Hohe Löhne Grund für Inflation?
Wirbel um Teuerungs-Sager von Finanzminister Brunner
28.06.2023Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat mit seiner Aussage, wonach die hohen Lohnabschlüsse Grund für die EU-weit vergleichsweise hohe Inflation in Österreich sind, für Wirbel gesorgt.
Kritik kommt vom Koalitionspartner ebenso wie von SPÖ, FPÖ und den Gewerkschaften. Der Minister solle sich nicht in die KV-Verhandlungen einmischen, sind sich alle einig - und SPÖ wie GPA werfen der ÖVP vor, eine Partei der Reichen zu sein, für die FPÖ fehlt der Kanzlerpartei das "Gespür".
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sieht in Österreich aus wissenschaftlicher Sicht jedenfalls keine erwartungsbasierte Lohn-Preis-Spirale. "Wir haben sie nicht im Jahr 2022, heuer und wir haben sie auch im nächsten Jahr nicht", sagte Felbermayr am Dienstag bei der Präsentation der Wifo/IHS-Prognose auf Journalistennachfrage. Solange bei Kollektivvertragsverhandlungen die sogenannte Benya-Formel - wie seit den 1960er-Jahren - angewendet werde, dann würden die Löhne und Gehälter immer indexiert an der Vergangenheit.
"Jeder versteht unter dem Terminus was anderes", so Felbermayr. Was Finanzminister Brunner wahrscheinlich meine und wo er richtig liege, sei die Tatsache, dass die gestiegenen Kosten für die Unternehmen teilweise in höhere Preise umgewälzt werden, wenn die Löhne nach den Lohnverhandlungen im Herbst steigen. So sagte das Brunner auch Mittwoch zu Mittag nach dem Ministerrat.
Brunner: Hohe Lohnabschlüsse Grund für Inflation
Zur Vorgeschichte: In der ORF-Sendung "Report" hatte Brunner Dienstagabend gemeint, Österreichs Inflation sei heuer "leicht über den europäischen Schnitt", die Gründe dafür "sind auf jeden Fall die hohen Lohnabschlüsse". Österreich habe mit Belgien die höchsten Abschlüsse in der EU, "das treibt die Inflation natürlich an". Jeder Prozentpunkt Lohnsteigerung heize die Inflation um 0,3 Prozentpunkte an, so der Finanzminister.
Kritik von den Grünen, Gewerkschaft und SPÖ
Das hörte sich wiederum bei der Grünen Klubobfrau Sigrid Maurer in der darauffolgenden "ZiB2" anders an. Dass die Lohnabschlüsse die Treiber der Inflation seien widerspreche den Darstellungen der Wirtschaftswissenschafter. Auch sei es angesichts der hohen Inflation "unangebracht, der Bevölkerung auszurichten", sie sollten niedrigeren Lohnabschlüssen zustimmen. Sie als Politikerin überlasse die Lohnverhandlungen den Sozialpartnern.
Diesen Ball nahm GPA-Vorsitzende Barbara Teiber heute dankbar auf. "Minister Brunner sollte sich ein Vorbild an Klubobfrau Maurer nehmen, die in der ZIB2 richtig erkannt hat, dass Kollektivvertragsverhandlungen Sache der Sozialpartner sind. Die Regierung täte gut daran, sich nicht einzumischen", so die Gewerkschafterin.
"Der Finanzminister verteidigt die Milliarden-Überförderung durch die COFAG, tut nichts gegen höhere Mietpreise, schützt das Vermögen Superreicher vor einer Millionärssteuer und richtet zeitgleich den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus, sie mögen auf Gehalt verzichten", kritisierte Teiber und legte nach: "Im ÖVP-Weltbild sind aber offenbar höhere Gehälter etwas Schlechtes, während höhere Gewinne immer gut sind."
Unterstützung kommt von der SPÖ: "Höhere Löhne sind Folge, nicht Ursache der Inflation", so SPÖ-Klubobmann Philip Kucher. Er ortet bei Brunner heute "blanken Zynismus oder unglaubliche wirtschaftspolitische Ahnungslosigkeit".
Aus Brunners Sicht hat die Regierung ihren Beitrag für maßvolle Lohnabschlüsse geleistet, etwa durch die Abschaffung der kalten Progression oder die Steuerfreistellung von Prämien. Eingriffe in den Markt, um Preise zu dämpfen, lehnt Brunner hingegen ab. "Es ist immer ein Fehler, zu sehr in den Markt einzugreifen", sagte er im "Report". Österreichs Maßnahmen seien im internationalen Vergleich treffsicher, versicherte Brunner. Auch das bekräftigte er einmal mehr nach dem Ministerrat.
Das sieht die SPÖ anders. "Während Spanien schon fast wieder bei drei Prozent Inflation liegt, sind es in Österreich immer noch fast zehn Prozent. Und - wie die heutige Prognose von IHS und WIFO zeigt - wird in Österreich die Inflation im heurigen Jahr hoch bleiben", so Klubobmann Kucher.
Und auch für FPÖ-Chef Herbert Kickl ist klar: "Der schwarze Finanzminister hat überhaupt kein Gespür für die Menschen." Kickl plädierte heute für eine Preisbremse, umfassende Steuersenkungen auf Grundnahrungsmittel, Energie und Treibstoffe und ein sofortiges Aus für die Russland-Sanktionen.
Es "ist natürlich ein Missverständnis", sagte Brunner am Mittwoch nach dem Ministerrat. Er habe schließlich mehrere Gründe für die hohe Inflation versucht zu erläutern. Dies lägen in den Energiekosten mit den hierzulande langfristigen Energieverträgen, die Zusammenstellung des Warenkorbs und auch die hohen Lohnabschlüsse. "Man muss das gesamte sehen." Er wiederholte auch, dass durch die Abschaffung der Kalten Progression nunmehr bei einer 7-prozentigen Lohnerhöhung auch 7 Prozent bleiben würden, während es vor der Abschaffung nur 5 Prozent gewesen wären.