Dass die erhoffte Mietpreisbremse nicht kommt, sich die Regierung dafür auf eine Wohnkostenhilfe in Höhe von 250 Mio. Euro geeinigt hat, empört die Arbeiterkammer (AK), die Gewerkschaft (ÖGB) und die Opposition.
Die türkis-grüne Regierung hat sich nun doch zu einer Hilfe gegen die stark steigenden Mieten durchringen können. Die von den Grünen forcierte Mietpreisbremse kommt wegen des Widerstands der ÖVP nicht, stattdessen wird es als Kompromiss Einmalzahlungen geben, konkret werden als Wohnkostenhilfe 250 Millionen Euro lockergemacht, davon 25 Millionen Euro als Aufstockung für den Wohnschirm gegen Delogierungen.
Kompromiss
Damit steht die Einigung nach wochenlangem Gezerre gerade noch rechtzeitig vor dem Finanzausschuss am Donnerstag. Die Zeit drängt, denn Mieterinnen und Mietern in Altbauten steht bald eine Erhöhung der Richtwertmieten um 8,6 Prozent ins Haus. Mittwochmittag präsentierten schließlich Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubchef August Wöginger den Kompromiss im Pressefoyer nach dem Ministerrat. "Wir hatten da durchaus unterschiedliche Zugänge", räumte Rauch ein. Die Grünen hätten die Erhöhung gern über mehrere Jahre gestreckt, was auch inflationsdämpfend gewirkt hätte, betonte der Minister. Man habe jedenfalls "Kompromissvarianten gesucht und gefunden", um die steigenden Mieten abzufedern.
Die nunmehrige Lösung gilt nicht nur für Richtwertmieten. Für die bestehenden Wohn- und Heizkostenzuschüsse der Länder werden vom Bund weitere 225 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Ziel sei es, einkommensschwache Haushalte zu unterstützen, erklärte Rauch. Um den Zuschuss zu erhalten, muss man einen Antrag stellen. Die genaue Ausgestaltung wie etwa die Einkommensgrenze obliegt den Bundesländern, die Richtlinien für die Wohn- und Heizkostenzuschüsse sind dort recht unterschiedlich ausgestaltet.
Eine Million Haushalte sollen profitieren
Wöginger rechnet damit, dass etwa eine Million Haushalte mit durchschnittlich je 200 Euro profitieren wird. Diese Lösung sei "sozial gerechter" und "zielgerichteter", meinte Wöginger. Der Zuschuss werde "in Windeseile" auf den Weg gebracht, wies Wöginger Kritik zurück, wonach man zu spät dran sei. Am morgigen Donnerstag soll die Wohnkostenhilfe im Finanzausschuss behandelt werden, kommende Woche dann im Nationalratsplenum und im April schließlich im Bundesrat.
Ursprünglich hatte die Koalition über eine Mietpreisbremse verhandelt, mit der die Erhöhung über mehrere Jahre gestreckt werden sollte. Die ÖVP wollte auch für die Vermieter, die bei einer Mietpreisbremse einen spürbaren Einnahmenverzicht hätten, Verbesserungen haben, nämlich attraktivere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten bei klimafreundlichen thermischen Sanierungen. Weiters wollte die ÖVP Käufer und Häuslbauer entlasten, beim Kauf einer Immobilie sollten die ersten 500.000 Euro von der Grunderwerbssteuer (3,5 Prozent des Kaufpreises) befreit werden.
Den Grünen war der Steuervorstoß der ÖVP zu weit gegangen, da damit auch Luxusimmobilienkäufer entlastet würden. Sie schlugen vor, den Grunderwerbsteuersatz ab einem Kaufpreis von 1 Mio. Euro von 3,5 auf 5 Prozent zu erhöhen. Das sollte den Gemeinden, die diese Steuer einheben, zur Gegenfinanzierung dienen. Die ÖVP brachte dann stattdessen am Montag überraschend einen 200 Millionen Euro schweren "Wohnkostenzuschuss" statt der Mietpreisbremse ins Spiel. Dass Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zuletzt die Erhöhung der Richtwertmieten als primär regionales Wiener Problem bezeichnete, sorgte dann auch noch für Verstimmung in der Bundeshauptstadt - Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ortete beim Finanzminister "Ignoranz gegenüber der Wiener Bevölkerung".
Empörung und 'Riesensauerei'
Als "Riesensauerei" bezeichnet die AK die Einigung, der ÖGB spricht von einem "schwachen Kompromiss" und fordern einen "vollen Mieten-Stopp". Die Opposition sieht keine nachhaltige Entlastung.
Die Regierung befeuere die Inflation nun weiter anstatt sie zu bekämpfen, so die AK. "Die hohen Mieten sind einer der größten Inflationstreiber - das ist ein Teufelskreis. Diese Inflationsspirale muss unterbrochen werden", sagte AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung. Nun müssten die Steuerzahler die ohnehin schon fetten Sondergewinne der Immobilienbranche weiter finanzieren.
Enorme Mietsteigerung: 200 Euro einmalig keine große Hilfe
Die Grüne Nina Tomaselli meinte im "PULS 24 Interview", die Grünen seien kompromissbereit gewesen, auch was die Entlastung junger Familien beim Hausbau betrifft. Doch sogar die jungen Familien seien der ÖVP letztlich egal gewesen, um die Mietpreisbremse zu stoppen. Die Volkspartei habe immer wieder neue Forderungen aufgestellt. "Die ÖVP wollte mit den vielen Gegenforderungen die Mietpreisbremse offenbar von Anfang an verhindern", sagte Tomaselli. Grund dafür sei, dass die ÖVP "ihre wohlhabende Klientel, sei es die Vermieterinnen und Vermieter (...) sei es wohlhabende Immobilienkäufer" schützen wollte, so Tomaselli.
Von der FPÖ kam erwartungsgemäß Kritik, sie spricht von einer "zynischen Almosenpolitik". Parteiobmann Herbert Kickl sprach von einer "eiskalten wohn- und sozialpolitischen Verantwortungslosigkeit", welche die schwarz-grüne Bundesregierung mit der heute präsentierten Einigung "wieder einmal unter Beweis gestellt hat".
Die Regierung befeuere die Inflation nun weiter anstatt sie zu bekämpfen, so die AK. "Die hohen Mieten sind einer der größten Inflationstreiber - das ist ein Teufelskreis. Diese Inflationsspirale muss unterbrochen werden", sagte AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung. Nun müssten die Steuerzahler die ohnehin schon fetten Sondergewinne der Immobilienbranche weiter finanzieren.
Wohnkostenhilfe sei nicht nachhaltig
Die Wohnkostenhilfen seien nicht nachhaltig, so die AK weiter. Rund 2 Millionen Österreicher würden angeben, dass sie demnächst Zahlungsschwierigkeiten bei den Wohnkosten befürchten. Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) dringt auf einen "Vollstopp" bei den Mieten, da viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr wüssten, wie sie sich ihre Wohnkosten leisten könnten. "Eine Wohnkostenhilfe ist bestenfalls ein schwacher Kompromiss, den sich die Steuerzahler:innen selbst finanzieren", so Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB.
Auch die Mietervereinigung Österreich (MVÖ) meldete sich kritisch zu Wort. "Hunderttausenden Mietern wurde ein letztklassiges Schauspiel vorgesetzt, ihre Hoffnungen erst geweckt, dann enttäuscht, und schließlich begraben", so MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler. Die Mietervereinigung fordert Mietpreisgrenzen, das Aus für befristete Mietverträge und die Neugestaltung des Betriebskostenkatalogs, um Wohnen "wieder leistbar" zu machen.
Einmalzahlung wirkt nicht gegen Inflation
Die SPÖ schlägt mit ihrer Kritik in dieselbe Kerbe wie die AK und die Gewerkschaft. "Ein Wohnkostenzuschuss kann für einige eine kurzfristige Hilfe sein, löst aber das Problem nicht, sondern ist wieder nur eine Einmalzahlung, die nicht gegen die Inflation wirkt", sagte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. "Die höheren Mieten werden ein Vielfaches dieses Zuschusses ausmachen - und diesen Zuschuss gibt es ja nur heuer", so Leichtfried weiter. Bis April 2025 sieht er eine Mietsteigerung von insgesamt 26 Prozent.
Auf Treffsicherheit bei der Wohnkostenhilfe pochen die NEOS. Es müsse gezielt denen geholfen werden, die die Unterstützung auch brauchen. "Hilfen mit der Gießkanne und wie bisher lehnen wir ab, ebenso Einmalzahlungen, die in Zeiten hoher Inflation nicht nachhaltig helfen", so NEOS-Wohnsprecher Johannes Margreiter.
Zu den zahlreichen Reaktionen gesellte sich auch das gewerkschaftsnahe Momentum Institut. "Eine Mietpreisbremse wäre unmittelbar wirksam, treffsicher, nachhaltig, und inflationsdämpfend gewesen. Die Mietpreisspirale dreht sich damit ungebremst weiter. Österreich läuft damit Gefahr, dass die Inflation weiterhin über jener in der Eurozone liegen wird", erklärt so Alexander Huber, Ökonom am Institut.
Die industrienahe Agenda Austria wiederum hielt fest: "Der Sozialstaat ist gefordert, den bedürftigen Menschen in dieser Situation zu helfen. Der Mietkostenzuschuss macht genau das und ist damit endlich einmal keine Gießkannenpolitik. Es ist eine gute Nachricht, dass die Mietpreisbremse endgültig vom Tisch ist", so Agenda Austria-Ökonom Hanno Lorenz.