Ministerrat

Nach Fall Teichtmeister: Jetzt kommt härteres Kinderschutzpaket

20.09.2023

Das Raab–Zadic-Paket wurde nach monatelangen Verhandlungen offiziell abgesegnet.  

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© APA (Fotomontage)
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Wie am Mittwoch im Ministerrat beschlossen wurde, sollen die Strafen verdoppelt werden. Die Mindeststrafe soll zukünftig sechs Monate betragen. Im Oktober soll der Nationalrat das Paket beschließen, gelten soll das Ganze ab 2024:  

  • Besitz: Derzeit drohen beim Besitz von „Kinderpornos“ bis zu einem Jahr Haft – künftig sind es bei Speicherung von bis zu 30 Dateien bis zu drei Jahre. Hat man mehr als 30 Dateien, liegt der Strafrahmen zwischen 6 Monaten und 5 Jahren. Je jünger die missbrauchten Kinder sind, desto strenger die Strafe.
  • Herstellung/Verbreiten: Da Teichtmeister die Dateien manipuliert hat, würden künftig in seinem Fall (mehr als 10.000 Dateien) bis zu 10 Jahre Haft drohen, ansonsten 5. Derzeit sind es nur 3 Jahre.
  • Berufsverbot: Geplant ist ein Berufsverbot für Pädophile. Jugendstaatssekretärin Plakolm will, dass es zu keinem Kontakt mit Kindern kommt. 

Mit diesem Gesetz wäre Teichtmeister nicht ohne Haft aus Gerichtssaal spaziert

Die genauen Änderungen im Überblick, die der Ministerrat beschlossen hat, zeigt oe24 unten. Klar ist: Mit diesem Gesetz wäre Teichtmeister nicht ohne Haft aus Gerichtssaal spaziert. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) sagt: "Kinder sind das Wertvollste, das wir in unserer Gesellschaft haben – wer sich an ihnen vergeht, zer-stört unschuldige Kinderseelen und muss mit voller Härte bestraft werden". Justizministerin Alma Zadić (Grüne): "Das Tätigkeitsverbote für verurteilte Täter wurde ausgeweitet, damit diese in Zukunft nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen arbeiten dürfen. Die Justiz kommt aber immer erst zum Zug, wenn bereits ein Kind Opfer wurde. Deshalb setzen wir mit den verpflichtenden Kinderschutzkonzepten an Schulen eine langjährige Forderung der Kinder-schutzorganisationen zum besseren Schutz von Kindern um." 

Überblick zu den Änderungen:

• Strafen werden verdoppelt bzw. verdreifacht, Einführung eines Mindeststrafmaßes von sechs Monaten
• „Vielzahl“ wird als zusätzliche Erschwernis aufgenommen
• Lückenschluss beim Berufs- und Tätigkeitsverbot, keine Erfordernis der Erwerbstätigkeit oder -Absicht im Tatbegehungszeitpunkt
• Änderung von „pornographische Darstellungen“ auf „bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen“ - wird niemand verwenden, also „Darstellungen von Kindesmissbrauch“

Änderungen im Strafmaß:

• Besitz Darstellungen von Missbrauch Jugendlicher (14 bis 17 Jahre): 1 Jahr Haft → 2 Jahre
• Besitz Darstellungen von Missbrauch von Kindern (bis 13 Jahre): 2 Jahre Haft → 3 Jahre Haft
• Besitz einer Vielzahl Darstellungen von Missbrauch Jugendlicher (14 bis 17 Jahre): 6 Monate bis 3 Jahre Haft
• Besitz Vielzahl Darstellungen von Missbrauch von Kindern (bis 13 Jahre): 6 Monate bis 5 Jahre
• Herstellung oder Anbieten von Darstellungen von Missbrauch Minderjähriger: 1 bis 5 Jahre
• Herstellung einer Vielzahl von Darstellungen von Missbrauch Minderjähriger mit dem Zweck der Verbreitung: 1 bis 10 Jahre Haft

Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) jubelt: „Der 20. September 2023 ist ein Tag, der zukünftig hoffentlich den Unterschied macht, ob verurteilte Sexualstraftäter als freie Menschen den Gerichtssaal verlassen oder eben nicht. Wir geben mit dieser Gesetzesänderung der Justiz die notwendigen Mittel in die Hand. Konkret verdoppeln und verdreifachen wir das Strafmaß für Menschen, die Darstellungen von Kindesmissbrauch anfertigen oder konsumieren."

Berufs- und Tätigkeitsverbot 

Zukünftig wird es nicht mehr möglich sein, dass Menschen, die sich einmal an Kindern und Jugendlichen vergangen haben, nach Tilgung ihrer Strafe wieder als Feriencampbetreuer oder Kinderfußballtrainer arbeiten können. Dafür soll ein Lückenschluss beim Berufs- und Tätigkeitsverbots sorgen.

© APA/ROLAND SCHLAGER

Künftig drohen bei Besitz von dargestelltem Kindesmissbrauch statt einem Jahr bis zu zwei Jahre Haft, wenn es sich aber um Kindesmissbrauchsmaterial mit unmündigen Minderjährigen handelt bis zu drei Jahren Haft. Neu ist, dass bei Herstellung oder Anbieten einer „Vielzahl“ (= 30+ Licht-bilder oder Videos) von Missbrauchsdarstellungen zum Zweck der Verbreitung künftig sogar bis zu 10 Jahren Haft drohen. Das bedeutet, dass die Strafen im Vergleich zur geltenden Rechtslage teil-weise verdoppelt, zum Teil sogar verdreifacht werden.  

Sexting

Eine Lösung wurde auch für das sog. „Sexting“ unter gleichaltrigen Minderjährigen gefunden. Das Justizministerium regelt künftig per Erlass, dass in solchen Fällen von einer Strafverfolgung abgese-hen werden kann, auch wenn unter 14-Jährige beteiligt sind. Sollte doch die Strafverfolgung ange-zeigt sein, wird zu prüfen sein, ob eine Diversion möglich ist, sofern dies nicht aufgrund der Schwe-re der Tat und  den Folgen für das Opfer ausscheidet. Dafür wurde auch ein neues Diversionsprogramm „Grenzen setzen im Netz" von Neustart entwickelt. Eine Gesetzesänderung ist nicht möglich, da eine gelten-de EU-Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie Straflosigkeit auch bei Einverständnis der abgebildeten Per-son erst ab Erreichen des Alters der sexuellen Mündigkeit zulässt.  

Verstärkte Polizeiarbeit: Ermittlung und Aufklärung

Die Intensivierung der Bekämpfung von derart schwerwiegenden Delikten, die über den Cyber-raum verbreitet werden, ist Teil der Kriminaldienstreform, die vor zwei Wochen präsentiert wurde und im Sommer 2024 in die Umsetzung gehen wird. Im Fokus steht vor allem der Ausbau der Cy-ber-Ermittlungen durch Spezialisten in den Landeskriminalämtern, aber auch durch Schwerpunkt-dienststellen in den Regionen. In den Ermittlungsbereichen „Sexualdelikte“ in den Landeskriminal-ämtern wird im Rahmen der Kriminaldienstreform ein Sonderbereich für Online – Kindesmiss-brauchsdelikte geschaffen. Darüber hinaus wird im Bundeskriminalamt das Cyber Competence Zentrum personell verstärkt – auch das ist bereits im Laufen. Es wird eine spezielle Software im-plementiert, die den automatischen Bildabgleich ermöglicht und dadurch eine Vereinfachung der Ermittlungen ermöglicht. Das wurde bereits eingeleitet.

Opferschutz

Kinder und Jugendliche, die Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind, kämpfen oftmals ihr Leben lang mit den Folgen der Tat und den Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit. Deshalb wird die psychosoziale Nachbetreuung für Opfer von Gewalt um 3,5 Mio. Euro ausgebaut und das Budget der Familienberatungsstellen um 3 Mio. Euro pro Jahr aufgestockt.
Um in der Bevölkerung noch mehr Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen, wird in den kom-menden Monaten eine umfassende Kinderschutz-Kampagne umgesetzt. Diese Kampagne wird federführend von BMJ, BKA und BMSGPK durchgeführt und wird derzeit unter Einbeziehung von Kinderschutzorganisationen und Kindern und Jugendlichen finalisiert. Sie hat das Ziel, Kinder besser vor Gewalt zu schützen und die Kinderrechte zu stärken.
Durch das Maßnahmenpaket wird auch der frühere und oft als verharmlosend kritisierte Begriff der „Pornographischen Darstellung Minderjähriger“ im Gesetz durch den Begriff „Bildliches sexualbe-zogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen“ ersetzt. Dieser neue Begriff orientiert sich stark am englischen „Child Sexual Abuse Material“ (CSAM), das sich international und auch auf europäischer Ebene durchgesetzt hat.
  

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