neueinstellungen wird nur eine bestimmte Anzahl von Vordienstzeiten angerechnet, unabhängig davon ob ein Arbeitnehmer 35 oder 55 ist. Der Minister soll lieber seine Hausaufgaben im eigenen Haus machen, anstatt uns Gewerkschaften auszurichten, wie Lohnpolitik zu machen ist."

Weiters meinte die Arbeitnehmervertreterin in einer Aussendung: "Arbeitsminister Kocher soll sich nicht billig an Kollektivverträgen abputzen, die er anscheinend nicht versteht. Einen zu hohen Verdienst für die Arbeitslosigkeit älterer Behinderter verantwortlich zu machen, ist zynisch. Er soll endlich in die Gänge kommen und für Menschen mit Behinderung und ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Arbeitsmarktchancen erhöhen."

Sie sieht Kocher in der Pflicht. "Wenn der Minister etwas für Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt tun will, dann gibt es genug Möglichkeiten. Er könnte etwa die Ausgleichstaxe im Behinderteneinstellungsgesetz erhöhen, sodass es für Unternehmen unattraktiver, sich mittels Strafe der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu entziehen", richtete die Gewerkschafterin dem Arbeitsminister aus.

Unterstützung bekam Teiber von Kollegin Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB. "Wer Kollektivverträge als 'Hemmschuh' im Kampf gegen Arbeitslosigkeit bezeichnet, der hat die Anwendung und Wichtigkeit von Kollektivverträgen nicht verstanden", hielt sie fest.

Kritik auch von der SPÖ

Kritik erntete Kocher heute auch von der SPÖ-Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner, die die Aussagen des Ministers als "völlig jenseitig" bezeichnete. Dies zeige "was passieren könnte, wenn Lohnpolitik nicht von den Gewerkschaften gemacht wird". Der früheren Forderung ihres parteiinternen Konkurrenten, Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, nach einem gesetzlichen Mindestlohn erteilte die Parteichefin eine "klare Absage".

Den Gewerkschaften streute die Parteichefin hingegen Rosen für den gestrigen Lohnabschluss mit dem Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI). "Das Ergebnis für die Elektroindustrie zeigt einmal mehr: Die Löhne sind bei den Gewerkschaften in guten Händen", so Rendi-Wagner. Sie betonte: "Die SPÖ steht Seite an Seite mit der Gewerkschaft und kämpft gemeinsam für die Arbeitnehmer*innen."

Angesprochen darauf, dass Personen aus dem Ausland oft unter ihrer Qualifikation beschäftigt sind, meinte Kocher in der "Kurier"-Veranstaltungsreihe, "dass es immer auch eine Aufgabe der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist, zu schauen, dass sich jemand parallel zu seiner Arbeit auch weiterbilden kann". Und er appellierte an die Eigenverantwortung. "Wir müssen uns davon verabschieden, dass die Politik alle Probleme am Arbeitsmarkt lösen kann. Wir müssen das gemeinsam mit den Arbeitgebern und Arbeitnehmern machen", so der Minister.

Dass wie jüngst in Oberösterreich eine Familie abgeschoben wird, obwohl diese in Mangelberufen arbeitete, möchte Köcher künftig verhindern. "Ja, natürlich. Das ist das Ziel, das wir mit der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte verfolgen - qualifizierten Zuzug besser zu ermöglichen", erklärte Kocher.

Bei der Steuerpolitik und dessen Auswirkungen auf die Arbeitszeit sieht der Arbeitsminister offensichtlich noch Verbesserungsbedarf. "Viele Beschäftigte bleiben in der Teilzeit, weil es sich auf den ersten Blick nicht auszahlt, weil die Besteuerung hoch ist, weil die Lohnnebenkosten hoch sind", meinte Kocher, merkte gleichzeitig aber auch an, dass "auch einige Unternehmen mehr Vollzeitstellen anbieten müssen".

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