Rendi-Wagner: "Es droht Pandemie der Armut"
06.05.2020
Die 'historische Mitgliederbefragung gibt der SPÖ Kraft', sagt die als SPÖ-Chefin nach der Umfrage.
Neustart für SPÖ. 71 Prozent der Mitglieder haben Rendi-Wagner das Vertrauen als SPÖ-Chefin ausgesprochen. In ihrer ersten Rede nach dem Votum hat sie vor allem Anteil an den Arbeitslosen und Kurzarbeitern genommen. Die Hauptbotschaft war: "Es droht die Pandemie der Armut", so die SPÖ-Chefin.
Nach dem SPÖ-Parteivorstand in der Marx Halle in Wien – mit vorbildlichen Zwei-Meter-Abständen – erklärte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner, wie sie das Ergebnis der SPÖ-Mitglieder-Befragung für sich und die Partei interpretiert.
Die Rote machte klar, dass sie sich durch das Ergebnis klar gestärkt sehe und einen „großen Rückhalt“ empfinden würde:
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Rekordergebnis: „Ich freue mich über das Ergebnis und die Rekordbeteiligung an der Mitgliederbefragung.“
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Mitglieder: „Das Rekordergebnis zeigt, dass es richtig ist, unsere Mitglieder einzubinden. Sie wollen mitreden und sie wollen, dass ihre Meinung auch gehört wird.“
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Vertrauen: „46.579 SPÖ-Mitglieder haben mir ihr Vertrauen gegeben und damit die gesamte SPÖ gestärkt.“
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Rückhalt: „Dieses große Vertrauen unserer Mitglieder gibt mir und der gesamten SPÖ Rückhalt und Kraft für die kommenden wichtigen politischen Aufgaben.“
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Themen: „Angesichts von Rekordarbeitslosigkeit und steigender Armut steht Österreich vor immensen Herausforderungen. Deshalb braucht es eine starke SPÖ.“
"Ab heute wird nur gearbeitet"
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will das für sie positive Votum der Mitgliederbefragung nicht zum Ausbau der eigenen Befugnisse nützen sondern ab sofort wieder verstärkt Inhalte vorantreiben. In einer Pressekonferenz nach dem Parteivorstand betonte sie: "Ab heute wird nur gearbeitet."
Drei Schwerpunkte hat Rendi-Wagner ihrer Partei vorgeschrieben. Es gehe um eine Stärkung des Sozialstaats, Investitionen in Beschäftigung und mehr Steuregerechtigkeit - alles Themen, die die Parteichefin aus dem Mitgliedervotum herausliest und bei denen Handlungsbedarf bestehe. Durch die Coronakrise drohe nun eine Pandemie der Armut. Gegen die gebe es aber jetzt schon einen wirksamen Impfstoff und der heiße Solidarität.
Persönlich fühlt sich Rendi-Wagner durch die Mitglieder gestärkt und die große Teilnahme stärke auch die Partei als ganzes. Ob sich solche Befragungen noch ausdehnen lassen etwa auf die Frage des Parteivorsitzes, ließ sie offen. Rendi-Wagner verwies auf den Linzer Bürgermeister Klaus Luger, der eine entsprechende Urabstimmung in seiner Stadtorganisation angekündigt hat. Aus diesen Versuchen werde man später entsprechende Schlüsse ziehen.
Grundsätzlich habe sich aber bei der am 2. April zu Ende gegangen Befragung erwiesen, dass ihr Mut, sich nicht davor zu scheuen, die Mitglieder mitreden zu lassen, der richtige Weg gewesen sei. Viele im Vorstand seien dann auch überrascht gewesen "über das stärkende Ergebnis". Eine Botschaft der Basis hob Rendi-Wagner besonders hervor - dass auch die Mitglieder zum allergrößten Teil der Überzeugung seien, dass man Positionen zunächst intern diskutieren und dann gemeinsam nach außen vertreten solle.
Dass sie bei der nächsten Wahl Spitzenkandidatin wird, davon geht Rendi-Wagner aus. Davor stehe aber noch ein Bundesparteitag.
SPÖ-Basis hält Rendi-Wagner im Sattel
Spätestens seit der krachenden Wahlniederlage bei den Bundeswahlen im Vorjahr stand Rendi-Wagner im Fokus auch öffentlicher Kritik aus den eigenen Reihen, anhaltend schwache Umfragewerte beeinträchtigten ihr Standing zusätzlich. Daher entschloss sich die SPÖ-Chefin im Februar gegen den erklärten Willen praktisch des gesamten Partei-Establishments, die ohnehin geplante Mitgliederbefragung um eine Vertrauensfrage zu ergänzen. Abgestimmt werden konnte bis 2. April, das Ergebnis wurde wegen der Coronakrise aber erst heute im Vorstand präsentiert. Dafür musste extra die Marx-Halle in Wien-Erdberg angemietet werden, um die Abstandsregeln wahren zu können.
Was Rendi-Wagner von der Wahlkommission zu hören bekam, war ganz nach dem Geschmack der Vorsitzenden. Die Zustimmung von 71,4 Prozent war im Bereich des Erwartbaren, die Rekordbeteiligung von 41,3 Prozent dagegen eine echte Überraschung.
Ihr Mut habe sich also gelohnt, frohlockte die Parteivorsitzende im Anschluss an den Vorstand. Das Votum stärke nicht nur sie sondern die ganze Partei. Viele im Vorstand seien überrascht gewesen "über das stärkende Ergebnis".
Gesundheit wichtigstes Thema bei Mitgliederbefragung
Die Stärkung der öffentlichen Gesundheitsversorgung war das Top-Thema des inhaltlichen Teils der SPÖ-Mitgliederbefragung. Gleich 85,7 Prozent der Teilnehmer bewerteten diese Forderung als "sehr wichtig". Dahinter folgen die Sicherstellung der Pflege aus öffentlichen Mitteln sowie eine stärkere Besteuerung von Millionenvermögen mit etwas über 80 Prozent.
Ebenfalls noch eine sehr hohe Zustimmung von über 79 Prozent erhielt die Forderung nach einer abschlagsfreien Pension. Am anderen Seite der Skala findet sich das Recht auf eine Vier-Tages-Woche, das nur 33 Prozent für sehr wichtig halten. Auch die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Mieten sowie der Wunsch nach mehr Polizei bekamen vergleichsweise geringere Priorität zugeschrieben (44 Prozent sehr wichtig). Knapp unter der 50-Prozent-Marke der "Sehr wichtig"-Nennungen lag die Klimaschutz-Milliarde, knapp darüber das Prinzip "Integration vor Zuzug".
Wenig überraschend wurde allen aufgeworfenen Fragen mehrheitlich entweder die Bewertungen "sehr wichtig" oder "wichtig" zugeordnet. Aber immerhin 30 Prozent nannten die Vier-Tage-Woche nicht oder "weniger wichtig".
Ziemlich satt haben dürften die Mitglieder die ständigen öffentlich ausgetragenen Debatten in der Partei. 89,9 Prozent sind der Meinung, dass die SPÖ bei aktuellen Themen ihre Positionen intern ausdiskutieren soll, um dann nach außen eine klare gemeinsame Linie zu zeigen.
Kaiser ortet "deutlichen Rückenwind" für Rendi-Wagner
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sieht in dem Ergebnis der Mitgliederbefragung der Sozialdemokraten "deutlichen Rückenwind" für Pamela Rendi-Wagner. Bei einer "für viele unerwartet hohen Beteiligung" sei die Zustimmung für die Parteichefin von 71,4 Prozent "erfreulich gut" ausgefallen, teilte er am Mittwoch mit.
Kaiser appellierte daher, "die nervigen und uns selbst fesselnden Führungsdiskussionen unverzüglich einzustellen". Die Coronakrise mache deutlich, "wie sehr die Bevölkerung die Sozialdemokratie braucht", sagte er.
Unterstützung für Rendi-Wagner kam auch aus der Steiermark. Der steirische SPÖ-Landesparteivorsitzende Anton Lang forderte nach der Bekanntgabe des Ergebnisses "vollen Rückhalt" für die SPÖ-Spitzenfrau. Es gelte nun, "den Fokus wieder auf die Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu legen", teilte er mit. Lang machte ebenso wie Kaiser deutlich, dass "sämtliche Personaldebatten nun zu beenden sind."
Der Landesparteivorsitzende der SPÖ Salzburg, Walter Steidl, sieht in dem Ergebnis ein klares Signal für einen Neustart der Sozialdemokratie. "Ich bin von der Zustimmung für Pamela Rendi-Wagner und von der überwältigenden Beteiligung äußerst positiv überrascht", teilte er mit und fügte hinzu: "Sie ist in der Lage, die Partei und Österreich in eine gute Zukunft zu führen."
Ganz anders sieht das die FPÖ, die das Ergebnis der Mitgliederbefragung nach eigenen Angaben "mit großem Interesse" zur Kenntnis genommen hat. Die Freiheitlichen "begrüßten" den Verbleib Rendi-Wagners in der Löwelstraße, sehen das Ergebnis aber nicht als großen Erfolg. Die SPÖ-Vorsitzende werde nur von rund einem Viertel der SPÖ-Mitglieder unterstützt, hieß es in einer Aussendung. Die große Mehrheit hingegen hätte sich in stummem Protest oder aktiver Ablehnung geübt, findet die FPÖ und schreibt: "Damit verbleibt eine durch das Votum weiter geschwächte Rendi-Wagner an der Spitze der SPÖ."
Oö. Landeschefin: Rendi-Wagner hat trotz Widerstands gesiegt
Auch Oberösterreichs SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer zeigte sich "sehr überrascht" über die hohe Beteiligung an der Mitgliederbefragung. Außerdem freue sie sich "ehrlicherweise" über die 71-Prozent-Zustimmung für Pamela Rendi-Wagner, weil "sie einen mutigen Schritt gegen den Widerstand einiger gesetzt hat" und die Vertrauensfrage gestellt habe.
Jetzt sei es aber an der Zeit, sich wieder auf die Sachthemen zu konzentrieren, meinte die Landesrätin. Laut Befragung stehe das "Gesundheitsthema an oberster Stelle", was durch die Corona-Pandemie einmal mehr an Bedeutung gewonnen habe.
Beteiligung für Dornauer "gut aber ausbaufähig"
Tirols SPÖ-Landesparteivorsitzender Georg Dornauer hat das Ergebnis der Mitgliederbefragung über den Verbleib von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner als "Vertrauensbeweis" bezeichnet. Interne Debatten seien damit "ein für alle Mal vom Tisch", teilte er mit. Die Beteiligung von 41,3 Prozent hielt er dagegen für "gut aber ausbaufähig".
Dennoch sei es ein "deutliches Lebenszeichen unserer Basis", sagte Dornauer. Die Mitgliederbefragung habe damit funktioniert, meinte er. In den kommenden Jahren werde es eine der "großen Aufgaben" sein, "dass wir die Möglichkeiten der internen Mitbestimmung pflegen, attraktivieren und weiter ausbauen".
Nun müsse die SPÖ ihre "gesamte politische Kraft darauf richten, die Fehler im türkis-grünen Corona-Krisenmanagement - vom Tiroler Landhaus bis ins Bundeskanzleramt - lückenlos aufzuarbeiten", sagte er. Darüber hinaus stehe die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Fokus. Es gelte jetzt "die Kurve der Arbeitslosen in unserem Land abzuflachen".
NÖ-Parteichef Schnabl: Offene Fragen eindeutig beantwortet
Der niederösterreichische SPÖ-Chef LHStv. Franz Schnabl sieht nach der Mitgliederbefragung "alle offenen Diskussionspunkte und Fragen mehr als eindeutig beantwortet". Er verwies dabei auf die hohe Beteiligung ebenso wie auf die Zustimmung für die Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner.
Das Ergebnis sei "wie ein Neustart empfunden worden", sagte Schnabl nach dem SPÖ-Vorstand am Mittwoch. "Allen ist ein Stein vom Herzen gefallen."
"Damit ist für alle klar, jetzt ist die Zeit, dass wir uns auf wesentliche Inhalte und sozialdemokratische Themen konzentrieren", so Schnabl. Es gehe um Antworten auf die Corona- und Wirtschaftskrise und darum, den Menschen wieder Chancen und Perspektiven zu geben. Klar sei für ihn zudem, dass es einen noch stärkeren Sozialstaat brauche, betonte der Landesparteichef.
Burgenlands Sozialdemokraten nehmen Ergebnis "zur Kenntnis"
Für die SPÖ Burgenland nahm am Mittwoch Landesgeschäftsführer Roland Fürst zum Ausgang der parteiinternen Mitgliederbefragung Stellung: Man nehme die Ergebnisse "zur Kenntnis", so Fürst in einer Aussendung. Die nun - nach dem Votum beim Bundesparteitag - nochmals erfolgte "Klarstellung" in der Vorsitzfrage müsse dazu genutzt werden, auch auf Bundesebene wieder die Themenführerschaft zu übernehmen.
Die SPÖ müsse eine starke Stimme für jene Menschen sein, die nun unter die Räder der Coronakrise geraten könnten. Es brauche jetzt einen "rationalen Schulterschluss", damit man in Österreich so rasch wie möglich wieder zu einem Leben zurückfinde, in dem sich alle wohlfühlten. "Im Zuge der Finanzkrise im Jahr 2008 haben die Menschen die Banken und die Finanzwirtschaft gerettet. Nun ist es an der Zeit und nur gerecht, dass sich die Banken und die Finanzwirtschaft revanchieren und einen großen Teil dieser Krise bezahlen", so Fürst. Das werde nur passieren, wenn die SPÖ genügend Initiativkraft entwickle.