Scharfe Kritik
Mega-Wirbel um Karners Pushback-Sager
01.08.2023Innenminister Gerhard Karner muss für seine engen Definition von Pushbacks scharfe Kritik einstecken.
Knapp 5.900 freiwillige und zwangsweise Außerlandesbringungen haben im ersten Halbjahr in Österreich stattgefunden. Das entspricht einer Steigerung von 20 Prozent zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Diese Zahlen hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien präsentiert.
Vorwürfe, österreichische Polizistinnen und Polizisten würden sich an der serbisch-ungarischen Grenze im Rahmen der sogenannten Operation Fox indirekt an illegalen Pushbacks beteiligen, wies Karner zurück. Vorwürfen von Gewalt bei der Zurückweisung sei nachzugehen und dies Aufgabe Ungarns und der EU-Kommission. Davon zu unterscheiden seien Zurückweisungen an der Grenze, wie sie auch an anderen Grenzen stattfinden würden. Die Operation Fox sei erfolgreich und werde weitergeführt. 31 österreichische Beamtinnen und Beamte sind derzeit bei der Operation in Ungarn im Einsatz. Rund 70 Schlepper konnten laut Karner in Ungarn im ersten Halbjahr dieses Jahres festgenommen werden.
Scharfe Kritik
Mit seiner engen Definition von Pushbacks als gewaltsames Zurückstoßen sorgte Karner für Kritik. Zwar fänden die meisten Pushbacks unter Anwendung von Gewalt statt, aber das sei nicht ausschlaggebend dafür, ob eine widerrechtliche Zurückweisung vorliege, erklärte die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger im Kurznachrichtendienst Twitter (X). "Es geht darum, dass Menschen das Recht auf Asylantragstellung und -prüfung verwehrt wird, insbesondere dann, wenn keine Möglichkeit zur legalen Einreise besteht. Was in Ungarn ja eindeutig der Fall ist." Christoph Riedl von der Diakonie wies die Definition auf Twitter ebenfalls als falsch zurück. "Ein illegaler Pushback liegt dann vor, wenn schutzsuchenden Menschen die Stellung eines Asylantrages verweigert wird." Genau das mache Ungarn systematisch und es helfe auch nicht, dass das in Ungarn Gesetz sei. "Mit diesem Rechtsstaatsverständnis ('Pushbacks sind nur illegal, wenn Gewaltanwendung') ist Karner ein massives Sicherheitsrisiko", kritisierte auch Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination auf dem Kurznachrichtendienst.
Kritik kam auch von den NEOS. Karners Aussagen zu Pushbacks würde zeigen, dass er kein Rechtsstaatsverständnis habe, so Migrationssprecherin Stephanie Krisper in einer Aussendung. Karner solle lieber Ungarn dazu drängen, rechtsstaatliche Standards einzuhalten und Menschen auf der Flucht ein faires Verfahren zu ermöglichen, "statt unsere Polizei um viel Steuergeld in sinnlosen, dubiosen Aktionen in anderen Ländern einzusetzen und die Verantwortung für rechtswidrige Pushbacks nach Brüssel abzuschieben".
Aufklärung gefordert
Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen forderte am Montag Aufklärung darüber, welche konkreten Mechanismen eingerichtet worden seien, "um sicherzustellen, dass Menschenrechte eingehalten werden und österreichische Beamte nicht direkt oder - durch Unterlassung - indirekt an Menschenrechtsverletzungen und Pushbacks an der ungarisch-österreichischen Grenze beteiligt sind". Im aktuellen Diskurs um Asyl- und Migrationspolitik werde der Blick auf die Betroffenen völlig außer Acht gelassen, kritisierte die NGO. "Das zeigt sich auch in der Sprache: Die Dehumanisierung, wenn es um Menschen auf der Flucht geht, ist einem österreichischen Minister nicht würdig." Zuvor hatte das "Ö1"-Morgenjournal am Montag über erneute Vorwürfe von Menschenrechts-NGOs in Ungarn berichtet, wonach österreichische Polizisten in Ungarn Migranten aufgreifen und an die ungarischen Behörden übergeben, die wiederum für die illegalen Pushback sorgen würden.
Die FPÖ kritisierte dagegen am Montag einmal mehr die "Jubelchören" von Karner und dessen ÖVP über die gesunkenen Asylzahlen. "Tatsache ist, dass die sogenannte ÖVP-'Asylbremse' Österreich im langfristigen Vergleich ein Asyl-Plus von 73 Prozent beschert hat", erklärte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung und verwies auf den Mittelwert der Asylanträge der letzten zehn Jahre, der bei 13.283 liege.