ZIB2-Interview
Renaturierung kostet Europa 154 Milliarden Euro
18.06.2024Ulrike Bittner von Greenpeace und Georg Strasser vom Bauernbund sprachen in der ZIB2 mit Armin Wolf über das Renaturierungsgesetz.
In der ZIB2 des ORF waren diesmal Ulrike Bittner von Greenpeace und Georg Strasser vom Bauernbund zu Gast. Im Interview mit Armin Wolf teilten sie ihre Meinungen zum Thema rund um das Renaturierungsgesetz mit.
Ulrike Bittner von Greenpeace
Die Renaturierung markiere einen Meilenstein, sie sei ein extrem wichtiges Gesetz für Österreich und die EU. Derzeit seien gut 80 Prozent der geschützten Flächen in einem schlechten Zustand. Nicht die Renaturierung stelle das große Problem dar, sondern die Bodenversiegelung. Diese habe sich mittlerweile auf eine Fläche ausgeweitet, die so groß ist wie das Burgenland. Mit dem Renaturierungsgesetz gebe die EU lediglich Rahmen und Ziele vor, während die Umsetzung den Nationalstaaten unterstehe. Die Bauern würden nicht allein gelassen, dafür sorgen verschiedene Finanzierungsprogramme der EU. Das Gesetz wäre wichtig im Kampf gegen die Klima- und die Artenkrise, wodurch am Ende auch die Ernährungssicherheit gegeben sei.
Allein mit Anreizsystemen würde man nicht weiterkommen. Es brauche eben ein flächendeckendes Gesetz, um Gebiete in schlechtem Zustand in einen guten Zustand zu bringen. Landwirtschaft sei nämlich immer abhängig von guter Natur. Insgesamt müsse bis 2050 deutlich mehr gemacht werden, um sicher vor der Klimakrise und Artenkrise zu sein und um Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Die Wissenschaft spreche sich für das Renaturierungsgesetz aus, überhaupt seien außer der Landwirtschaft und der ÖVP alle dafür. Hier brauche es also ein Umdenken. Derzeit herrsche zu viel Desinformation vor. Das Thema Enteignungen und die ungewisse Zukunft würden Sorgen für die Bauern darstellten, die eigentlich unberechtigt seien. Im Gegenteil: Wenn jetzt nichts geschehe, würde man zehn Mal höhere Kosten haben als die 154 Milliarden Euro, um die es jetzt in der EU gehe. Ein Zubetonieren würde also weit mehr Probleme bringen als bisher. Sollte das Gesetz am Ende doch nicht zustande kommen, wäre das extrem frustrierend.
Georg Strasser vom Bauernbund
Er sei sehr enttäuscht von Frau Minister Gewessler, die einen klaren Rechtsbruch begangen und eine rote Linie überschritten hätte. Ihr Verhalten sei schlicht unwürdig gewesen. Das Renaturierungsgesetz gebe pauschale Ziele vor, die verpflichtend einzuhalten wären. Das stelle eine große Sorge für die Lebensmittelproduktion in Österreich dar. Man spreche hier von einer Fläche, die so groß wie die Steiermark ist, und nicht mehr bewirtschaften würde. So tappe man in eine Importfalle, weil Lebensmittel teurer und die Importe dadurch steigen würden.
Das Problem sei, dass die EU von oben herab Ziele vorgebe, was den Menschen schlicht auf die Nerven gehe. Dabei sei weder der Rahmen noch die Finanzierung gesichert. Was es brauche, seien Programme, die mehr Anreize liefern. Das Spiel sei ein einfaches: Ziele vorgeben und die Betroffenen dann alleine im Regen stehen lassen. Strasser befürworte vielmehr die Taktik: Schützen statt Nützen. Laut einer Studie des Ministeriums sei der Insektenstand seit 30 Jahren auf einem gleichen Niveau geblieben - und das große Sterben somit ausgeblieben. Nur ein bewirtschafteter Wald sei ein klimafitter Wald. Und: Warum sollte ein Blick in die Vergangenheit gleich jener in die Zukunft sein?
Mit dem neuen Gesetz kämen nun Kosten in Höhe von 154 Milliarden Euro auf die EU zu, wobei in Wirklichkeit mit deutlich höheren Beträgen zu rechnen sei. Denn auch die Städte und Gemeinden müssten dabei Klimaziele umsetzen, wodurch der Wohnraum deutlich teurer werden könnte. Alles in allem sei Gewessler nicht befugt gewesen, dem Gesetz zuzustimmen, weshalb die ÖVP auch eine Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht habe. Letzten Ende würden aber unabhängige Gerichte darüber entscheiden müssen.