Nächste Eskalation im Streit um das EU-Renaturierungsgesetz. Die ÖVP bringt Strafanzeige ein.
Jetzt wird der Streit zwischen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und der ÖVP um das EU-Renaturierungsgesetz brutal. Wie oe24 erfuhr, wird die ÖVP sogar Strafanzeige gegen Gewessler einbringen. Und zwar wegen Amtsmissbrauch. Die Strafanzeige soll oe24-Informationen nach bei der Staatsanwaltschaft eingebracht werden.
- Gewesslers "Ja" war entscheidend: EU-Renaturierung abgesegnet
- Edtstadler: "Gewessler begeht Verfassungsbruch"
In einer Aussendung bestätigte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, dass die Volkspartei eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs einbringen wird. Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt legt die Verfassung für die Mitglieder der Bundesregierung aus, und laut diesem sei die Ministerin gemäß der Verfassung an die Stellungnahme der Länder gebunden, erklärte Stocker. "Es besteht der Verdacht, dass Leonore Gewessler mit ihrer Zustimmung zur Renaturierungsverordnung rechtswidrig und wissentlich gegen die klaren Vorgaben des Verfassungsdienstes und gegen die Verfassung handelt - dies begründet Amtsmissbrauch.", führte Stocker aus.
"Es kann nicht angehen, dass sich Umweltministerin Gewessler mit Privatgutachten über den Verfassungsdienst hinwegsetzt und dadurch die gesetzlichen Bestimmungen missachtet. Es ist daher eine gerichtliche Klärung notwendig - die Volkspartei wird den Sachverhalt an die Gerichte in Form einer Strafanzeige herantragen", kündigte Stocker an.
"Verfassungs- und Gesetzesbruch"
Zuvor hatte sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bereits empört über die Entscheidung Gewesslers gezeigt, für die EU-Verordnung stimmen zu wollen. Gewessler begehe "vorsätzliche einen Verfassungs- und Gesetzesbruch", so Edtstadler. "Das ist in höchstem Maße unverantwortlich und befremdlich, ist sie doch wie alle übrigen Regierungsmitglieder vom Bundespräsidenten auf die Verfassung angelobt".
Das Klimaschutzministerium sei verfassungsrechtlich an die Stellungnahme der Bundesländer gebunden und auch an das Bundesministeriengesetz, wonach sie das Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministerium herzustellen habe, so Edtstadler.
Auch Nichtigkeitsklage soll eingebracht werden
Auch eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist geplant. Das Votum Gewesslers entspreche nicht dem innerstaatlichen Willen und könne daher nicht verfassungskonform abgegeben werden, begründete man die Klage im Bundeskanzleramt. Man gehe davon aus, dass der EuGH noch rechtzeitig entscheiden wird, bevor die "Überregulierung" wirksam würde.
Nehammers Brief an den belgischen Ratsvorsitz.
Der belgische EU-Ratsvorsitzende Alain Maron (belg. Grüne) sagte vor dem heutigen Treffen noch, dass man die Möglichkeit eines Votums legal überprüft habe. "Auf unserer Seite wird vom anwesenden Minister im Raum abgestimmt, so läuft das ab", antwortete er auf eine Frage zu Nehammers Ankündigung einer Klage vor dem EuGH. "Für den Rest ist das eine innerösterreichische Kontroverse, die mich nichts angeht."
Gewesslers "Ja" war entscheidend
Bei der Abstimmung der EU-Umweltminister war Gewesslers Zustimmung mitunter entscheidend. Benötigt wurde eine qualifizierte Mehrheit, also eine Zustimmung von 55 Prozent der EU-Länder, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Bei der Abstimmung wurden 66,07 Prozent erreicht, also nur ein Prozentpunkt mehr als nötig.
Rückendeckung von Vize-Kanzler Kogler
Rückendeckung erhielt Gewessler von ihrem Parteikollegen und Vize-Kanzler Werner Kogler. "Es ist ein historisches Ja zum aktuell weltweit wichtigsten Naturschutzvorhaben", teilte er per Aussendung mit. "Ich danke Leonore Gewessler und dem grünen Team für die Zielstrebigkeit, die Entschlossenheit und den entscheidenden Schritt, der heute gegangen wurde."
Das sieht die EU-Verordnung vor
Das EU-Renaturierungsgesetz (Nature Restoration Law) ist ein zentraler Teil des umfassenden Klimaschutzpakets "Green Deal", mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Das übergeordnete Ziel ist die langfristige und nachhaltige Wiederherstellung biologisch vielfältiger und widerstandsfähiger Ökosysteme. Das bedeutet unter anderem aufgeforstete Wälder, wiedervernässte Moore sowie natürlichere Flussläufe und infolge den Erhalt der Artenvielfalt.
Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission vom Juni 2022 stieß auf viel Kritik. In den Verhandlungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem Europaparlament wurde die Verordnung aber abgeschwächt und den EU-Ländern wesentlich mehr Flexibilität bei der Umsetzung eingeräumt. Trotzdem schwenken einige Staaten trotz Kompromiss unter dem Eindruck von Bauernprotesten und der EU-Wahl um. Dadurch war bis zunächst unklar, ob die nötige Mehrheit im Rat der EU-Staaten zustande kommen würde.