Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) will den Lobautunnel endgültig zu Fall bringen.
Dafür wird sie eine so genannte "vertiefende Prüfung" einleiten, in deren Folge das Projekt aus dem Straßenbaugesetz gestrichen werden soll. Basis für die Entscheidung ist eine heute vorgelegte Expertise, wonach die Straße für die von Wien selbst gesetzten Klimaziele kontraproduktiv wäre. Die ÖVP kritisierte den Vorstoß scharf und erklärte die Diskussion darüber für beendet.
Gewessler betonte bei dem Pressetermin Donnerstagvormittag ein weiteres Mal, dass man nicht auf klimaschädlichen Projekten beharren könne, wenn es bessere Alternativen gebe. Dass diese vorhanden sind, sieht sie durch die Studie von Günter Emberger von der TU Wien bestätigt. Wien und Niederösterreich hätten ja ihr Angebot, Alternativen zu präsentieren, bisher leider abgelehnt. Die Tür dafür stehe aber weiter offen.
Studie der TU
Die Expertise sagt im Wesentlichen, dass es keine Maßnahmen über die ohnehin bereits geplanten brauche, um eine Anbindung der Donaustadt zu gewährleisten. Die Stadtstraße wird ja co-finanziert, zudem gibt es diverse Ausbaupläne im öffentlichen Verkehr, von S80 über Verlängerung der Straßenbahn 25 bis hin zu Schnellbussen.
Die Studie der TU argumentiert, dass schon die Umsetzung der von der Stadt Wien selbst gesetzten Ziele zu einer deutlichen Verkehrsentlastung führe. Eine höherrangige Straße wäre dagegen kontraproduktiv, würde sie doch zu mehr Verkehr führen. Die Klimaministerin sähe den Lobautunnel daher als massive Erschwerung der Zielerreichung. Bessere Alternativen seien der Ausbau der Öffis und Investitionen in das niederrangige Straßennetz.
Die Expertise ist für Gewessler nun die Basis, um eine "strategische Prüfung" einzuleiten. Die ist Voraussetzung dafür, das Straßenprojekt aus dem Gesetz zu streichen. Wie Gewessler ausführte, dauere solch eine Prüfung im Schnitt zwei Jahre. Man werde sich aber bemühen, möglichst schnell voranzukommen. Dann sei sie optimistisch, dass der Lobautunnel aus dem Gesetz falle.
ÖVP: Absage inakzeptabel
Zumindest der aktuelle Koalitionspartner machte aber bereits kurz nach der Pressekonferenz klar, dass er da nicht mitspielen wird. Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger erklärte per Aussendung: "Mit uns als Volkspartei wird es keine Gesetzesänderung zur Streichung des Lobautunnels geben." Diese sei niemals Verhandlungsgegenstand und auch nicht Teil des gemeinsamen Regierungsprogramms gewesen.
Gewesslers heutige im Alleingang verkündete Absage sei "inakzeptabel", es habe davor auch keine Gespräche mit dem Koalitionspartner gegeben. Er hoffe, dass die Ministerin wieder auf den Pfad der konstruktiven Zusammenarbeit zurückkehre.
Auch Sima verärgert
Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) zeigte sich ebenfalls verärgert. Während täglich mehr als 230.000 Pkws und jährlich 900.000 Transit-Lkws über die Tangente "durch die Stadt donnern", spiele die grüne Verkehrsministerin mit ihrer heute angekündigten "Pseudo-Prüfung des bereits bestgeprüften Infrastrukturprojekts Österreichs" auf Zeit. "Ziel ist es ganz offensichtlich, die überfällige Entlastung der Wienerinnen und Wiener zu verzögern und zu verschleppen - und dies ohne irgendeinen Lösungsansatz", kritisierte Sima via Aussendung. Die S 1 sei seit über 20 Jahren auf Herz und Nieren geprüft worden, es habe auch eine umfangreiche strategische Umweltprüfung für das Umfahrungsprojekt gegeben.
Der Nordteil der S 1 sei längst baureif, beklagte Sima. Sie erinnerte daran, dass die Bauarbeiten bereits heuer hätten anlaufen sollen. Den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern seien bereits sehr hohe Kosten entstanden, betonte sie. "Zudem missachtet Gewessler das vom Nationalrat beschlossene und somit gültige Bundesstraßengesetz", zeigte sich Sima überzeugt. "Überall in Österreich baut die Verkehrsministerin Straßen und Umfahrungen, nur in Wien nicht."