Faymann prescht vor
Reichen-Steuer erregt die Reichen
31.08.2011
Kanzler will sie unbedingt: VP & Reiche toben. 74.000 Millionäre zittern.
Die Reichensteuer spaltet Österreich: Betroffene sind über die Kanzlerpläne sauer. Experten warnen vor Kapitalflucht. Doch SPÖ bleibt hart.
Polit-Österreich diskutiert nur über das eine: die Reichensteuer. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) untermauert seine Forderung im ORF-Sommergespräch. Seitdem sind Durchschnittsverdiener begeistert – und die Reichen sauer. Tatsächlich hat der Kanzler gute Argumente:
● 74.000 Millionäre: Österreich hat rund 74.000 Millionäre, erhob der liechtensteinische Vermögensberater Valluga. Und: Das reichste Prozent der Österreicher besitzt 27 Prozent des gesamten Vermögens – und zahlt dafür vergleichsweise wenig Steuern.
● Gewinnsteuern sinken: Denn die Staatseinnahmen aus Lohnsteuern sind seit 2009 um 19,2 % gewachsen – die Einnahmen aus Gewinnsteuern 7,4 % gesunken.
Nur: Viele Experten warnen vor der Vermögenssteuer. So rechnet der prominente Steuerberater Karl Bruckner mit einer regelrechten Kapitalflucht. Allein in den letzen Tagen hätten drei seiner Klienten angekündigt, Österreich zu verlassen, falls die Reichensteuer à la Faymann kommen sollte. Und: Bruckner warnt davor, dass der Schaden deshalb größer sein würde als der Nutzen: „Die Einnahmen werden sich in Grenzenhalten.“
Dieser Ansicht ist auch der frühere SPÖ-Vizekanzler Hannes Androsch: „Die Reichensteuer bringt fiskalisch nichts.“ Und Promi-Baumeister Richard Lugner sagt: „Unsere Einkommenssteuer liegt jetzt schon bei fast 50 %. Wenn man die Hälfte abgibt, ist das großzügig genug.“ Allein Pop-Barde DJ Ötzi alias Gerry Friedle sagt: „So lange es dem Staat dient, ist es okay.“
Pühringer für Steuer
Die ÖVP ist strikt gegen die Pläne Faymanns. Nur OÖ-Landeshauptmann Josef Pühringer kann sich gegenüber ÖSTERREICH vorstellen, Reiche zur Kasse zu bitten, denn „die VP verteidigt kleine Häuselbauer, aber keine Reichen“. Pühringer will sie aber anders zur Kasse bitten: Durch eine Steuer auf Kapitalflucht, wenn sie also das Land verlassen.
So funktioniert die neue Steuer
ÖSTERREICH recherchierte, wie die neue Reichensteuer funktionieren soll. Porsche, Flick & Co. würden – theoretisch – mächtig zur Kasse gebeten.
Steuersatz:
Laut Kanzler Werner Faymann soll sich der Steuersatz zwischen 0,3 und 0,7 Prozent für alle Vermögensanteile über einer Million Euro bewegen. Für 100.000 Euro über der Million wären also zwischen 300 und 700 Euro zu bezahlen.
Ausnahmen geplant:
Die erste Million des Vermögens wäre steuerfrei. Zudem geht es dem Kanzler ausschließlich um Privatvermögen. Firmenvermögen wären nicht betroffen. Sehr wohl müssten aber Anteile Privater an Firmen versteuert werden. Ebenfalls Ausnahmen könnte es geben für Hauptwohnsitze, Antiquitäten oder Kunstgegenstände usw.
Steuererklärung:
Geplant ist eine jährliche Steuererklärung, in der jeder seine Vermögenswerte deklarieren muss. Überprüfen soll das die Finanz durch Stichproben.
Bemessungsgrundlage wäre das Nettovermögen, also Vermögen minus Verbindlichkeiten, etwa Kredite.
Beispiel:
Jemand besitzt ein Haus mit einem großen Grundstück (Wert 900.000 €), hat Sparbücher bzw. Aktienanteile (von 400.000 €) – aber noch einen Kredit laufen, von dem noch 100.000 Euro offen sind. Macht ein Gesamt-Nettovermögen von 1.200.000 €. Somit fielen für 200.000 € zwischen 600 und 1.400 € pro Jahr an Steuer an.
Wie viel kassiert die Finanz?
Faymann rechnet mit Einnahmen zwischen 500 Mio. und zwei Milliarden Euro. Allerdings: Ausnahmen verringern diese Summe. In Frankreich werden durch die Vermögenssteuer (Satz bis zu 1,8 %) 4,2 Mrd. Euro eingenommen. Umgelegt auf Österreich wären es 600 Mio. Euro.
Superreiche
Österreichs Superreiche, wie Piëch, Porsche und Flick, müssten kräftig zahlen – denn aus der SPÖ ist zu hören, dass auch deren Stiftungen im Visier sind. Die Familie Flick zum Beispiel (Vermögen 6,2 Mrd. Euro) müsste pro Jahr 43,4 Millionen Euro Vermögenssteuer zahlen. Theoretisch, praktisch sind sicher Schlupflöcher zu finden – bis zur Abwanderung aus Österreich.
Steuer-Experte: "Reiche würden Land verlassen"
ÖSTERREICH: Der Kanzler plant eine Steuer auf große Vermögen. Halten Sie das für sinnvoll?
Karl Bruckner: Nein, ich habe noch die Vermögenssteuer bis 1993 erlebt. Um es auf den Punkt zu bringen: Der Verwaltungsaufwand ist enorm, die Klienten werden von der Finanz schikaniert – und das, was in die Kassen des Fiskus fließt, wird sich in Grenzen halten.
ÖSTERREICH: Also sind Sie dagegen?
Bruckner: Ich glaube, man hat noch vieles gar nicht bedacht: So ist völlig unklar, wie Immobilien bewertet werden, dabei ist das eine Gretchenfrage. Außerdem: Aktien oder Vermögen auf Sparbüchern könnten ohne ein neues Verfassungsgesetz gar nicht besteuert werden. Das ist im Gesetz für die Kapitalertragssteuer mit Zweidrittelmehrheit so verankert.
ÖSTERREICH: Gegner der neuen Steuer warnen davor, dass Reiche das Land verlassen. Ist das auch Ihre Erfahrung?
Bruckner: Mit einer Kapitalflucht ist zu rechnen. In den letzten Tagen hatte ich drei Klienten mit Vermögen teilweise deutlich über einer Million, die das Land verlassen würden. Der Hauptwohnsitz ist schnell nach Bratislava verlegt.(gü)